Berlin. Die sexuell übertragbaren HP-Viren können Krebs verursachen. Bisher wurden nur Mädchen gegen sie geimpft. Das soll sich nun ändern.

Fast jeder Mensch infiziert sich nach Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums im Laufe seines Lebens mit Humanen Papillomviren (HPV). Laut dem Berufsverband der Frauenärzte sind sie die am häufigsten sexuell übertragenen Viren der Welt. HPV bezeichnet eigentlich eine große Gruppe von mehr als 170 Viren, die zum Teil zu eher harmlosen Zellveränderungen wie Warzen führen. Doch manche bergen auch gefährliche Risiken: Eine Infektion sorgt für die Entstehung von Krebserkrankungen und deren Vorstufen. HPV-Impfungen bei jungen Mädchen können helfen, Gebärmutterhalskrebs zu verhindern – weltweit die zweithäufigste Tumorerkrankung nach Brustkrebs, unter der Frauen zwischen 15 und 44 Jahren leiden. Nach neuen Erkenntnissen ist es auch wirkungsvoll, Jungen zu impfen. Und es sind neue Impfstoffe gegen weitere Virentypen im Einsatz.

Wie HP-Viren Krebs verursachen

In den meisten Fällen bleibt eine HPV-Infektion folgenlos, doch die „Hochrisiko“-Typen können Krebs an Gebärmutterhals, Scheide, äußerem weiblichen und männlichen Genitalbereich, After und Penis (siehe Grafik) verursachen.

Der Pathologe Professor Gerd-Henrik Griesser erklärt, wie es dazu kommt: „Kleine Bruchstücke der Erbsubstanz bestimmter weniger Typen des HP-Virus sind in der Lage, sich in das Erbmaterial der infizierten Zelle einzuschleusen.“ Zwar könne das Immunsystem meist wirkungsvoll gegensteuern. „Doch wenn das körpereigene Schutzsystem versagt, können sich bei Frauen aus Zellen mit chronischer Infektion Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs oder gar eine solche Krebserkrankung entwickeln“, sagt Griesser, der als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Zytologie (Zelllehre) die Initiative „Gebärmutterhalskrebs verhindern“ mit begründet hat.

Jährliche Vorsorge beim Frauenarzt

Das kommt nicht von ungefähr, denn die Diagnose dieser Tumorerkrankung hat viel mit Zellkunde zu tun: Bei der jährlichen Vorsorgeuntersuchung entnimmt der Frauenarzt mithilfe eines speziellen Spatels oder einer kleinen Bürste Zellen vom Muttermund (Portio) und aus dem Gebärmutterhalskanal (Zervix). „Die Entnahme der Zellen ist einfach und für die Patientin schmerzfrei“, sagt Professor Griesser. Die Zellen werden anschließend aufbereitet und unter dem Mikroskop von einem in der zytologischen Diagnostik erfahrenen Facharzt, in der Regel Pathologen und Gynäkologen, auf Zellveränderungen untersucht. Trotz verbesserter Früherkennung, auch mithilfe von HPV-Tests, die verschiedene Virentypen nachweisen, gibt es jährlich etwa 4660 Neuerkrankungen, und es sterben hierzulande rund 1500 Patientinnen an Gebärmutterhalskrebs. Das besagen jüngste Daten des Robert-Koch-Instituts.

Warum Impfen auch für Jungen sinnvoll ist

Die HPV-Impfung als vorbeugende Maßnahme bekommt aus verschiedenen Gründen eine große Bedeutung. Sie soll nämlich nicht nur – wie von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen – Mädchen vor einer Infektion mit Hochrisiko-Viren schützen, die einen solchen Krebs verursachen können. Auch Jungen können davon profitieren. Zum einen, weil Männer die Viren beim Sex weitergeben, wie Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte in München betont. Zum anderen haben aktuelle Studien nach Angaben des Robert-Koch-Instituts gezeigt, dass die Gabe eines bestimmten Impfstoffs bei Jungen im Alter von neun bis 15 Jahren gegen Genitalwarzen und Vorstufen des Analkarzinoms wirkt. Albring: „ Die Impfung sollte wie bei den Mädchen auch bei Jungen im Alter von neun bis zwölf Jahren erfolgen; das macht dann der Kinderarzt oder auch der Hausarzt.“ In Sachsen wird die Impfung für Jungen bereits offiziell empfohlen, wegen der Kostenübernahme sollte laut dem Experten mit der zuständigen Krankenkasse Kontakt aufgenommen werden. Insgesamt verbessern sich die Möglichkeiten des Schutzes vor HPV ständig, wie der Pathologe und Zytologe Professor Griesser weiß: „Seit einigen Wochen ist in Deutschland ein Impfstoff (Papillomavirus 9-valente) zugelassen, mit dem eine Immunität gegen neun Typen des Humanen Papillomvirus aufgebaut werden kann. Dadurch ist es jetzt möglich, die Viren zu erreichen, die 80 bis 90 Prozent der Krebserkrankungen auslösen. Vorher war eine Impfung nur gegen vier Virustypen möglich.“

Australisches Impfprogramm belegt Wirksamkeit

Mädchen werden derzeit im Idealfall im Alter von neun bis 14 Jahren geimpft, bekommen dies aber bis zum 18. Geburtstag bezahlt. Gynäkologe Christian Albring: „Manche Krankenkassen bezahlen die Impfung auch noch bis zum 25. Geburtstag, weil es sinnvoll ist.“ Dass der Piks, der am besten vor Beginn der sexuellen Aktivität gesetzt wird, wirkt, zeigen Zahlen aus Australien, wo es seit zehn Jahren ein flächendeckendes Impfprogramm für Mädchen und Jungen in den Schulen gibt. „Dort ist bei jungen Frauen die Zahl der frühen Krebsvorstufen nach der Impfung um mehr als zwei Drittel zurückgegangen“, erklärt Albring. Eine Impfung bedeutet nach seinen Worten indes nicht, dass man sich anschließend in Sicherheit wiegen kann: „Einige Gebärmutterhals-Krebserkrankungen werden nicht durch diese Virustypen ausgelöst. Deshalb sollte jede Frau weiterhin regelmäßig zur Krebsfrüherkennung gehen, auch wenn sie geimpft ist, auch weil neben dem Abstrich ja zudem Vulva, Vagina, Gebärmutterkörper, Eileiter und Eierstöcke, Brüste und Achselhöhlen und ab 50 der Enddarm untersucht werden.“

Wird dabei eine bösartige Veränderung sehr früh und quasi noch in einem Vorstadium entdeckt, reicht laut dem Gynäkologen meist eine örtlich begrenzte Operation am Gebärmutterhals aus. „Wenn in der Gewebeuntersuchung festgestellt wird, dass im Bereich der Schnittränder keine bösartigen Zellen vorhanden sind, und wenn auch kein Hinweis auf einen Befall der örtlichen Lymphknoten mit Krebszellen besteht, ist die Behandlung abgeschlossen. Die Möglichkeit, schwanger zu werden, bleibt erhalten“, so Albring. Die Behandlung eines fortgeschrittenen Gebärmutterhalskrebses sei hingegen immer sehr belastend – das betroffene Gewebe wird in einer Operation entfernt, eine Chemotherapie und eine Bestrahlung können hinzukommen. Albring: „Leider haben in Deutschland und anderen Ländern über 60 Prozent der Frauen, die vom Gebärmutterhalskrebs betroffen sind, den Abstrich in den letzten fünf Jahren vor der Erkrankung nicht durchführen lassen, und 31 Prozent nur unregelmäßig.“