Hamburg. Sie tragen viele findige Beinamen, weil sie sich so steil in die Höhe recken. „Exhibitionisten-Pflanze“ gehört auch dazu ...

Beverley Nichols (1898–1983) war ein bekannter Dreh- und Gartenbuchautor. Als Brite verfügte er natürlich über einen etwas skurrilen Humor. Wie zum Beispiel Prinz Philip, der Mann von Königin Elisabeth. Als der Prinzgemahl jetzt mit 96 Jahren sozusagen in Rente ging, wurden genüsslich Beispiele seines speziellen Humors erzählt. Etwa, wie er bei einem Staatsbesuch in China englischen Studenten in Peking riet, nicht allzu lange dort zu bleiben. Sie könnten mit der Zeit Schlitzaugen bekommen.

„Wie bitte?“, fragte meine Frau Anke, durchaus irritiert, als ich ihr neulich eröffnete, eine „Exhibitionisten-Pflanze“ in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland pflanzen zu wollen. Ich weiß nicht, woran sie dabei dachte. Wohl kaum, dass man die Pflanze auch Wüstenschweif oder Kleopatra-Nadel nennt. Von Eremurus robustus, wie die Riesen-Steppenkerze botanisch heißt, konnte sie bislang kaum gewusst haben.

Britische Gelassenheit

Ich halte es in solchen Fällen mit britischer Gelassenheit. Weh dem, der schlecht darüber denkt. Beverley Nichols hatte die Steppenkerze als „Titanin“ bezeichnet, „die sich zu zwei Meter hohen Bataillonen formiert wie Soldaten in Paradeuniformen in Rosa, Zitronengelb, Apricot oder Reinweiß“. Nur der Himmel wisse, was eine Floristin mit den gewaltigen Blütenkolben anstelle würde.

Ganz einfach, bei uns werden die langen Blütenstiele gern für große Bodenvasen genutzt. Und mit „Exhibitionisten-Pflanze“ hatte der Autor nicht irgendwelchen Schweinkram im Kopf, sondern lediglich die Tatsache, dass man mit den Jahren, einem günstigen Standort und entsprechender Pflege ein Ausstellungsstück im Garten habe, das sogar bis zu drei Meter groß werden kann und weithin sichtbar ist.

Man braucht einen durchlässigen Boden

45 Arten gibt es weltweit. Ihre natürliche Heimat sind die kalten Hochebenen Asiens in China, Afghanistan, dem Iran und der Türkei. Womit auch klar ist, dass sie auch bei uns durchaus winterfest sind. Mitte des 19. Jahrhunderts gelangte Eremurus als Zierpflanze in unsere Parks und Gärten. Im Prinzip setzten sich drei Arten durch: die Riesen-Steppenkerze (E. robustus), die Himalaya- (E. himalaicus) und die Schmalblättrige Steppenkerze (E. stenophyllus). Letztere blüht im Juni und Juli, die beiden anderen im Mai und Juni. Die Blütenfarben sind weiß und gelb, aber es gibt auch Züchtungen in Orange, Rosa oder Rot.

Im Prinzip wachsen sie in jedem sonnigen und trockenen Boden. Aber nur im Prinzip. Die Wirklichkeit ist ein bisschen komplizierter. Es beginnt mit der Pflanzung. Man braucht einen durchlässigen Boden, damit keine Staunässe entstehen kann – was die Steppenkerzen überhaupt nicht abkönnen. Auf der sicheren Seite ist man nicht nur bei schweren und lehmigen Böden mit einem etwa 50 Zentimeter tiefen Pflanzloch mit ebensolchem Durchmesser.

Die Knollen sehen total witzig aus

Auf den Boden kommt eine Drainage aus Kieselstein (20–25 Zentimeter). Den Aushub mit reifem Kompost und Hornspänen mischen und die Knolle so einpflanzen, dass sie etwa 15 Zentimeter unter der Erdoberfläche liegt. Die Knollen sehen übrigens total witzig aus – je nach Alter und Größe wie Seesterne oder auch kleine Kraken. Die Wurzeln auf keinen Fall abbrechen oder knicken, da ist die Steppenkerze sehr empfindlich.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © HA | Klaus Bodig

„Bisschen viel Aufwand“, bemerkte meine Frau Anke skeptisch – sie hat immer Angst, dass ich zu viel im Garten arbeite, und glaubte, die Zeit der größeren Pflanzlöcher sei allmählich vorbei. Ist sie auch. Im Prinzip. Bäume und Sträucher sind längst gepflanzt, Hecken und Sichtachsen angelegt. Aber ein Garten, und erst recht unser Mini-Park, ist ein Projekt, das praktisch nie fertig wird. Werden etwa Bäume entastet, muss eine Unterpflanzung her. Und so weiter, und so weiter. Und ich glaube, das hält mich, auch als Rentner, fit. Mehr als der Liegestuhl, in dem ich den Bäumen beim Wachsen zusehe oder den Vögeln lausche. Was auch mal sein kann. Aber ich lasse es mittlerweile langsamer angehen.

Zeit bis Ende Oktober

Zwei Eremurus-Arten will ich anpflanzen. Zur Probe. Die weißblühende Riesen-Steppenkerze und eine gelbe Stenophyllus. Ich brauche nur noch sonnige und geschützte Plätzchen, damit Prachtkerzen nicht gleich beim ersten Windstoß umknicken. Und mal ehrlich: Ein Exhibitionisten-Teil, wie es dem Kollegen Beverley Nichols vorschwebte, sieht doch ein wenig ärmlich aus, mit einem Stützstab.

Für die Standortsuche habe ich noch Zeit bis Ende Oktober. Im ersten Winter werde ich die Pflanzstelle auf jeden Fall mit Laub und Reisig abdecken. Im Frühjahr gibt es noch eine Lage Kompost. Gießen werde ich dann nur vorsichtig – wenn es wirklich mal länger nicht geregnet hat.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth