Berlin. . Knapp 60.000 Mal wird die „Pille danach“ im Monat verkauft, seit sie rezeptfrei erhältlich ist. Gynäkologen sind wenig begeistert.

Seit März 2015 bekommen Frauen die „Pille danach“ ohne Rezept. Seit dem ist der Verkauf des Präparates um 58 Prozent gestiegen. Laut den aktuellsten Zahlen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) wurden zuletzt knapp 60.000 Packungen pro Monat verkauft. Das sollten Frauen vor der Einnahme wissen.

Was sagen Experten zum Anstieg?

„Die Frauenärzte begrüßen diese Entwicklung nicht“, sagt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Als die Pille danach gegen den dringenden Rat der Frauenärzte aus der Rezeptpflicht entlassen wurde, war das politischer Wille. Dass dadurch viele Frauen diese hoch dosierten Arzneimittel einnehmen würden, obwohl sie das vielleicht gar nicht brauchten, war dabei einkalkuliert.“ Auch werde die Pille danach häufig mit einer „Abbruchpille“ verwechselt, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Sie warnt: „Wird die Pille danach während einer bereits bestehenden Schwangerschaft eingenommen, kommt es nicht zum Abbruch dieser Schwangerschaft.“

Die ABDA sieht in dem starken Verkaufsanstieg hingegen kein Problem. „Es zeigt, dass das Bedürfnis da ist, dieses Medikament einzunehmen“, sagt Sprecherin Ursula Sellerberg. Die Risiken hält sie für gering. Für Apotheker gibt es eine Handlungsempfehlung. Im Beratungsgespräch sollen sie etwa darauf hinweisen, dass die Präparate nicht mehrmals während eines Zyklus eingenommen werden sollten. Dadurch könne es zu einer unerwünscht hohen Hormonbelastung und schweren Zyklusstörungen kommen.

Wer bekommt die Pille danach?

Die Pille danach ist in Apotheken für Mädchen ab 14 Jahren frei erhältlich. Sie wirkt am effektivsten, wenn sie innerhalb von 24 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Onlineapotheken dürfen die Präparate daher nicht verkaufen – ein rechtzeitiges Eintreffen bei der Patientin ist nicht sichergestellt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten des Präparats weiterhin nur mit Rezept und nur für Frauen bis zum 20. Geburtstag.

Wie funktioniert die Pille danach?

Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden ist an den zwei Tagen vor dem Eisprung am höchsten. Ab Beginn der letzten Periode findet er im Schnitt am 14. Tag statt, kann aber auch früher oder später eintreten. Die männlichen Samenzellen überleben in der Gebärmutter bis zu fünf Tage. Fällt der Eisprung in diese Zeit, ist eine Befruchtung auch noch fünf Tage nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr möglich. Die Pille danach verzögert den Eisprung, die Spermien verpassen so die Eizelle und es kann nicht mehr zur Befruchtung kommen.

Welche Präparate gibt es?

Zwei Wirkstoffe sind in Deutschland für die Pille danach zugelassen: Levonorgestrel und Ulipristal. Verkauft werden aktuell fünf Präparate. „Levonoraristo“, „Pidana“, „Postinor“ und „unofem Hexal“ enthalten Levonorgestrel, sie können die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bis 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr verringern. Das belegen Studien. Die Pille „ellaOne“ enthält Ulipristal und soll eine Schwangerschaft bis 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr verhindern.

Welcher Wirkstoff ist besser?

„Ulipristal ist zu jedem Zeitpunkt der Einnahme zuverlässiger und wirkt, im Gegensatz zu Levonorgestrel, auch bei höherem Körpergewicht“, sagt Frauenarzt Albring. „Allerdings liegen mit dem Wirkstoff Ulipristal bisher nur begrenzte Erfahrungen vor“, so die BZgA. Bei Levonorgestrel gebe es langjährige Erfahrungen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit. „Unsere Arzneimittelexperten bewerten Präparate mit Levonorgestrel als geeignet, die Pille mit dem Wirkstoff Ulipristal nur als mit Einschränkung geeignet“, sagt Bettina Sauer von der Stiftung Warentest.

Was sind die Risiken?

Bestehe schon eine Schwangerschaft, wenn die Pille danach eingenommen werde, gehe von Präparaten mit Levonorgestrel keine Gefahr für den Embryo aus, so Sauer. Bei Mitteln mit Ulipristal sei noch nicht abschätzbar, ob bei einer nachfolgenden oder bestehenden Schwangerschaft ein Fehlbildungsrisiko für das Kind besteht. Auch könne es nach der Einnahme von Ulipristal bei einer unbemerkten Schwangerschaft zu heftigen Blutungen kommen, ergänzt Albring. Spätestens dann „ist ein sehr schneller Besuch in der Frauenarztpraxis notwendig“. Das gleiche gilt, wenn sich die Regel nach der Einnahme um mehr als eine Woche verschiebt.