Berlin. Die lebensbedrohliche Entzündung des Kehldeckels wird oft mit Pseudokrupp verwechselt. Wird sie nicht schnell erkannt, droht Ersticken.

„Ich wäre fast gestorben“, schrieb die US-Schauspielerin Sarah Silverman vor einigen Wochen auf Facebook. „Es sind nur Halsschmerzen“, habe sie zuerst gedacht. Warum sie überhaupt zum Arzt gegangen sei, wisse sie nicht mehr. Der stellte bei ihr eine Epi­glottitis fest – innerhalb weniger Stunden lag sie im Bett auf einer Intensivstation. An der lebensbedrohlichen Kehldeckelentzündung starben bis 1990 in Deutschland vor allem Kinder.

Was ist Epiglottitis?

„Ein hoch akutes Krankheitsbild, das mit hohem Fieber, Schluckbeschwerden und kloßiger Sprache, im schlimmsten Fall mit Atemnot einhergeht“, erklärt Dr. Wolfgang Hornberger vom Berufsverband Deutscher HNO-Ärzte. Bei einer Epiglottitis entzündet sich der Kehldeckel (Epiglottis), meist ausgelöst durch den Erreger Haemophilus influenzae Typ B.

„Der Kehldeckel liegt auf dem Kehlkopfeingang und schützt ihn beim Schlucken davor, dass dort zum Beispiel kein Essen hineingerät“, erklärt Hornberger. Üblicherweise habe er etwa die Dicke eines Bierdeckels. „Bei einer Entzündung schwillt er aber auf bis zu einen Zentimeter an und engt den Rachen ein, der Patient bekommt schnell Pro­bleme beim Atmen.“ Wird der Betroffene nicht so schnell wie möglich behandelt, kann er ersticken. „Von der Infektion bis zum Ausbruch vergehen teils nur wenige Stunden“, so Hornberger.

Wie wird die Krankheit behandelt?

Starke Halsschmerzen und Schwierigkeiten beim Schlucken bis hin zur Verweigerung von Nahrung und Flüssigkeit, akut einsetzendes hohes Fieber, extremer Speichelfluss, Sitzen mit nach vorn gebeugtem Oberkörper, Quietschen oder Pfeifen beim Atmen, bläulich verfärbte Lippen und Hände können weitere Symptome für eine Epiglottitis sein, mit denen Patienten umgehend zum Arzt gehen sollten. Akute Atemnot ist das Extremste: „Wenn jemand mit offenem Mund dasitzt und nach Luft schnappt, sollte sofort ein Notarzt verständigt werden“, sagt Hornberger.

„Die Patienten zu untersuchen ist meist schwierig, denn schon einen Mundspatel einzuführen, ist für sie eine Qual“, erklärt Hornberger. Oft sind die Symptome aber so eindeutig, dass Hausärzte die Diagnose schnell stellen könnten. „Sie rufen dann meist ihrerseits einen Notarzt, der notfalls sofort intubieren und die Atmung sicherstellen kann. Im Extremfall muss ein Luftröhrenschnitt gemacht werden“, erklärt Hornberger.

Spätestens im Krankenhaus bekommen die Patienten intravenös hoch dosierte Antibiotika und zusätzlich Cortison, um die Schwellung zu bekämpfen. Die Behandlung auf der Intensivstation kann bis zu eine Woche dauern, teils müssen die Patienten auch intravenös ernährt werden, weil sie nicht schlucken können.

Warum sind heute weniger Patienten betroffen?

Früher gab es die Erkrankung bei Kindern recht häufig“, sagt Hornberger, „bis zu 10 Prozent der Erkrankten starben.“

Seit 1990 gibt es eine Impfung gegen die gefährliche Form von Haemophilus influenzae Typ B, die Ständige Impfkommission empfiehlt sie für „alle Säuglinge und, falls nicht im Säuglingsalter er­folgt, für Kinder bis zu 4 Jahren“. Die erste Impfung erfolgt ab dem zweiten Lebensmonat; nachdem die Grundimmunisierung abgeschlossen ist, hält der Schutz ein Leben lang. „Seit die Impfung eingeführt wurde, sind die Fälle zurückgegangen, heute erkranken eher Erwachsene, vor allem Ältere. Die Sterberate ist gering“, sagt Hornberger.

Was ist über den Erreger bekannt?

Haemophilus influenzae lebt in menschlichen Schleimhäuten, nur bestimmte Varianten sind gefährlich. Sie greifen die oberen Atemwege an, neben einer Epiglottitis können sie auch eine Lungenentzündung oder Bronchitis verursachen, bei Kindern zu einer Hirnhautentzündung führen. „Mit Grippe hat der Erreger nichts zu tun“, erklärt der HNO-Arzt Wolfgang Hornberger. Lange galt Haemophilus influenzae als Grippevirus, bis Wissenschaftler entdeckten, dass er nur als Begleitung des eigentlichen Influenza-Erregers auftrat. Er nutzte das geschwächte Immunsystem und verursachte weitere Symptome.

Eine Infektion mit Haemophilus influenzae ist in Deutschland meldepflichtig und mittlerweile selten. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) erkrankten im Jahr 2014 insgesamt 276 Menschen, drei davon an Epiglottitis, 27 starben. 2015 wurden 323 Erkrankte gemeldet, keiner mit Epiglottitis, es gab 26 Todesfälle. „Die Ansteckung erfolgt per Tröpfcheninfektion, also etwa durch Anhusten“, sagt Hornberger. Das RKI rät Personen, die Kontakt mit Erkrankten haben, vorsorglich mit Antibiotika zu behandeln.