Hamburg. Quälgeister sind wegen des Klimawandels auch im Norden heimisch geworden. Weil sie so winzig sind, bemerkt man sie leider zu spät.

Männer, das wissen wir nicht erst seit Herbert Grönemeyer, sind ja so verletzlich. Aber sie sprechen ungern darüber. Wie über ihre Krankheiten. Außer sie sind unter sich. Wie letztens bei einem Treffen mit alten Freunden und Kollegen. Irgendwie kamen wir darauf, dass wir alle sogenannte Chroniker sind. So bezeichnen Mediziner Menschen, die wegen einer Malaise, in unserem Fall altersbedingt, ständig auf die Einnahme von Tabletten angewiesen sind.

Als ich später davon, ansatzweise, meiner Frau Anke erzählte und ausdrücklich betonte, dass ich mit zwei Tabletten täglich deutlich am wenigsten nehmen müsse, antwortete sie: „Du musst dich mal wieder durchchecken lassen.“ Ich hatte übrigens erst auf ihre Nachfrage zugegeben, dass ich im Kreis der Kumpels mit knapp unter 70 deutlich der Jüngste war. Ungefragt hatte ich dagegen berichtet, dass ein früher sehr bekannter Schauspieler Tabletten-Spitzenreiter in unserem Kreis gewesen war. Anke hatte, wie viele Frauen damals, wohl ein bisschen für ihn geschwärmt ...

Langanhaltender Juckreiz

Dummerweise habe ich Anke jetzt auch von der Anfrage einer Leserin erzählt. Dagmar D. hatte wissen wollen, ob es eine Milbenart, deren Stiche nicht nur einen langanhaltenden Juckreiz verursachen, sondern im Ex­tremfall auch allergische Reaktionen und Fieber auslösen könnten, wegen des Klimawandels bis zu uns in den Norden geschafft haben könnte. „Du weißt, es gibt diesmal sehr viele Mücken“, so hatte ich Anke noch wenige Tage zuvor einige dicke, extrem juckende Quaddeln in meinen Kniekehlen erklärt. „Ruf unbedingt Matthias an“, sagte sie sogleich. Matthias ist mein Hausarzt.

Im Sommer war ich schon einmal bei dem Arzt aus Altona gewesen. Wegen eines Zeckenbisses. Schon wieder Matthias? Das wäre mir dann doch zu peinlich gewesen. Im Normalfall, das ergeben meine Recherchen, reichen bei Milbenbissen Hausmittel wie Franzbrannt- wein, Tee-Öle oder handelsübliche Mittel aus, die auch gegen Mückenstiche helfen. Und tatsächlich: Neotrombicula autumnalis, wie die Herbstgrasmilbe auf Lateinisch heißt, ist in den Norden vorgedrungen. Früher gab es die winzigen Quälgeister nördlich der Alpen nur in Bayern und Baden-Württemberg. Mittlerweile haben sie sich über Rheinland-Pfalz und das Ruhrgebiet bis zu uns nach Norddeutschland ausgebreitet.

55 Millionen Milbenarten

55 Millionen Milbenarten gibt es weltweit. Jährlich werden etwa 300 neu entdeckt. Am bekanntesten ist die Hausstaubmilbe. Die beißt oder sticht zwar nicht, aber unsere Haut reagiert allergisch auf ihren Minikot. Noch unangenehmer ist die Kratzmilbe, der wir die berüchtigte Krätze verdanken, einen unangenehmen Ausschlag. Grasmilben, genauer die winzigen roten Larven, lauern, wie schon der Name sagt, im Gras auf Beute. Sie krabbeln an uns hoch und suchen feuchte, dünne Hautstellen, am liebsten in den Kniekehlen, in der Ellenbeuge oder im Schambereich. Das Juckpulver mit sechs Beinen ist mit seinen 0,3 Millimetern so winzig, dass wir ihre Attacken anders als etwa bei Mücken erst bemerken, wenn es zu spät ist. Dummerweise juckt es erst Stunden nach dem Befall.

Die winzigen Juck-Monster bohren die Haut an und sondern an der Bissstelle ein Sekret ab. In den winzigen Wunden sammelt sich Lymphwasser, ein Leckerbissen für eine Milbe. Ihr Speichel löst in der Haut durch Abwehrreaktionen später das Jucken und Brennen aus. Bettwärme liebt die Milbe besonders. Über eine nächtlichen Juckanfall habe ich Anke vorsichtshalber auch nicht berichtet. Kurzfristig hatte ich sogar, wie peinlich, an Flöhe oder Läuse gedacht. Fälschlicherweise, wie ich über meine Recherchen erfuhr, angeregt durch besagte Anfrage der Leserin.,Läuse! Flöhe! Anke hätte mich auf der Stelle mindestens unter eine Art Quarantäne gestellt und den Kammerjäger zur totalen Desinfizierung unserer kleine Mühle im Wendland alarmiert. Grasmilben heißen im Volksmund auch Grasläuse oder Blattflöhe.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © HA | Klaus Bodig

Was also tun? Im Prinzip ist gegen Grasmilben kein Kraut gewachsen. Man kann den Rasen kurz halten und in Trockenperioden öfter wässern. Feuchtigkeit mag die Milbe nicht. Angeblich soll auch Kalkdüngung helfen. Gärtner sollten Stiefel oder hohes Schuhwerk tragen und die Hosenbeine in die Socken stecken. Ich habe es mit Gummiringen an den Hosenbeinen versucht, um den Krabblern den Weg in die Feuchtgebiete zu versperren. Handschuhe sind grundsätzlich angesagt bei der Gartenarbeit. Und danach immer gleich duschen. Ganzkörper-Schutzanzüge, die wir von Tatort-Ermittlern im Fernsehen kennen, halte ich für übertrieben. Aber fragen Sie bitte nicht meine Frau Anke.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth