Ein Garten ist niemals fertig, weil ständig neue Räume entstehen. Zum Beispiel für Klassiker wie Tagetes oder Wicken oder Farne oder, oder ...

Zwei Seelen wohnen in meiner Gärtnerbrust. Die eine wollte immer, dass unser kleiner Mühlenpark im Wendland irgendwann „fertig“ ist, sodass nur noch die laufende Pflege ansteht. Spätestens zur Pensionierung, also vor vier Jahren, sollte er so weit sein – knapp 7000 Qua­dratmeter zu bewirtschaften würde Arbeit genug machen. Tatsächlich waren die festen Plätze, die von Bäumen und Hecken, Gehölzgruppen und Sträuchern, von langlebigen Stauden oder Rosen belegt sind, schon vor Jahren ausgereizt. Und wenn ich meiner Frau Anke im späten Winter stolz die „absolut letzte Bestellliste“ für Stauden oder Gehölze vorlegte, sagte sie nur: „Wie schön.“ Dabei lächelte sie, und ich konnte ihr ansehen, wie sie dachte: „Na klar, und die Erde ist eine Scheibe.“

Erstens ergeben sich immer wieder neue Plätze – etwa wenn ich Koniferen mannshoch aufgeastet habe und sich plötzlich wieder Platz für schattenliebende Gräser, Farne oder Storchschnabelarten auftut. Und zweitens findet sich immer ein Plätzchen für einjährige Klassiker wie Wicken oder Tagetes. Studentenblumen werden in Gärtnereien und Baumärkten oft zum Stückpreis von wenigen Cent angeboten. Die üblichen Sorten wie Tagetes patula oder Tagetes erecta gibt es in zahlreichen Farbvarianten in gelben, orangefarbenen, rötlichen und braunen Tönen. Sie verbreiten für manche einen eher unangenehmen Duft, was den ursprünglich aus Amerika stammenden Pflanzen auch den Namen „Studentenfurz“ eingebracht hat. Wer so ein Odeur nicht mag, kann auf geruchlose oder sogar aromatischer duftende Züchtungen zurückgreifen. Tagetes filifolia riecht nach Lakritz und wird sogar als Gewürzpflanze für Süßspeisen und Salate genutzt.

Und ich liebe Überraschungen – und damit die Streuner in unserem Mini-Park. Das sind Pflanzen, die sich von selbst aussäen und manchmal auch zur Plage werden wie die vielen kleinen Eichentriebe, die sich im Lauf des Sommers bei uns überall breitmachen, zwischen Sträuchern und Stauden, zwischen Rosen und in Hecken. Ein halbes Dutzend alte Eichen produzieren jedes Jahr Unmengen von Eicheln, Vögel schleppen sie praktisch überall hin. Sie sprießen sogar in Pflanztrögen. Wenn sich der erste Austrieb zeigt: gleich raus damit. Sind sie erst einmal 20 Zentimeter groß, ist es fast schon zu spät. Die Jung-Eichen entwickeln gleich Pfahlwurzeln wie beim Löwenzahn, aus denen sie immer wieder nachwachsen.

Es gibt natürlich die lieben Streuner. Dazu zählen für mich zum Beispiel Kermesbeeren. Phytolacca sind Zierpflanzen, die entweder aus Asien oder Amerika stammen und im Herbst hübsche Fruchtkolben mit roten Beeren entwickeln. Aus einer Pflanze ist im Lauf der Jahre bei uns ein knappes Dutzend geworden. Sie wachsen – Überraschung! – genau da, wo ich nie etwas gepflanzt hätte. Und es sieht wunderbar aus. Vögel lieben offenbar die je nach Art meist giftigen Beeren. Das Gift kann ihnen aber nichts anhaben, weil sie nur das Fruchtfleisch verdauen, den giftigen Samen aber wieder ausscheiden. Aus drei kleinen Wollziest-Pflanzen, die ich zwischen Feldsteine gepflanzt hatte, sind mehrere Grüppchen entstanden. Offenbar gefällt Stachys byzantina der sonnige, aber trockene Standort wie Thymian, Oregano oder der Wildform der Indianernessel (Monarda fistulosa). Sie alle breiten sich am Mühlenweg aus. Lästig werden sie nur, wenn sie in die Lavendelsträucher hineinwachsen.

Neugierig bin jetzt, ob sich zum Beispiel der Rote Fingerhut auch selber ausgesät hat. Digitalis purpurea ist ein Halbschatten-Klassiker für den Gehölzrand wie für den Bauerngarten. Vor zwei Jahren habe ich drei angepflanzt, im vorigen Jahr noch einmal eine gelb blühende Sorte. Ein Fingerhut kann einen Meter hoch werden. Wenn man die Blüten stehen lässt, produzieren sie reichlich Nachwuchs. Aber Achtung: Alle Fingerhut-Arten, egal ob sie weiß, gelb oder rot blühen, sind giftig – fast so wie der Eisenhut, der als giftigste heimische Pflanze gilt. Beide haben es aber nicht wie das Gift von Ricinus communis auf die Liste der nach dem deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz verbotenen Waffen geschafft. Dabei sieht der Wunderbaum aus der Familie der Wolfsmilchgewächse als Ziergehölz ganz hübsch aus – auch in vielen Gärten.

Beim Ricinus steckt das Gift in den Schalen der Samenkapseln, beim Fingerhut in den Blättern. In einem Roman der Krimi-Autorin Agatha Christie, die ein Faible für Giftmorde hatte, werden Blätter von Fingerhut unter den Salbei für den Salat gemischt. Jetzt bloß keine Panik. In unseren Gärten tummeln sich viele giftige Pflanzen, von der Eibe über die Herbstzeitlose bis Fingerhut. Man muss Blätter und Früchte ja nicht essen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth