Hamburg. Der Rizinus besitzt tolle Blüten, hat aber auch so seine Tücken, wenn man ihn nicht sachgerecht behandelt.

„Oh,“ sagte meine Frau Anke und erbleichte. Sie hatte mich gerade mit leuchtenden Augen auf Katalogbilder einer wirklich schönen Pflanze mit großen Blättern und leuchtend roten Blüten hingewiesen. Das sehe echt toll aus, etwa der kleine Wunderbaum „Zanzibarensis“, pflichtete ich ihr bei – und fügte vorsichtshalber hinzu: „Ist eine Rizinus-Sorte und gerade zur Giftpflanze des Jahres gewählt worden.“.

Vom bloßen Angucken, konnte ich Anke beruhigen, fällt man auch bei der giftigsten Pflanze nicht gleich tot um. Wollten wir Giftpflanzen aus unseren Gärten verbannen, sähen die ziemlich armselig aus. Zur Giftpflanze des Jahres wurden unter anderem schon Klassiker wie das Tränende Herz, Rittersporn, Maiglöckchen, Blauer Eisenhut, Eibe, Kirschlorbeer, Roter Fingerhut, Pfaffenhütchen, Herbstzeitlose und Goldregen gekürt. Giftig – das heißt zunächst nur, dass zum Beispiel bei der Rizinus-Pflanze (Ricinus communis), die botanisch zur Familie der Wolfsmilchgewächse gehört, besonders bei Kindern wohl einige Vorsicht geboten ist. So steht es auch in der Begründung des Botanischen Sondergartens in Hamburg-Wandsbek, der die Wahl durchführt. Der dekorative Halbstrauch, der ursprünglich aus Afrika stammt, ist nämlich auch in unseren Breitengraden in Parks und Gärten als Zierpflanze präsent.

Hochtoxisches Rizin

Die alten Ägypter pressten Öl aus den Samen. Das ist ungefährlich, weil das hochtoxische Rizin in der Samenschale beim Pressen nicht ins Öl gelangt. Bei den Pharaonen galt das Öl als Heilmittel gegen Beschwerden, bei Kleopatra sollte es dem Haar Fülle und Glanz verleihen. Darauf schwört angeblich auch die Hollywood-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Catherine Zeta-Jones.

In der Bibel lässt Gott über Nacht einen Rizinus vier Meter hoch wachsen, damit der Prophet Jonas tagsüber darunter Schatten findet. Jonas, im achten Jahrhundert vor Christus in der Nähe von Nazareth geboren, ist auch der Glückspilz, den ein Wal verschlang und nach drei Tagen wieder ausspuckte. Den meisten von uns ist Rizinus als durchschlagendes Abführmittel bekannt. Das Öl wird aber heute noch in der Farben- und Lack-Industrie gebraucht, in der Kosmetik ist es in Lippenstiften und Shampoos – und schmiert als Castor-Öl die Motoren von Rennwagen.

Schlechter Ruf

Seinen schlechten Ruf hat Rizinus, der auch als Christuspalme bekannt ist, erst durch das Militär und die Geheimdienste bekommen. Die USA experimentierten schon im Ersten Weltkrieg mit dem hochgiftigen Rizin aus der Samenschale, wollten unter anderem damit Gewehrkugeln beschichten, brachten es allerdings nicht zur Produktionsreife. Rizin, muss man wissen, ist um ein Vielfaches giftiger als Curare, das berühmte Pfeilgift der Indios Südamerikas. Im Zweiten Weltkrieg experimentierte man erneut mit dem Gift der Christuspalme, obwohl das längst gegen die Haager Landkriegsordnung verstieß. Vor 20 Jahren wurden zufällig in einem Labor des US-Militärs noch Restbestände gefunden, dazu noch schlecht gesichert. Nach den international gültigen Abkommen über biologische und chemische Kampfstoff hätten sie schon seit Jahrzehnten vernichtet sein müssen.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © HA | Klaus Bodig

Natürlich vermutete der Westen den russischen Geheimdienst KGB hinter dem sogenannten Regenschirm-Attentat, das am 7. September 1978 auf den bulgarischen Dissidenten Georgi Markow in London verübt wurde. Der stand gerade an einer Bushaltstelle, als er plötzlich einen Pikser im Unterschenkel verspürte. Aus der Spitze eines Schirms war ihm quasi im Vorbeigehen ein Kügelchen mit 200 Mikrogramm Rizin injiziert worden. Der Mann starb vier Tage später. Heute gilt der bulgarische Geheimdienst als verantwortlich für das Attentat auf Regimekritiker Markow. Der Tag des Anschlags war der Geburtstag des bulgarischen Diktators Todor Schiwkow.

Pflanzzeit ist im Mai nach den Eisheiligen

Soll ich also einen so übel beleumundeten Halbstrauch in unseren kleinen Mühlenpark im Wendland holen – auch wenn er noch so schön blüht? Ich überlege das noch. Pflanzzeit ist im Mai nach den Eisheiligen. Geht relativ einfach. Der Standort sollte sonnig und geschützt sein, der Boden locker und nährstoffhaltig. Am besten die Pflanzerde mit Kompost oder Hornspänen anreichern. Carmencita hat bronzerote Blätter und tiefrote Blüten. Sanguineus sogar einen blutroten Stamm. Beide werden bei uns bis zu zwei Meter hoch und fast ebenso breit. Alle Rizinussorten sind bei uns nicht winterhart, also nur einjährig. Am Mittelmeer werden sie dagegen bis zu vier Meter hoch, in den Tropen sogar 14. Alle Rizinussorten müssen im Sommer gut gegossen werden, im Kübel auf der Terrasse sogar täglich. Wie die schönen Engelstrompeten. Auch sehr giftig.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth