Was Ökosexuelle in der Natur alles so treiben. Womöglich kommen sie irgendwann noch auf die Idee, Mazedonische Witwenblumen zu trösten

Gärtnern sei der neue Sex, habe ich neulich die Gartengestalterin Gabriella Pape zitiert. Das hatte die Berlinerin in einem bemerkenswerten Artikel in der „Zeit“ gesagt und auch von einem „New German Style“ gesprochen. Mit der Sex-Metapher hatte die äußerst seriöse Expertin in der ebenso seriösen Hamburger Wochenzeitung wohl die Hingabe und Leidenschaft gemeint, mit der sich die Deutschen aufs Gärtnern verlegt haben. Was nicht ausschließt, dass Gärtner und Gärtnerinnen auch Sex haben. Sogar guten. Auch im Garten. Und der „New German Style“, von dem Frau Pape ebenfalls gesprochen hat, ist keine neue deutsche Stellung, sondern die neue deutsche Gartenkultur, die man sogar schon in England, dem Mutterland des Gartenwesens, anerkennend zur Kenntnis genommen habe.

Frau Papes Bemerkung hat auch nichts mit Ökosexualität zu tun. Das ist eine angeblich neue und stetig wachsende Bewegung, die ausweislich so seriöser Zeitungen wie „Süddeutsche“ (SZ) oder „Neue Zürcher“ (NZZ) gerade aus den USA zu uns herüberschwappt. 100.000 Anhänger gibt es nach einer wissenschaftlichen Studie angeblich schon weltweit.

Ökosexuelle finden unseren Planeten so schön, dass sie sogar mit ihm schlafen wollen – und damit auch für den Klimawandel kämpfen. Sie suchen die Nähe zur Natur. Sie baden nackt, was nicht so neu ist. Aber sie wälzen sich auch im Schlamm und werfen sich auf die Erde, um mit ihr Intimkontakt zu haben.

Ekstasen auf dem Rasen? Wenn sie das zum Beispiel in unserem kleinen Mühlenpark versuchen sollten, hätten sie es hauptsächlich mit der Sorte „Berliner Tiergarten“ und dem Sparrigen Runzelbruder zu tun. Rhytidiadelphus squarrosus ist die bei uns am meisten verbreitete Moosart. Der schier unverwüstliche Runzelbruder gilt nicht gerade als der beste Freund von Anhängern des gepflegten englischen Rasens. Da hilft nur regelmäßiges Vertikulieren, wozu gerade jetzt der beste Zeitpunkt ist. Die Vorfahren des Runzelbruders gehören zu den ältesten Wesen, die vor über 400 Millionen Jahren als Erste auf dem Festland Fuß fassten. Bis dahin hatte es Leben nur im Wasser gegeben. Wer so alt ist wie die Moose, hat das Überleben praktisch in den Genen.

Aber zurück zu den Ökosexuellen. Sie umarmen auch gern Bäume, um mit ihnen intim zu sein. Aber wollen die Bäume das auch? Seit Peter Wohllebens Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ wissen wir, dass diese auch mit­einander kommunizieren können. Über ihre Wurzeln oder Pilzgeflechte im Boden – wie wir über das Glasfaserkabel im Internet. So warnen sie sich vor Schädlingen, damit sie Abwehrkräfte mobilisieren können. Aber was rufen sie sich zu, wenn sie umarmt werden? Hilfe, ich werde sexuell belästigt? Nein heißt Nein, auch bei Bäumen. Haben die nicht auch ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung?

Vielleicht gibt es ja auch den Typ Witwentröster unter den Ökosexuellen. So ein Filou macht sich dann vielleicht an unsere Mazedonische Witwenblume ran. Aber wahrscheinlich sind die Ökosexuellen genauso schnell wieder aus der Mode wie die sogenannten Metrosexuellen: Männer, die besonders feminin wirken wollten und sogar Röcke trugen. Wobei das nicht auf Schotten zutrifft. Ob Sean Connery, der Ober-Schotte, einen Kilt trägt oder nicht – meine Frau Anke ist von dem Kerl immer ganz hin und weg. Als Brad Pitt, neben David Beckham eine der Ikonen der Metrosexuellen, einmal im Rock auftrat, sagte sie nur: „Wie sieht der denn aus?“

Meiner Frau Anke zuliebe pflanze ich neben Sanguisorba Mazedonische Witwenblume, die sich wunderbar in Blumensträußen macht, noch die heimische Schwester Sanguisorba minor, die bei uns als Kleiner Wiesenknopf bekannt ist, besser noch als Pimpinelle. Diese gilt als Vitamin-C-Lieferant und war früher wegen des würzigen Geschmacks der Blätter eine geschätzte Würzpflanze. Frische Pimpinelle gehört traditionell als Gewürz zur Hamburger Aalsuppe. Heute mischt man Pimpinelle gern unter Salate oder unter einen Kräuterquark. Dafür will Anke sie nehmen.

Aus der großen Sippe der Wiesenknöpfe bieten die Staudengärtnereien gleich Dutzende Arten und Zuchtformen an. Die meisten stammen aus dem Mittelmeerraum oder aus dem Fernen Osten. Mal sehen die Blüten wie kleine Knöpfe aus, mal wie kleine Walzen. Die Blütenstände können dabei bis zu einen Meter hoch werden und weit über die Blätter hinausragen. Sie wachsen in Sonne und Halbschatten und brauchen meist etwas feuchten Boden. Die Pimpinelle wächst auch auf Trockenrasen. Bienenfreundlich sind sie alle, Schneckenfraß muss man nicht fürchten.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth