Berlin. Über 4000 Behandlungsfehler haben die Krankenkassen fürs Jahr 2015 registriert. Für 205 Patienten endete ein solcher Fehler tödlich.

Patienten in Deutschland sind im vergangenen Jahr häufiger Opfer eines von Krankenkassen bestätigten Behandlungsfehlers geworden. Die Zahl dieser Fehler stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 268 auf 4064. Das teilte der Medizinische Dienst des Kassen-Spitzenverbands (MDS) am Donnerstag in Berlin mit. In 205 Fällen starben die Patienten. „Bei den Fehlern, die wir registrieren, handelt es sich um die Spitze eines Eisbergs“, sagte MDS-Vize-Geschäftsführer Stefan Gronemeyer.

Regelmäßig komme es zu besonders folgenschweren Fehlern, die vermeidbar gewesen wären, sagte der MDS-Experte für Patientensicherheit, Max Skorning. 71 Mal erlitten Patienten der MDK-Statistik zufolge in der Klinik etwa ein schlimmes Druckgeschwür. 35 Mal waren bei einer Operation Tupfer oder anderes im Körper vergessen worden.

Kassenverband fordert Meldepflicht für Fehler

7693 der jüngsten Vorwürfe bezogen sich auf eine Behandlung im Operationssaal – bestätigt wurden diese Vorwürfe in knapp jedem vierten Fall. Fast jeder dritte Vorwurf betraf die Orthopädie und die Unfallchirurgie. Jeweils rund jeder zehnte Vorwurf bezog sich auf die Innere beziehungsweise Allgemeinmedizin, die Allgemeinchirurgie sowie die Zahnmedizin. In fünf Prozent der begutachteten Fälle bezogen sich die Vorwürfe auf die Pflege.

Jeder zweite Fehler wurde den Angaben zufolge verursacht, indem eine notwendige Maßnahme nicht oder zu spät durchgeführt wurde. 31 Prozent der Fehler gab es im operativen Bereich, 25 Prozent bei Diagnosen und 9 Prozent bei der Pflege.

Gronemeyer kritisierte mangelnde Transparenz über die Fehler. Es fehle an nationalen Zielen zu ihrer Reduzierung. Auch eine Statistik fehle. „Wir setzen uns für eine Meldepflicht von Behandlungsfehlern ein.“ Erst dann könnten sie umfassend reduziert werden - vergleichbar mit den Unfallursachen im Verkehr. Als mangelndes Anschnallen als Problem erkannt wurde, sei die Gurtpflicht gekommen.

Expertin empfiehlt Patiententagebuch

Hat man als Patient das Gefühl, dass dem Arzt ein Fehler unterlaufen ist, sollte man das keinesfalls einfach hinnehmen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, an wen Betroffene sich in einem solchen Fall wenden können. Eine ist, den Arzt direkt zu fragen, ob ihm ein Fehler passiert ist. Er ist bei konkreten Nachfragen verpflichtet, darauf zu antworten, wie Regina Behrendt, Referentin für Gesundheitsmarkt bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, sagt.

Zu dem Gespräch nimmt man am besten einen Zeugen mit. Denn als Patient hat man bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler die Beweislast. Deshalb empfiehlt Behrendt auch ein Patiententagebuch: Dort hält man alle möglichen Details und Fakten im Rahmen eines Gedächtnisprotokolls fest. Zum Beispiel: den Namen des behandelnden Arztes, der Schwester, die Daten, an denen Behandlungen oder Beratungen stattgefunden haben sowie den Namen und die Adresse des Bettnachbarn. Und natürlich sollte man Dinge, bei denen einem etwas komisch vorkommt, notieren.

Unterstützung von Krankenkassen

Grundsätzlich können Patienten sich für eine Beratung an ihre Krankenkasse wenden. Gibt es Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler, sind die Kassen auch verpflichtet, ihre Versicherten zu unterstützen. Die Versicherung kann direkt die Abrechnungsunterlagen auf Unregelmäßigkeiten prüfen und so unter Umständen Hinweise für einen möglichen Behandlungsfehler finden, erklärt Behrendt. Gibt es diese Anhaltspunkte, kann die Versicherung ein Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) beauftragen.

Außerdem können sich Patienten bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler auch an die Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer wenden. Voraussetzung ist aber, dass der Arzt mit der Schlichtung einverstanden ist, wie Behrendt betont. Das ist ebenso wie die Beratung und Unterstützung der Krankenkassen kostenlos und soll – wenn sich der Verdacht bestätigt – eine außergerichtliche Einigung ermöglichen.

Deutet sich an, dass es sich tatsächlich um einen Behandlungsfehler handelt, sollte man auch einen Fachanwalt für Medizinrecht einschalten – zumindest für ein Beratungsgespräch, rät Behrendt. So kenne man die Verjährungsfristen. Dafür trägt der Patient die Kosten. Auch wenn man vor Gericht geht, hat man ein finanzielles Risiko, warnt Behrendt. (dpa)