Wenn Fledermäuse in der Nacht tagaktive Insekten erwischen, liegt das häufig daran, dass bei der Paarung das Männchen wieder mal zu laut war

„Ich habe einen Duft gefunden, der mich an einen italienischen Frühlingsmorgen kurz nach dem Regen erinnert“, schrieb der Italiener Giovanni di Farina im Jahr 1708 aus Köln. Wichtigster Inhaltsstoff dieses Duftes war Bergamotte, eine durch Kreuzung von Bitterorange und Limette entstandene Zitrusart. Farina kreierte damit das erste Markenparfüm der Geschichte. Er nannte es Kölnisch Wasser, Eau de Cologne. Der Duft des Frühlings waren für Farina die blühenden Pflanzen seiner norditalienischen Heimat, des Piemont. Zitrone, Narzisse, Veilchen. Seine Großmutter hatte ihn schon als Kind mit diesen Pflanzen vertraut gemacht.

Der Duft des Frühlings ist für die Menschen das, was ihnen als Kind in die Nase gestiegen und als typisch für den Frühling erklärt worden ist. „Menschen haben den Frühlingsduft nicht in den Genen“, sagt der Duft-Forscher Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum, „sie haben ihn erlernt.“

Die olfaktorische Wahrnehmung des Frühlings ist also höchst unterschiedlich. Für den einen ist es der Duft von Narzissen oder Veilchen. Für meine Frau Anke ist Frühling, wenn der Flieder blüht und sein Duft unseren kleinen Mühlenpark im Wendland erfüllt. Für mich beginnt der Frühling viel früher, er riecht leicht modrig. Wenn die Sonne den Boden erwärmt, geben zum Beispiel verrottete Blätter mit ihrem Restwassergehalt einen leicht faulen Geruch ab. Frühling begann für mich, wenn ich als Junge meinem Großvater beim Laubsammeln helfen musste.

Ob auch Fledermäuse den Frühling riechen? Ihr Geruchssinn ist eher unterentwickelt. Dafür sind sie Weltmeister im Hören. Jetzt im März erwachen sie in ihren Baumhöhlen oder unter Dachsparren, wohin sie sich ab September verzogen haben. Geschützt vor Frost, fallen sie dann in eine Art Lethargie: Alle Körperfunktionen laufen auf Sparflamme. Sie leben von Fettreserven, der Herzschlag zum Beispiel sinkt von 600 Schlägen pro Minute auf nur zehn ab. Werden Fledermäuse mehrfach aufgeschreckt, kann das für sie tödlich sein. Sie verbrauchen dann in einer Stunde etwa so viel Energie wie sonst in einer Woche.

Um den November herum wacht der Fledermausmann von allein auf und weckt das Weibchen mit einem leichten Biss ins Ohr. Um Sex zu machen. Das Weibchen bewahrt den Samen dann in einer Art Kammer auf und gibt ihn erst später zur Befruchtung frei, damit die kleinen Fledermäuse pünktlich im späten Frühling zur Welt kommen können – wenn es für die nachtaktiven Jäger wieder genügend Insekten zu fangen gibt. Feministische Theorien haben sich bei den Fledermäusen, von denen es rund 900 Arten gibt, noch nicht rumgesprochen. Seit es die Säugetiere gibt, nämlich seit 50 Millionen Jahren, sondern sich die Weibchen nach der Geburt in Frauen-Kolonien zur Aufzucht des Nachwuchses ab. Der Fledermausmann kümmert sich um rein gar nichts. Fliegt einfach weiter nachts auf Jagd.

24 Arten gibt es in Deutschland. In Norddeutschland ist die kleinste die Zwergfledermaus, die nur fünf Gramm wiegt. Ein Riese dagegen ist der Große Abendsegler. Er wiegt bis zu 40 Gramm, hat eine Spannweite von bis zu 40 Zentimetern und ist bis zu 60 Stundenkilometer schnell. Die Tiere sehen dabei mit den Ohren. Damit sie nirgendwo gegenstoßen und ihre Beute aufspüren können, fliegen sie mit einer Art Echolot. Sie stoßen winzige Laute aus und fangen die zurückkommenden Schallwellen mit ihren Superohren auf.

Vier der heimischen Fledermausarten sind vom Aussterben bedroht, weitere acht teils stark gefährdet. Ursache für die starken Bestandseinbrüche ist nach Ansicht des Naturschutzbundes (Nabu) die intensive Landwirtschaft und der damit verbundene Einsatz von Pestiziden. Wo weniger Wildkräuter blühen, gibt es auch weniger Beutetiere wie Nachtfalter, Fliegen, Käfer oder Mücken.

Ein klassischer Kuh- oder Schweinestall war früher ein Paradies für Schwalben, die es auch kaum noch gibt - und eben Fledermäuse. Forscher vom Max-Planck-Institut haben über vier Jahre Fledermäuse in einem Kuhstall per Video beobachtet. Sie wollten herausfinden, warum die nachtaktiven Fledermäuse so viele tagaktive Fliegen fangen können, obwohl diese sich nachts kaum bewegen und die Fledermäuse mit ihrer Echo-Ortung auf Bewegungen angewiesen sind. Ergebnis: Sie erwischen die Fliegen beim Sex. Das Fliegenmännchen klappert bei der Paarung mit den Flügeln, was den Superohren ihrer Jäger nicht entgeht. Todesfalle Sex: Eine Fledermausart lauert geradezu darauf, die Insekten beim Liebesakt zu erwischen, um buchstäblich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen beziehungsweise zu fressen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth