Neue Züchtungen des Rhododendrons wachsen in normaler Gartenerde und brauchen keinen Torf mehr. Das schützt auch unsere letzten Moore.

Manchmal kann ich meine Frau Anke doch noch überraschen. „Bewimperte Alpenrose“, fragte sie etwas ungläubig, „haben wir nicht schon Rosen genug?“ Haben wir – auch wenn die Zahl der Rosen in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland kleiner geworden ist. Von den Garten-Königinnen hatte ich zu Beginn meines Gärtnerlebens vor knapp 20 Jahren nicht genug Sorten anpflanzen können. Die meisten sind nicht etwa an Altersschwäche eingegangen, sondern weil sie immer mehr in den Schatten gerieten. Anfängerfehler halt.

Ich hatte nicht bedacht, dass Bäume und Gehölze so schnell so groß werden und der floralen Adelskaste unter den Blühgehölzen das Sonnenlicht nehmen. Zuletzt habe ich zum Ausgleich noch eine „Ghislaine de Féligonde“ gepflanzt. Als Hochstamm-Rose. Kaskadenartig fallen die Zweige herab und blühen bis zum Herbst immer mal wieder. Außerdem, das war wichtig, verträgt sie auch gut einen Standort im Halbschatten.

Ich gebe zu, die Frage nach der Alpenrose war auch nicht ganz fair. Alpenrose ist sozusagen der deutsche Name für eine Art der Rhododendren, von denen nur zwei heimische Gewächse sind: die Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) und ihr Bruder, der Rostrote Almrausch (Rhododendron ferrugineum). Sie sind kleinwüchsige Verwandte einer über 1000 Sorten zählenden Art, die sonst hauptsächlich aus Asien und Amerika stammt.

Der Rhododendron hirsutum hat zwar keine Haare auf den Zähnen, aber seine Blüten sind damit auf der Innenseite versehen. Die glockigen Einzelblüten sind hellrot und mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern im Vergleich zu den großblumigen Arten, die wir aus Gärten und Parks kennen, ausgesprochen zierlich. In Europa gibt es die immergrüne Pflanzenart in den Alpen in bis zu 2500 Meter Höhe. Von wärmendem Schnee bedeckt, überleben die Pflanzen, die etwa einen Meter hoch werden können, dort strengste Fröste.

Und warum denke ich ausgerechnet an die Bewimperte Alpenrose für unseren Garten im Wendland? Halbschattige Plätze habe ich, wie gesagt, mittlerweile reichlich. Zweitens gibt es von R. hirsutum mittlerweile auch sogenannte ­INKARHO-Sorten. Das Kürzel ist ein eingetragenes Markenzeichen und bedeutet, dass Rhododendren auf Unter­lagen veredelt werden, die sich als besonders wüchsig und winterhart herausgestellt haben. Eigenschaften wie Blüte und Wuchsform bleiben erhalten. Außerdem wachsen die INKARHO-Sorten praktisch in normaler Gartenerde, brauchen also nicht mehr wie sonst Moorbeetpflanzen einen leicht sauren Boden. Damit entfällt auch die Pflanzung mit Torf – die ohnehin ökologisch bedenklich ist, weil es in unseren Mooren kaum noch welchen gibt und er mittlerweile aus der Ukraine und Weißrussland importiert wird.

Ich bin zwar sonst ziemlich misstrauisch gegenüber den Verheißungen der Gartenindustrie, aber diesmal probiere ich es – zumal es auch Neuzüchtungen von Rhododendren wie die Sorte Bloombux gibt, die mit ihren kleinen, immergrünen Blättern als blühender Buchsbaum-Ersatz angepriesen wird und sogar schnittverträglich sein soll. Ich werde wohl nicht gleich eine ganze Hecke als Beet-Einfassung pflanzen, sondern es mit einer Dreiergruppe versuchen. Mal sehen, was daraus wird.

Als Veredelungsunterlage für die INKARHO-Sorten werden übrigens unter anderem Sorten aus der „Catawbiense“-Gruppe genommen – hochwüchsige Klassiker, die wir auch aus Omas Garten kennen. „Cunninghams White“ blüht als Erster. Dann folgt „Grandiflorum“, der im echten Rhododendren-Lila blüht. Mehr Rosa ist die Variante „Roseum Elegans“. Letztere gibt es schon seit fast 200 Jahren auch bei uns.

Im milden England hat sich „Grandiflorum“ sogar schon als Autobahn-Begrünung etabliert – unkomplizierte Sorten eben. Wie meine Mutter nehme ich auch nicht jedes Jahr Bodenproben, um den Säuregehalt festzustellen. Im Herbst mulche ich mit Eichenlaub, im Frühjahr streue ich Kiefernnadeln unter die Rhododendren. Das sorgt schon für den richtigen Säurewert. In den ersten Jahren habe ich zweimal im Jahr gedüngt. Jetzt dünge ich nur noch nach der Blüte.

Die ersten Rhododendren waren knapp einen Meter hoch, als ich sie pflanzte. Einige sind schon bei 2,50. Seit einigen Jahren zwicke ich auch nicht mehr Verblühtes raus; nach der reinen Gärtnerlehre führt das dazu, dass die Pflanzen ihre ganze Kraft ins Wachstum legen. Dass meine Rhododendren mal Bäume wie die auf den Villen-Grundstücken an der Elbchaussee werden, erlebe ich wohl nicht mehr. Die haben auch zum Teil über 100 Jahre auf dem Buckel.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth