Studie

Gängige Schlafmittel für tausende Tote pro Jahr verantwortlich?

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abendblatt.de

Verschreibungspflichtige Arzneimittel erhöhen das Sterberisiko um mehr als das Vierfache. Erhöhtes Risiko schon bei kurzzeitiger Einnahme. Das haben US-amerikanische Forscher in einer Studie mit mehr als 10.500 Teilnehmern herausgefunden.

London. Gängige Schlafmittel könnten für Hunderttausende von Toten pro Jahr verantwortlich sein: Denn die Einnahme dieser verschreibungspflichtigen Arzneimittel erhöht das Sterberisiko um das mehr als Vierfache. Das haben US-amerikanische Forscher in einer Studie mit mehr als 10.500 Teilnehmern herausgefunden. Schon wer 18 oder weniger Tabletten pro Jahr einnehme, habe eine dreifach höhere Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben. Auch die Anzahl der Krebsfälle sei unter regelmäßigen Schlafmittelkonsumenten um 35 Prozent höher, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „British Medical Journal“.

Die Studie zeige, wie gefährlich Schlafmittel für die Gesundheit seien. „Groben Schätzungen nach könnten diese Medikamente allein in den USA für 320.000 bis 507.000 zusätzliche Todesfälle im Jahr 2010 verantwortlich gewesen sein“, schreiben Daniel Kripke vom Viterbi Family Sleep Center der Scripps Institution in San Diego und seine Kollegen. In den USA schätzen sie die Zahl der Schlafmittelnutzer auf sechs bis zehn Prozent aller Erwachsenen. In Teilen Europas sei der Anteil noch höher.

Die Studie zeige erstmals, dass acht der gängigsten Schlafmittel selbst in relativ niedriger Dosierung bereits gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. „Das war das vielleicht überraschendste Ergebnis der Studie“, sagen die Forscher. Die Mittel führen wahrscheinlich zum verfrühten Tod, indem sie Herzerkrankungen, Krebs und andere Leiden, aber auch Unfälle fördern, vermuten sie.

Dieses Ergebnis wecke Zweifel daran, ob selbst eine kurzzeitige Einnahme von Schlafmitteln ausreichend sicher sei, meinen die Forscher. Möglicherweise müsse man in Zukunft noch stärker nach alternativen, nicht medikamentösen Behandlungsmethoden für Schlafstörungen suchen als bisher.

Die Nebenwirkungen von Schlafmitteln sind schon lange bekannt. Viele Hypnotika werden nur sehr langsam abgebaut, so dass es am nächsten Morgen zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit kommen kann, dem sogenannten „hangover“. Je nach Typ bzw. Wirkweise haben Schlafmittel weitere stoffgruppentypische ungewünschte Wirkungen. Es entstehen Wechselwirkungen mit zahlreichen Arzneistoffen, unter denen besonders die Wirkverstärkung bei gleichzeitiger Einnahme anderer zentral dämpfender Stoffe oder von Alkohol hervorzuheben ist.

Für ihre Studie hatten die Forscher den gesundheitlichen Werdegang von fast 35.000 Patienten über rund zweieinhalb Jahre hinweg verfolgt. Das Durchschnittsalter der teilnehmenden Männer und Frauen lag bei 54 Jahren. 10.531 Teilnehmer hatten im Untersuchungszeitraum zwischen 2002 und 2006 Schlafmittel in unterschiedlicher Häufigkeit und Dosierung eingenommen. Unter den Mitteln waren sowohl Benzodiazepine wie Temazepam, als auch Barbiturate und andere Wirkstoffgruppen. Für die Auswertung verglichen die Forscher die Schlafmittelnutzer jeweils mit Versuchspersonen ähnlichen Alters, Geschlechts und Gesundheitszustands, die keine Schlafmittel genommen hatten.

In allen Altersgruppen seien im Studienzeitraum mehr Patienten aus der Schlafmittelgruppe gestorben als aus der Kontrollgruppe, berichten die Wissenschaftler. Das habe für alle acht untersuchten Schlafmittel gegolten, darunter auch neuere, vermeintlich gesündere Schlafmittel wie Zolpidem. Dieses Mittel wirkt ähnlich wie Benzodiazepine, gehört aber einer anderen Substanzklasse an.

Zwar könne diese Art der Bevölkerungsstudie Ursache und Wirkung nicht hundertprozentig nachweisen, aber das Ergebnis bestätige Hinweise aus früheren Studien. „Wir haben zudem jede verfügbare Methode genutzt, um diese Zusammenhänge verschwinden zu lassen, weil wir dachten, sie würden von anderen Risikofaktoren ausgelöst“, sagt Mitautor Robert Langer Center for Preventive Medicine in Jackson Hole. Aber das höhere Sterberisiko für die Schlafmittelnutzer sei geblieben. (dapd)

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