Hamburg. Vergangene Woche habe ich mich für den „mechanischen Mord“ ausgesprochen – was ich offenbar besser hätte sein lassen sollen ...

„Seit Langem freue ich mich immer auf die Wochenendausgabe mit Ihrem Brief aus der Mühle. Heute hat mich Ihr Schneckenmord-Tipp entsetzt.“ Ich hätte mich besser bei den Tierfreunden schlaugemacht statt beim Bundesverband Deutscher Gartenfreunde. Die seien nur „Freunde des Gartens“ und „Hasser der Nacktschnecken“. Nun, ich hasse niemanden. Außer vielleicht Massenmörder wie zum Beispiel Hitler oder Stalin. Ich bin nicht besonders religiös, aber Hass gehört für mich zu den Todsünden. Aber es ging in diesem – wie auch in etlichen anderen Leserbriefen – meist nicht um die Frage, ob man die Spanische Wegschnecke töten darf, sondern um das Wie. Ich hatte mich für die Methode der Gartenfreunde entschieden, für den „mechanischen Mord“, bei dem man die Plagegeister mit einer Garten- oder Heckenschere einfach in der Mitte zerteilt.

Der verregnete Sommer bringt nämlich zurzeit geradezu paradiesische Zustände für Arion vulgaris, wie der lateinische Name für die Spanische Wegschnecke ist. Sie kann ganze Salat- und Blumenbeete kahl fressen. Leser schreiben von 150 bis 200 Schnecken, die sie täglich aufsammeln. Der Rekord steht, jedenfalls in den Leserbriefen, bei 2500. Andere haben nicht addiert, berichten aber von 100 bis 200 der schleimigen Kriecher, die sie täglich frühmorgens oder in der Abenddämmerung aufsammeln.

Aber was tun mit den Tieren – was auch noch politisch und ethisch korrekt ist? Da gibt es die Fraktion, sozusagen die Veganer unter den Gartenfreunden, die jegliches Töten moralisch verantwortungslos finden. Sie sammeln die Tiere ein und setzen sie in der freien Natur, etwa in einem Wald, wieder aus. Fatal findet das zum Beispiel Heike Reise vom Senckenberg-Museum in Görlitz. Sie ist Biologin und Expertin für Landschnecken. Denn bisher kommen die Weichtiere, von denen eines bis zu 400 Eiern legt, vor allem in Gärten, auf Friedhöfen oder Grünstreifen vor.

Warum die Spanische Wegschnecke, die vermutlich aus Südeuropa in Gemüsekisten zu uns gekommen ist, die Nähe des Menschen sucht, ist noch nicht erforscht. Es sei aber überhaupt nicht abzuschätzen, welchen Einfluss die Kriecher auf Tiere und Pflanzen in Wäldern und auf Wiesen haben könnten – wenn die Tiere, die bei uns keine natürlichen Feinde haben, sich dort an die Lebensumstände gewöhnen könnten.

Dieses Argument hatte letztlich auch meine Frau Anke überzeugt, als die Schnecken auch in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland zur Plage wurden – und ich die Lizenz zum Töten für mich reklamierte. Den Einsatz einer chemischen Keule, also von Schneckenkorn, hatte ich verworfen. Uneffektiv, weil die Giftwirkung nach einem Regenschauer verpufft – und weil auch schützenswerte Gehäuseschnecken getötet werden, die teilweise sogar vom Aussterben bedroht sind. Eine Leserin bevorzugt den Kälteschock in der Tiefkühltruhe, was wohl die „humanste Lösung für den Schneckentod“ sei. Natürlich, weil Nacktschnecken in kalten Wintern auch in den Natur erfrören. Die Tiere in einem Plastikbeutel sammeln und dann ab ins Drei-Sterne-Fach? Ich gebe es mal einfach weiter. Es war, vor Jahren, auch mal ein Tipp einer Abendblatt-Kollegin aus der Wissenschaftsredaktion.

Heike Reise zieht den Tod durch heißes Wasser vor – wie auch die meisten Leserbrief-Schreiberinnen. Dazu sammelt man die Schnecken in einem Eimer und übergießt sie mit heißem Wasser. „Die Tiere sind sofort tot und leiden nicht unnötig“, sagt Heike Reiser. Ich bin kein Biologe, aber kann mich noch an Debatten erinnern, als es vor einigen Jahren um die artgerechte Zubereitung von Hummern ging. Die werden traditionell ja in einen Topf mit kochendem Wasser geworfen. Wobei man schnell den Deckel draufmachen soll, damit die Tiere nicht aus dem Topf springen können. Auf keinen Fall sollte man laut Reise Salz verwenden. Bestreut man die Tiere damit, schrumpfen sie zusammen und vertrocknen. Auf jeden Fall dauert es einige Sekunden, bis die Tiere verenden. Ein schmerzhafter und überflüssiger Todeskampf.

Ein anderer Leser vermisste in der Kolumne einen Hinweis auf die sogenannte Tigerschnecke, neben der Indischen Laufente einer der wenigen natürlichen Feinde. Limax maximus, erkennbar an den leopardenartigen Mustern auf gelbgrüner Haut, ist eine auch bei uns heimische Nacktschnecke. Sie wird bis zu 20 Zentimeter lang, ernährt sich von Abfällen und nicht von frischen Blättern. Und hat die Spanische Wegschnecke und ihre Eier zum Fressen gern. Ob man damit den Garten frei von den ungeliebten Artgenossen bekommt? Durchgesetzt hat sie sich offenbar noch nicht.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth