Mittelmeer-Kräuter wie Echter oder Purpursalbei bilden selbst dann starke Stauden, wenn man sie zu gießen „vergisst“. Und Frost vertragen sie auch

Was haben Berlin und Salderatzen gemeinsam? Sie kennen das Dorf im Wendland mit seinen amtlich gemeldeten 29 Einwohnern nicht? Na gut, das ist nicht unbedingt eine Bildungslücke. Oder doch, vielleicht eine kleine? In das historische Rundlingsdorf zwischen Dannenberg und Lüchow waren am vergangenen Wochenende fast 200 Schwule und Lesben gekommen, um für gleiche Rechte und sexuelle Freiheit zu demonstrieren – bei Deutschlands kleinster CSD-Parade. Doch während in Berlin Tausende unter der Regenbogenfahne vor einer geschätzten Zahl von einer Million Menschen durch die Straßen tanzten, war die Zuschauerzahl beim Umzug durch Salderatzen und umliegende Dörfer eher überschaubar.

„Trau die vom Hof!“ Schwul oder lesbisch sein und dann noch auf dem Dorf leben. Das kann auch heutzutage mitunter noch ziemlich schwierig sein – auch wenn das Wendland eher liberal und weltoffen ist. Wie sich gerade in der Flüchtlingskrise mal wieder gezeigt hat – und die Neu-Ankömmlinge etwa in Rekordzeit in privaten Wohnungen untergebracht werden konnten.

Meine Frau Anke und ich waren auch nicht unter den Zuschauern. Wegen des Regens? Schade eigentlich, denke ich heute. Zumal der Umzug, es war schon der fünfte, in diesem Jahr „auf der Kippe stand“, wie in der lokalen „Elbe-Jeetzel-Zeitung“ zu lesen war. Der Landkreis habe sich offenbar schwer damit getan, die Regenbogen-Parade als Demonstration anzuerkennen.

Zuletzt waren Anke und ich Ende Mai in Salderatzen gewesen. Wegen der „Kulturellen Landpartie“, zu der Zehntausende jedes Jahr ins Wendland kommen. Salderatzen ist einer der sogenannten Wunderpunkte, an denen Künstler und Handwerker ausstellen. Wie die „Duft- und Wandelgärtnerei“ aus dem nahen Bergen an der Dumme . Ein Traditionsbetrieb, fest in Frauenhand. Chefin ist die Gärtnermeisterin Karen Schoebel (51). Sie und ihre fünf Mitarbeiterinnen sind spezialisiert auf duftende Gehölze und Stauden, mithin auch auf Gewürzpflanzen.

Und genau deswegen war ich da. Ich brauchte Zuwachs für die Pflanzen an dem etwa 150 Meter langen Feldweg an unserem kleinen Mühlenpark im Wendland. Zwischen die großen Feldsteine, die den Weg säumen, habe ich im Lauf der Jahre unter anderem Lavendel gepflanzt, wilden Dost (Oreganum), verschiedene niedrig wachsende Thymiansorten wie etwa Gold- und Sandthymian, Weinrauten, diverse niedrige Schafgarben- und Katzenminzesorten, Wollziest und Fetthennen. Ein Paradies für Bienen und Hummeln, Wespen und Schmetterlinge. Und Rehe, die offenbar junge Triebe von Sedum „Herbstfeuer“ zum Fressen gern haben. Als ich Vergrämungsmittel ausbringen wollte, meldete Anke Zweifel an: „Denk nicht immer nur an Bienen und Hummeln, lass auch was für die Rehe.“ Frauen! Bambis!

Als neulich Friederike von Ehren aus der bekannten Hamburger Baumschul- und Gärtner-Dynastie zusammen mit meiner Journalisten-Kollegin Claudia Sewig zu Besuch war, fiel der Duftsaum am Mühlenweg der Gartenexpertin gleich auf. Ich tat natürlich so, als ob die Pflanzenauswahl Ergebnis von gärtnerischer Planung gewesen sei, und nahm ihre Bemerkung als Lob – und war auch ein wenig stolz. Dazu muss man wissen, dass ich Friederike von Ehren mit meinen Fragen wohl ziemlich genervt habe. Nicht nur bei der Anlage unseres Mühlenparks. Den „Brief aus der Mühle“ hätte ich ohne ihre klugen Ratschläge wahrscheinlich auch nicht schon fast fünf Jahre durchgehalten.

Tatsächlich ist der Duft- und Kräutersaum an unserem Mühlenweg eher aus Zufall und Faulheit entstanden. Weil ich „vergessen“ hatte zu gießen, ist manche Staude dort angegangen. Mittelmeer-Kräuter etwa überlebten Hitze und Trockenheit in dem sandigem, nährstoffarmen Boden. Zuletzt haben sich kleine Tuffs aus Purpursalbei (Salvia officinalis „Purpurascens“) prächtig entwickelt. Mehr Farbe will ich jetzt mit rosa angehauchtem „Tricolor“ sowie „Icterina“ und „Aurea“ und ihren gelbgrün panaschierten Blättern an den Wegrand bringen. Auch sie sind wintergrün und kommen mit Minusgraden zurecht.

Sie alle werden 30 bis 50 Zentimeter hoch und breit, blühen von Juni bis August. Sie bilden im Lauf der Jahre dichte Horste und gedeihen nicht nur am Wegrand bei uns an der Mühle, sondern auch in Beeten, Steinanlagen und auf Freiflächen. Die Sorte „Berggarten“ mit ihren breiten grünen Blättern eignet sich sogar als immergrüner Bodendecker. Die Blätter schmecken besonders gut zu Saltimbocca, dem italienischen Küchenklassiker aus Kalbfleisch, luftgetrocknetem Schinken und Salbeiblättern.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth