Berlin. Wenn Familienarbeit krank macht, kann eine Kur helfen. Seit 2007 sind Mutter- und Vater-Kuren Pflichtleistungen der Krankenkassen.

Mehr als 135.000 Kuren für Mütter und Väter haben die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2014 genehmigt, ein Plus von elf Prozent im Vergleich zu 2013. Über 373 Millionen Euro gaben die Kassen dafür aus. Die 2015er-Zahlen sollen erst im Juni veröffentlicht werden. Wir erklären die gesetzlichen Regeln und den Weg vom Antrag bis zur Bewilligung.

Wer hat Anspruch auf diese Kur?

Anspruch haben Frauen und Männer mit Familienverantwortung, die dadurch im Besonderen belastet sind und deshalb gesundheitliche Probleme haben. Attestiert der Arzt eine Kurbedürftigkeit, kann ein Antrag auf eine Vorsorge- oder Rehamaßnahme nach den Paragrafen 24 oder 41 des fünften Sozialgesetzbuches gestellt werden.

Seit 2007 sind Mutter-Kind- sowie Vater-Kind-Kuren eine gesetzliche Pflichtleistung der Krankenkassen. Wird eine entsprechende Vorsorge oder Rehabilitation vom Arzt verordnet, muss die Kasse diese im Regelfall genehmigen.

Aufgrund welcher Diagnosen werden die Kuren verordnet?

Der überwiegende Teil der Kuren wird aufgrund von Erschöpfungszuständen, die oft einhergehen mit Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen oder Angstzuständen verordnet. Der Anteil dieser Diagnosen ist in den vergangenen zehn Jahren um rund 40 auf über 80 Prozent gestiegen, berichtet das Müttergenesungswerk (MGW).

„Aller gesellschaftlichen Veränderungen und eines moderneren Frauenbildes zum Trotz, sind Frauen und Mütter bei der Kindererziehung und der Organisation des Haushalts noch immer mit einem wahnsinnigen Erwartungsdruck konfrontiert“, sagt die stellvertretende MGW-Geschäftsführerin Petra Gerstkamp. „In diesem Bereich stagniert die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau.“ Das führt dazu, dass viele Mütter von sich selbst Höchstleistungen fordern. Gepaart mit einer Mehrfachbelastung bei Berufstätigkeit, ständigem Zeitdruck und fehlender Anerkennung könne dies zu einer gesundheitsbedrohlichen Situation führen.

Was wird in einer Kur gemacht?

In der Regel dauert eine Kur 21 Tage. „Das ist kein Urlaub, sondern eine medizinisch verordnete Maßnahme“, betont Petra Gerstkamp. Im Mittelpunkt stehen medizinische und physiotherapeutische Behandlungen sowie psychosoziale Therapien.

Meist werden die Mütter und Väter von ihren Kindern begleitet, die oft auch behandlungsbedürftig sind. Im Jahr 2014 zählte das MGW in den von ihm anerkannten Kliniken etwa 50.000 Mütter, 1200 Väter und etwa 72.000 Jungen und Mädchen. Kinder können in der Regel bis zwölf Jahren und in Ausnahmefällen bis 14 mit aufgenommen werden. Für behinderte Kinder gibt es keine Altersgrenzen.

Wer bietet die Kuren an?

Etwa die Hälfte der Plätze steht in den 76 vom MGW anerkannten Kliniken zur Verfügung. In fünf Kliniken können Mütter ohne ihre Kinder eine Kur machen. In den 71 anderen Kliniken werden Mutter-Kind-Kuren und in 16 davon auch zusätzlich Vater-Kind-Kuren angeboten. Weitere Plätze gibt es in Kliniken privater Anbieter.

Wie läuft das mit dem Antrag?

Mit einem entsprechenden, möglichst umfassend ausgefüllten Attest des Arztes müssen Mütter und Väter einen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen. Die Kassen helfen kostenlos bei der Antragsstellung. Darüber hinaus beraten 1300 Stellen im MGW zu allen Fragen rund um die Kuren. Die Mitarbeiter helfen auch bei der Antragsstellung und beim Widerspruch. Wird ein Antrag abgelehnt – laut dem Spitzenverband der Krankenkassen waren es im Jahr 2014 etwa 18.200 – können Versicherte widersprechen. Dem MGW zufolge hat ein Widerspruch in über 50 Prozent der Fälle Erfolg.

Wer übernimmt die Kosten?

Alle gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur. Die Zuzahlung pro Kalendertag beträgt für Erwachsene zehn Euro. Kinder sind davon befreit. Weil die Zuzahlung auf maximal zwei Prozent des Bruttojahreseinkommens begrenzt ist, kann diese niedriger ausfallen. Eine Mutter etwa, die Hartz IV bekommt, muss demnach nicht mehr als 95 Euro im Jahr für Medikamente, Krankenhaus- oder Kuraufenthalte zuzahlen. Notwendig für eine Befreiung ist ein Antrag bei der Krankenkasse.

Was müssen Berufstätige wissen?

Verordnet ein Arzt eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur, muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer freistellen. Dabei muss der Chef laut Entgeltfortzahlungsgesetz das volle Gehalt zahlen. Denn eine Kur, begründet das MGW, sei rechtlich ähnlich zu bewerten wie ein Krankenhausaufenthalt. Damit der Arbeitgeber den Ausfall planen kann, sollte er möglichst früh informiert werden. Das MGW rät, diesen in Kenntnis zu setzen, sobald die Krankenkasse die Kur genehmigt hat. Nach der Genehmigung haben Angestellte im Schnitt vier Monate Zeit, die Kur anzutreten.