Schon in der Antike war die Wucherblume als Heilkraut geschätzt. Sie hilft bei Migräne und Fieber, hält sich aber auch sehr lange in der Vase

Es gibt sie noch, die guten alten Dinge – und ich meine nicht nur die Produkte aus den Katalogen des Edel-Versandhändlers Manufactum, der – wie in Hamburg – in einigen Großstädten mit Filialen vertreten ist. Meine zweite Gartenschere, eine Felco, habe ich dort gekauft. Die erste, äußerst preiswert und aus dem Baumarkt, war nach zwei Jahren kaum noch zu gebrauchen. Den Tipp mit der Felco hatte ich von einem Gärtnermeister: „Mit der werden bei uns die Lehrlinge ausgestattet“, sagte er mir.

Ich glaube, die Schere hat damals fast 40 Euro gekostet. Meine Frau Anke schaute ein wenig erstaunt. Wie wenn ich, was ich nicht oft tue, eine Flasche besten französischen Schaumweins kaufen will und sie leise fragt: „Muss es gleich ein Champagner sein, tut’s nicht auch ein guter Prosecco?“ Aber als an der Schere mal eine Feder kaputt war, habe ich anstandslos ein Ersatzteil bekommen. Nachhaltig heißt das heute. Neulich schnitt sie bei einem Test als beste ab.

Normalerweise habe ich eine große Scheu, Produkte bestimmter Firmen zu empfehlen. Schon gar nicht in dieser Kolumne. Lesern habe ich aber auf Anfrage schon häufiger die Felco genannt. Erst neulich wollte eine Mutter ihrer Tochter zum Einzug ins neue Eigenheim eine Gartenschere schenken. Ich riet ihr zur Felco. Eine Anschaffung fürs Leben, schrieb ich der Dame. Das hatte mir auch der mittlerweile verstorbene Gärtnermeister gesagt.

Seinen Gartenbaubetrieb mit angeschlossener Baumschule gibt es nicht mehr. Nach seinem Tod, nennen wir ihn mal Hans, tauchte plötzlich eine bis dato von ihm verheimlichte uneheliche Tochter auf. Ein hässlicher Erbstreit drohte. Sie wollte ihr Erbe sofort. Auf der Stelle, und in bar. Die Witwe musste verkaufen. Schade, sehr schade sogar. Für die Familie – und auch mich.

Er wusste alles über Gehölze, sie über Stauden. Über neue Züchtungen ebenso wie über die guten alten Dinge, die Pflanzen aus Omas Garten. Sie liebte Eisenhut und Lupinen, aber sie riet auch zu Weinraute oder Indischer Kermesbeere, war maßgeblich beteiligt an der Pflanzenauswahl für die sonnigen und trockenen Stellen zwischen den Feldsteinen an unserem etwa 150 Meter langen Mühlenweg. Zum Beispiel mit Lavendel, verschiedenen Sedum-Arten oder Walzenwolfsmilch. Und sie hatte die guten alten Tipps zur Pflege: „Katzenminze musst du gleich nach der Blüte auf eine Handbreit über dem Boden abschneiden. Dann blüht sie im Herbst noch einmal nach.“

Eifrig schnippeln muss ich demnächst auch beim Mutterkraut, das jetzt zu blühen beginnt – ebenfalls eine alte Bauerngartenpflanze, aber fast in Vergessenheit geraten. Ich habe das daran gemerkt, als ich im Frühjahr nach der mal berühmten Heilpflanze in einem sogenannten Gartencenter nachfragte. „Da muss ich erst den Chef fragen“, antwortete die Fachkraft. Der Chef kam nach einer Weile: „Das muss ich erst mal googeln.“ Ich buchstabierte ihm auch noch den lateinischen Namen. T a n a c e t u m p a r t h e n i u m. Netter Versuch. „Wir haben das nicht im Programm. Probieren Sie es doch einmal in einer Spezialgärtnerei“, empfahl er mir nach weiteren zehn Minuten. Die Mitarbeiterin einer „normalen“ Gärtnerei im Wendland, wo auch unser Mühlenpark liegt, strahlte dagegen: „Schön, dass mal wieder einer danach fragt.“ Vorrätig hatten sie das Mutterkraut zwar auch nicht, aber 14 Tage später war meine Bestellung da.

Tanacetum parthenium ist ein altes Heilkraut, das schon in der Antike als Schmerzmittel und gegen Menstruationsbeschwerden bekannt war. Die berühmte Nonne und Naturheilkundlerin Hildegard von Bingen (1098–1179) sorgte im Mittelalter für die Verbreitung bei uns. Als „Mutter des Aspirins“ gilt das Kraut auch als Mittel gegen Migräne. Der englische Name Feverfew weist auf fiebersenkende Wirkung hin. Man kann aus den Blättern Tee aufbrühen oder sie frisch zerkauen und sozusagen auf der Zunge zergehen lassen.

Die mehrjährige, buschige Krautpflanze wird 40 bis 80 Zentimeter hoch und wächst in jedem Gartenboden. Am besten in der Sonne, aber auch am Gehölzrand. Sie blüht von Juni bis September. Bis zu 30 Blüten, die ein wenig an kleine Margeriten oder Chrysanthemen erinnern, sitzen an einer Dolde. Wegen der Haltbarkeit ist sie eine beliebte Schnittblume in bunten Bauernsträußen und duftet aromatisch nach Kamille.

Es gibt weltweit etwa 150 Arten von Tanacetum – mit gelben oder auch roten Blüten. Für alle gilt: Verblühtes vor der Samenreife rausschneiden, sonst vermehren sie sich kräftig. Mutterkraut ist auch unter dem Namen Wucherblume bekannt.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth