Berlin. Dröhnende Turbinen, rauschender Verkehr – all das schadet der Gesundheit. Aber was geschieht im Körper bei ständiger Lärmbelastung?

Feinstaub und Ozon können der Gesundheit schaden – diese Erkenntnis hat einen Platz im kollektiven Gesundheitsbewusstsein eingenommen. Lärm spielt dort eine untergeordnete Rolle. Doch Experten sind alarmiert: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Straßenverkehrslärm als zweitgrößtes umweltbedingtes Gesundheitsrisiko nach Luftverschmutzung ein. Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchen aktuell den Einfluss von Fluglärm auf den Schlaf von Kindern und laut Umweltbundesamt ist zu befürchten, „dass rund drei Prozent aller Herzinfarktfälle in Deutschland durch Straßenverkehrslärm hervorgerufen sind“.

Was passiert im Körper, wenn wir Lärm ausgesetzt sind?

„Lärm beeinflusst das vegetative Nervensystem und damit zahlreiche Prozesse im Körper“, sagt Ute Kraus. Die Epidemiologin forscht am Helmholtz Zentrum München (HMGU) unter der Leitung von Dr. Alexandra Schneider zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm. So konnten die Wissenschaftler etwa zeigen, dass neben Straßenverkehrslärm auch Geräusche des Alltags Auswirkungen auf den Körper haben können.

Ob nun der Presslufthammer vor dem Bürofenster oder die nächtliche Partymusik der Nachbarn – wenn um uns herum Lärm tobt, den wir nicht beeinflussen können, bedeutet das in der Regel Stress. Der Körper reagiert darauf mit erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Blutdruck. Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden verstärkt ausgeschüttet. Zudem sinkt kurzzeitig die Herzratenvariabilität (HRV) – die Fähigkeit des Herzens, seine Schlagfrequenz an akute Erfordernisse anzupassen. Ist die HRV dauerhaft herabgesetzt, gilt das als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Welcher Lärm schadet am meisten?

Eine bunte Geräuschkulisse muss nicht immer ein Ärgernis sein. Manchmal befinden wir uns schließlich mittendrin im lauten Trubel und fühlen uns gut dabei. Trotzdem kann auch positiv besetzter Freizeitlärm besagte Stressreaktionen im Körper auslösen. Wie schädlich der Lärm wirkt, hängt hauptsächlich von drei Aspekten ab: seiner Lautstärke, seiner Dauer, und der Situation, in der er auftritt.

Zunächst einmal können natürlich Lärmspitzen das Gehör schädigen. Doch auch moderater Krach kann, in Form von Dauerbeschallung, gesundheitliche Probleme verursachen, wie die Studie des HMGU zeigt. Der Zusammenhang zwischen Lärm und dem Absinken der Herzratenvariabilität besteht nämlich nicht nur bei Spitzenlautstärken, wie sie zum Beispiel mit 65 bis 85 Dezibel im Straßenverkehr gemessen werden können: Die HRV scheint sich bereits bei niedrigeren Lärmpegeln unter 65 Dezibel kurzfristig zu reduzieren.

Der schädliche Einfluss besteht selbst dann, wenn man sich an den Lärmpegel gewöhnt hat und ihn deshalb – oder aufgrund eines stabilen Nervenkostüms – nicht als störend empfindet. So gefährde zwar nicht eine Übernachtung im lauten Hotel die Gesundheit, sagt Ute Kraus, wohl aber Langzeitbelastungen, wie sie etwa Menschen aushalten müssen, die neben Hauptverkehrsstraßen, an Bahngleisen oder in der Einflugschneise eines Flughafens wohnen.

Welche Rolle spielt die eigene Wahrnehmung?

Das persönliche Befinden kann sich zusätzlich auf das Stressniveau auswirken: Fühlt sich jemand durch den Lärm stark beeinträchtigt, kann er sich der Situation nicht entziehen, wird auch sein Körper stärker reagieren. Wer hingegen auf gute Strategien zur Stressbewältigung zurückgreifen kann, hat tendenziell ein geringeres Erkrankungsrisiko. So liefern einzelne Studien erste Hinweise, dass etwa ein Zusammenhang zwischen Fluglärm und Bluthochdruck nur bei Personen zu beobachten ist, die sich durch den Fluglärm belästigt fühlen.

Welche Schutzmaßnahmen gibt es?

Zahlreiche Regelungen befassen sich mit dem Schutz vor Luftschadstoffen. „In Sachen Lärm gibt es leider viel weniger Schutzvorschriften“, so Ute Kraus. Ein europäischer Ansatz ist die „Umgebungslärmrichtlinie“ (2002/49/EG), die das Ziel hat, Lärmschwerpunkte zu ermitteln, die Bevölkerung darüber aufzuklären und die Lärmbelastungen zu senken. Diese Richtlinie ging 2005 ins deutsche Recht über und wurde im Bundes-Immissionsschutzgesetz verankert: So müssen große Städte Lärmkarten für die Bevölkerung zugänglich machen.