Hamburg. Schotter statt Blumen vor dem Haus – öder und insektenfeindlicher geht’s ja gar nicht. Aber sollten Kommunen das wirklich verbieten?

Die Bundesregierung kümmert sich jetzt auch um den deutschen Vorgarten. Weil die Kanzlerin einen eigenen Garten habe?, wollte meine Frau Anke gleich wissen. Nein, natürlich nicht. Man weiß auch nicht, ob Angela Merkel an ihrem Wochenendhaus in der Uckermark selber den Rasen mäht oder Tomaten und Salate anpflanzt. Vielleicht macht das auch ihr Mann. Geht auch niemanden was an, ist privat – und die Frau hat schließlich genug um die Ohren. Die Krisen, Trump, Putin, das Klima in der Welt – und zu Hause das in der GroKo. Und nun auch die Vorgärten der Deutschen?

Früher mal der Stolz eines jeden Hausbesitzers. Mindestens repräsentativ, meist auch gärtnerisch anspruchsvoll mit Stauden, Sträuchern, großen oder kleinen Bäumen. Und heute? Schotter statt Schneeglöckchen. Kies und Marmor-Split in den verschiedensten Farben. Ökologische Todeszonen, die auch noch das Artensterben unterstützen. Das der Bienen sowieso.

Weil mittlerweile mancherorts in ganzen Straßenzügen die Vorgärten, besonders gern in Neubaugebieten, geschottert sind, haben erste Städte in ihren Satzungen die toten Steinwüsten verboten. Etwa im ostwestfälischen Halle, im rheinischen Xanten oder in Heilbronn am Neckar. Dort haben sie, rechtzeitig zum Beginn der diesjährigen Bundesgartenschau, die Steinwüsten im Vorgarten per Bausatzung verboten. Wie hätte man auch sonst guten Gewissens mit blühenden Landschaften zum Besuch der Blütenschau werben wollen, natürlich mit Mustergärten zur Rettung der Bienen. Bremen plant die Einführung einer entsprechenden Satzung, in Dortmund ist ein solcher Vorstoß höchst umstritten. Die dortige CDU sieht in einem Verbot einen Eingriff ins Privateigentum. Ich weiß nicht, ob die Christen-Union je mit Verweis auf das Grundgesetz gegen Vorschriften zur Errichtung von Jägerzäunen protestiert hätte.

Trend zum Schottergarten

Die Dortmunder Christdemokraten sollten sich mal bei ihren Freunden im Saarland erkundigen. Das CDU-geführte Bundesland hatte dafür gesorgt, dass sich die Konferenz der Umweltminister, die vergangene Woche in Hamburg stattfand, mit den Öko-Einöden in den deutschen Vorgärten befasste – unter Punkt 32 der Tagesordnung (TOP). Nach dem Preis für CO2(TOP 16), einem Klimagesetz (TOP 11, 12 und 19) oder dem Wolf (TOP 28 und 30). Die Bundesregierung, so steht es im Ergebnisprotokoll, soll eine Kampagne für eine insektenfreundliche Gestaltung von Privatgärten starten. Immerhin ist die Zahl der Insekten, also nicht nur der Bienen, sondern auch von Schmetterlingen und Co., um fast 70 Prozent zurückgegangen.

Man war sich, selten genug, über die Parteigrenzen einig. Der Hamburger Umweltsenator Kerstan (Grüne) wie sein Kollege Lies aus Hannover. Der bekannte, keine Ahnung zu haben, wie der Trend zum Schottergarten entstanden sei. Die Antwort darauf weiß nicht einmal Wikipedia, wo der Eintrag über Schottergärten doppelt so lang ist wie der über den SPD-Politiker aus Niedersachsen.

Immerhin gibt das Internet-Lexikon Hinweise – vor allem auf zahlreiche Initiativen, die wie der Bund Naturschutz gegen den Wildwuchs der Steinflächen kämpfen. Am bekanntesten ist der Blog des Berliner Botanikers Ulf Soltau, der unter dem Namen „Gärten des Grauens“ Fotos von durchgepflasterten Vorgärten veröffentlicht. Veritable Kieshöllen, manchmal eingefasst von andersfarbigem Gestein oder Gabionen. Das sind mit Steinen gefüllte Drahtverhaue.

Meditative Zwecke

Ich gestehe, ich habe selber mal mit der Anschaffung solcher Verliese für Steine geliebäugelt. Vor etwa 15 bis 20 Jahren, auf Fahrten von Hamburg zu unserem kleinen Mühlenpark im Wendland. Meist vor Neubauten, sogar in sonst eher idyllischen Dörfern. Lange bevor solche Bausätze für Gabionen die Baumärkte eroberten, fand ich sie im Katalog von Manufaktum, dem sonst so umweltbewussten Retro-Kaufhaus („Es gibt sie noch, die einfachen Dinge“) für zahlungskräftige Kundschaft. Dort wurden die Drahtverhaue für Steine sogar als ökologisch wertvoll beschrieben.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © Klaus Bodig | Klaus Bodig

Angeblich siedele sich darin im Lauf der Jahre eine wunderbare Welt von Pflanzen und Moosen an. Ganz von alleine. Wunderwelten für Fauna und Flora habe ich in Schotter-Vorgärten und Gabionen noch nicht gesichtet. Ich sehe nur kahle Wüsten. Denn pflegeleicht, wie versprochen, sind auch diese Parkplätze für Autos, Fahrräder und Mülleimer in den Vorgärten nicht. Die Steinwüsten, in denen gelegentlich in Form geschnittene Kiefern, Buchskugeln oder Eiben ums Überleben kämpfen, verfärben sich dank Algenbelag rucki, zucki in kränkliches Grün, was meist nur mit der chemischen Keule zu bekämpfen ist – wie das Unkraut in den Ritzen.

Pflegeleicht an solchen Gärten sind nur die Buchsbaum-Kugeln aus Polyester, die es ebenso zu besichtigen gibt wie den Buddha aus Stein – so eine Art Gartenzwerg in modern. Er soll wohl an japanische Zen-Gärten erinnern, in denen der Kies immer wieder neu geharkt wird. Zu meditativen Zwecken. Ich habe noch nie jemanden in einem total versiegelten Schottergarten meditieren sehen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth