Vogelkästen müssen ab und zu gereinigt werden, damit die Parasiten im Frühjahr nicht die Vogelküken bedrohen. Aber niemals mit Chemie!

Ich war schon fast zur Tür raus, als mich meine Frau Anke noch stoppte. „Lass dich mal ansehen“, bat sie und musterte mich von oben bis unten. Ich war verabredet, mit guten, alten Bekannten aus Zeiten vor meiner Pensionierung, da ich noch keine Kolumnen übers Gärtnern schrieb, sondern politische Leitartikel. „So kannst du nicht gehen“, sagte Anke, auf dem Pullunder sei ein Fleck. Ich blickte an mir herunter. Kein Fleck, nirgends. Ich hatte das gute Stück, ein Lieblingsteil, vor dem Anziehen genau inspiziert „Doch“, beharrte sie und deutete auf eine angebliche Schmutzstelle. Na ja, es war kein richtiger Fleck. Und wenn, dann würde ihn keiner sehen. War er doch noch vom Jackett so gut wie verdeckt. Ich wechselte den Pullunder.

Der Klügere gibt bekanntlich nach – vor allem wenn die Zeit drängt und er pünktlich zur Verabredung kommen will. Und außerdem: Ich glaube, ganz allgemein, mit Frauen über Flecken auf Männer-Pullovern zu diskutieren ist so sinnlos wie dem SPD-Vorsitzenden ­Sigmar Gabriel zu raten, bei jedem spontanen Einfall nicht gleich die „Bild“-Zeitung anzurufen.

Dabei bin ich ein ausgesprochen reinlicher Mensch, was natürlich auch Anke weiß. Gerade neulich hat sie mich noch gelobt, als ich in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland die Nistkästen gesäubert habe. Bis zum Hals im Dreck würden die jungen Meisen im nächsten Frühjahr sitzen, wenn ich das nicht getan hätte. Wie die Meisen räumen viele andere Vögel ihre alten Nester nicht aus, sondern setzen einfach eines aufs andere – bis der Kasten voll ist.

Aber es ist nicht nur die Platzfrage. In den Nistkästen herrscht nämlich auch ein prima „Wohnklima für Parasiten“, wie man beim Naturschutzbund (Nabu) in Hamburg weiß. Dazu zählen etwa Hühner- und Vogelflöhe, Milben, Zecken, Wanzen oder auch Lausfliegen. Allein bei den sogenannten Vogelläusen gibt es fast 40 Arten. Für die ist der Nistkasten mit seinem feucht-warmen Milieu ein ganz natürlicher Lebensraum – und die Vögel können damit ganz gut leben, ohne krank zu werden. Während unsere gefiederten Freunde die kleinen Biester normalerweise zum Fressen gern haben, lassen sie Mitbewohner am Nest in Ruhe. Weil sie, wie Nabu-Experten wissen, „am Brutplatz kein Nahrungserwerbverhalten entwickeln“. Nur: Was zu viel ist, ist zu viel. Oder, wie eine alte Medizinerweisheit sagt, die Dosis macht’s. Und gefährdet sind bei übergroßem Parasiten-Befall zuallererst die Schwächsten, die gerade geschlüpften Piepmätze. Deswegen ist eine gewisse Pflege notwendig.

Natürlich haben Vögel andere Hy­gienevorstellungen als Menschen. Es reicht völlig, die alten Nester zu entfernen und den Kasten mit einem Handfeger zu säubern, ihn lediglich besenrein zu machen. Man kann ihn bei starkem Parasiten-Befall auch mit klarem Wasser ausspülen. Aber dann sollte man das Vogelhaus erst trocknen lassen, ehe man es wieder verschließt.

Strikt verboten sind chemische Reinigungs- oder gar Desinfektionsmittel. Meister Propper und Konsorten stören das ökologische Gleichgewicht in den Nisthöhlen. Sie machen quasi aus einem Wohlfühl-Biotop eine No-go-Area. Keine gute Idee ist es, die Nistkästen abzuhängen und zum Säubern mit ins Haus zu nehmen. Denken Sie daran, wie viele Arten von Läusen und Flöhen sich in den Nistkästen befinden könnten ...

Ich war ein wenig spät dran. Die beste Zeit, um Kästen zu säubern, ist etwa ab Mitte September. Dann sind die letzten Vögel aus- und eventuelle Zwischenmieter noch nicht eingezogen. Das können zum Beispiel der Siebenschläfer oder die Haselmaus sein. Die ist keine richtige Maus, sondern heißt nur so. Sie kann klettern wie ein Affe, lebt auf Bäumen und ist ein Bilch – wie der Siebenschläfer, ein naher Verwandter, der aussieht wie ein kleines graues Eichhörnchen.

Weil es kaum noch Mischwälder mit leckeren Eicheln und Bucheckern gibt, stehen sie auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Wenn es im November kälter wird, ziehen die Bilche meist wieder aus und halten ihren Winterschlaf in Erdhöhlen, weil die frostsicherer sind. Wer also jetzt noch schnell die Nistkästen sauber machen will, sollte vorher vielleicht anklopfen. Etwa mit einem Besenstiel, damit Waldmaus oder andere Zwischenmieter ihre Behausung verlassen können. Auch unsereins könnte sich erschrecken, wenn einem plötzlich eine Maus entgegenspringt – und man gerade auf einer Leiter steht.

Wer es jetzt nicht mehr mit der Reinigung schafft, sollte bis etwa März warten – bis unmittelbar vor der Brutzeit. Dazu muss man die Kästen allerdings genau beobachten, um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, mahnt der Nabu.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth