Manche Funkiensorten haben sehr fantasievolle Namen. Eine soll Assoziationen zu einem Spitzenhöschen wecken. Ob es funktioniert, muss jeder selbst versuchen

Gärten, vor allem etwas ältere, sind wie kleine Museen unseres Lebens – voller Erinnerungen, voller kleiner Geheimnisse. Da ist zum Beispiel die Kletterhortensie an der schattigen Nordwand unserer kleinen Mühle im Wendland. Neulich fand ich morgens einen langen Trieb auf dem Weg um die Mühle. Die Haftwurzeln waren wohl nicht stark genug gewesen für die Böen eines Gewitters in der Nacht zuvor. Das war auch nicht weiter schlimm, denn eigentlich hatte ich die Hortensie zu einem Strauch geschnitten, nur einen Trieb an der Mühlenwand hochwachsen lassen. Die Kletterhortensie ist ein Geschenk meiner alten Freundin Uschi Hintz.

Zufall oder nicht? Am Abend zuvor war ich bei Lina, einem Restaurant am Dannenberger Marktplatz. Dorthin hatte Heiko Gebhardt, der ehemalige „Stern“-Autor („Annas Mutter“), Freunde und Weggefährten von Uschi Hintz eingeladen. Lina war so etwas wie ein zweites Wohnzimmer von Uschi Hintz gewesen, die am Wochenende zuvor im Alter von 77 Jahren gestorben war. Dort wollten wir ihrer gedenken. Ich glaube, es hätte ihr gefallen.

Uschi Hintz war beim „Stern“ eine Institution. Aufgestiegen aus der Telefonzentrale zur Büroleiterin des legendären Magazingründers Henri Nannen. Später war sie für Personal zuständig, und als Herrin über die Spesenabrechnungen kannte sie alle Geheimnisse des „Sterns“. Auch meine, wenn ich in den 80er- und 90er-Jahren als Investigativ-Reporter für das Blatt unterwegs war. Bei Uschi waren Geheimnisse so gut aufgehoben wie der Goldschatz der USA in Fort Knox. Mindestens. Ich habe Uschi Hintz natürlich nicht so lange gekannt wie Heiko Gebhardt oder Kai Herrmann, auch er eine „Stern“-Legende („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“). Aber geliebt haben wir sie alle – und vermissen tun wir sie schon jetzt.

Nicht nur, weil wir in unseren Gärten Erinnerungen an Freunde oder Eltern finden, sind sie kleine private Geschichtsbücher. Sie verraten viel über uns – und auch darüber, wie wir den Moden folgen. Als in den 60er-Jahren auf der berühmten Chelsea Flower Show in London Funkien beziehungsweise Hostas ihr Comeback gaben, waren die Kataloge der Gartenindustrie bald wieder voll von der Pflanze, die schon vor mehr als 200 Jahren aus Japan in unsere Gärten gekommen war.

Damals galten die schattenliebenden Pflanzen aus der Familie der Spargelgewächse als Raritäten, weil sie aus dem nahezu hermetisch abgeriegelten und als fremdenfeindlich geltenden Japan geschmuggelt werden mussten – was natürlich den Ehrgeiz der Züchter besonders anstachelte. Mittlerweile gibt es Hunderte Sorten, Riesen mit mehr als einen Meter großen Blättern wie „Em­press Wu“ oder Minis wie „Blue Mouse Ears“. Die kleinen blauen Mäuse-Ohren werden nur zehn bis 15 Zentimeter groß.

Funkien sind grundsätzlich unkomplizierte, ausdauernd wachsende Pflanzen, die kurze Rhizome bilden und zu schönen Horsten heranwachsen können. Sie lieben feuchten Boden und Halb- oder auch Vollschatten. Halbschatten heißt: vier bis fünf Stunden Sonne am Tag, möglichst abends oder morgens. Volle Mittagssonne bekommt den Pflanzen schlecht. Die Gartenindustrie bietet auch sonnenverträgliche Sorten an. Ich bin da aber skeptisch.

Größter Nachteil der Funkien: Sie gelten unter Schnecken als Leckerbissen. Besonders gefährdet sind offenbar hellgrüne Sorten mit dünnen Blättern und eleganten weißen Rändern. Von denen hat eine Pflanze bei uns überlebt – im Kübel. Da kommen die Biester nicht so einfach ran. Ich weiß ja, was sonst passiert. „Tu was“, pflegt meine Frau Anke zu sagen, wenn sie an unseren Hosta-Blättern die typischen Fraß-Einbuchtungen entdeckt. Dummerweise wachsen die sogar mit, wenn die Blätter größer werden. Schneckenkorn auslegen, mit Bierfallen die schleimigen Kriecher reinlegen, Schutzringe aus Blech um bedrohte Pflanzen anbringen – alles probiert. Am besten ist immer noch absammeln und töten. Das ist dann meine Aufgabe. Anke findet das eklig. Frauen!

So gibt es bei uns nur noch Hosta-Sorten mit dunklen, meist dicken, graugrünen Blättern, die Schnecken offenbar nicht so mögen. Ich experimentiere auch nicht mit zarten Sorten mit gewellten Blättern, mehr oder weniger duftenden Blüten oder Züchtungen mit so fantasiereichen Namen wie „Invincible“. Ich halte sie nicht für unbezwingbar und falle auch nicht auf Namen wie „Striptease“ rein. Ein weißer Streifen zwischen dem dunkelgrünen Blattrand wecke entfernte Assoziationen zu einem „Spitzenhöschen“, heißt es in der Werbung. Tut mir leid. Meine Fantasie scheint zu begrenzt. Vielleicht bin ich auch nur ein eher schlichter Schlüpfer-Typ.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth