Hamburg. Die Griechen verwendeten dafür das harte Holz der Kornelkirsche, die in unseren Breiten zu den Frühblühern zählt.

Da war es schon mal. Das Gefühl, dass sich der Winter erledigt hat. Die Vögel zwitscherten, die ersten Krokusse blühten. „Hast du gesehen?“, fragte meine Frau Anke ganz aufgeregt, „die Narzissen kommen auch schon raus.“ Und erst die Kletter-Hortensie – so dicke Knospen, die platzen ja gleich auf.

Und dann wurde es doch noch einmal kalt. Nachts fällt das Thermometer dauerhaft unter zehn Grad. Minus. Schaffte es tagsüber nicht einmal mehr in den Plusbereich. „Und“, fragte meine Frau Anke ganz besorgt, „müssen die jetzt alle erfrieren?“ Natürlich nicht. Die stellen nur ihr Wachstum ein. Bis es wieder wärmer wird, konnte ich sie beruhigen. Da hatte Anke schon einen ganzen Eimer Meisenknödel gekauft. Wegen der armen Piepmätze, die jetzt nichts zu fressen hätten. Ich fand, die waren ganz gut durch den Winter gekommen, der eigentlich keiner gewesen war. Ich hab trotzdem die Hälfte über unserem kleinen Mühlenpark im Wendland angebracht. Kann ja nix schaden – und war ja auch ein Sonderangebot gewesen.

Ein Wunderbaum

Auch anderen Früh- oder Winterblühern kann der Kälte-Einbruch kaum was anhaben. Auch nicht der Kornelkirsche. Die ist ein Wunderbaum. Sie blüht zuverlässig im März und April. In milden Wintern manchmal schon ab Ende Februar – und damit oft vor einem anderen Frühjahrsklassiker in unseren Gärten, der Forsythie.

Beide blühen überreich, in strahlendem Gelb. Beide lassen sich problemlos in Form scheiden. Zu Kugeln oder Hecken. Aber das ist auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten. Die Forsythien, die wir aus unseren Gärten und Parks kennen, sind Zuchtformen, ihr Ursprung liegt in China und Japan. Nun habe ich nix gegen Migranten. Die gibt es in unserem Minipark zu Dutzenden, als Gehölze oder Stauden. Aber sie produzieren keinen Nektar. Ökologisch sind sie so wertvoll wie ein Laternenmast. Cornus mas dagegen ist für Bienen und Käfer so etwas wie ein Freiluft-Delikatessenladen. Nektar und Pollen satt – und das im zeitigen Frühjahr, wo es sonst so wenig gibt. Die Blüten der Kornelkirsche, die auch im lichten Schatten gedeiht, verbreiten dazu einen honigartigen Duft.

Ein Stück Weltgeschichte

Mit einer Kornelkirsche holt man sich auch ein Stück Weltgeschichte in den Garten. Das Trojanische Pferd, mit dem die Griechen die Trojaner nach zehn Jahren Belagerung überlisteten, war aus dem Holz der Kornelkirsche gebaut. Das Weltreich Alexanders des Großen war auch auf die furchterregenden Langspeere seiner Soldaten gegründet. Natürlich aus dem Holz der Kornelkirsche. Das ist so hart, dass im Mittelalter daraus sogar Zahnräder gefertigt wurden – etwa für Mühlen. Später kamen Spazierstöcke schwer in Mode. Das härteste Holz Europas ist so schwer, dass es im Wasser nicht schwimmt, sondern untergeht.

Das Beste zum Schluss: Im August und September werden die Früchte reif, denen das Gehölz seinen Namen gibt. Die sind natürlich keine Kirschen. Die sehen nur so aus, sind kleiner, aber dafür Vitaminbomben. Denn Cornus mas gehört zu den Hartriegel-Gewächsen, ist eng verwandt mit jenem Strauch, der im Winter mit seinen roten Trieben glänzt. Süß- und Sauerkirschen dagegen gehören botanisch zu den Rosengewächsen.

Gelbe und rote Kirschen

Es wäre ein Wunder, hätte sich die Gartenbau-Kunst über ein so altes Kulturgehölz nicht längst hergemacht. Es gibt Sorten mit weißen, gelben und roten Kirschen. Die größten Früchte hat die österreichische „Jolico“, die schönsten Blätter haben nach meiner Ansicht die gelbe „Aurea“ und die weißrandige „Variegata“. Cornus mas gibt es als Strauch und Hochstamm zu kaufen. Einziger Nachteil: Es wächst relativ langsam, besonders in den Zuchtformen. Meine absoluter Favorit ist „Fastigiata“, die straff aufrecht wächst – gut für kleine Gärten.

Man kann die Früchte am Baum lassen, die Vögel freuen sich. Speziell der Eichelhäher ist ein Fan von Kornelkirschen. Man kann aber Marmeladen oder Gelees daraus machen. Oder einen leckeren Likör, über die Jahrtausende beliebt bei Griechen und Römern – und auch bei den alten Germanen.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © Klaus Bodig | Klaus Bodig

Die gute Nachricht: Die Herstellung ist ganz einfach. Ein Beispiel: 350 Gramm Kornelkirschen waschen und entkernen, in ein durchsichtiges Glas gaben. 150 Gramm braunen Kandiszucker dazugeben sowie eine Stange Zimt und eine aufgeschnittene Vanilleschote. Dazu eine Flasche (0,7) weißen Rum, Korn oder Wodka. Deckel drauf, auf eine helle Fensterbank stellen und immer mal wieder schütteln. Mindestens zwei Monate stehen lassen. Dann durchseien. Wohl bekomm’s.

Die schlechte Nachricht: Reife Kornelkirschen gibt es nicht zu kaufen. Man muss sie schon selber anpflanzen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth