In diesem Jahr hängen zwar viele Früchte an den Bäumen, aber sie sind dafür sehr klein. Das kann, muss aber nicht die Schuld des Gärtners sein

„Irgendwas mit Cox“, sagte Jan Bade und schnitt vorsichtshalber noch ein Probierstückchen ab. Sie seien einfach zu klein, meinte der Pomologe, vulgo Fachmann für Obstbaumkunde, um eine genauere Bestimmung der Sorte vorzunehmen. Zu klein? Deswegen war ich auch am vergangenen Wochenende mit frischen Äpfeln aus unserem kleinen Mühlenpark im Wendland auf die Norddeutschen Apfeltage am Loki-Schmidt-Haus im Hamburger Botanischen Garten gefahren. „Vielleicht wissen die ja, warum wir dieses Jahr so viele, aber nur extrem kleine Äpfel haben“, hatte meine Frau Anke gehofft.

Zunächst aber musste ich anstehen. Von den etwa 11.000 Besuchern wollten zwar nur einige Hundert auch zur Sortenbestimmung zu Jan Bade, aber so eine Beratung dauert ihre Zeit – auch wenn, anders als bei mir, die Sorte schnell feststeht. Die Leute haben Fragen. Wie die Frau vor mir. Sie war extra aus Mecklenburg-Vorpommern angereist, wo sie ein Haus mit Garten geerbt hatte. Von Omas Äpfeln wusste sie nur, dass sie ihr schon als Kind gut geschmeckt hatten. Keine Ahnung, wie sie die Bäume pflegen sollte – und welcher Apfel zum Beispiel wie lange gelagert werden könnte.

Ich war „etwa der Hundertste“, wie Pomologe Bade schätzte – und von jedem Apfel hatte er ein kleines Stück probiert. Ich muss den bundesweit bekannten Experten irgendwie komisch angeguckt haben. „Kein Problem, ich liebe Äpfel“, lächelte der 49-Jährige von der Obst Manufaktur in der Kommune Niederkaufungen, die sich unter anderem die Erhaltung und Pflege historischer und bewährter Obstsorten zum Ziel gesetzt hat. Die Manufaktur ist einer von zehn Kollektivbetrieben, die alle ohne Chef arbeiten. Was nicht ausschließt, das man damit auch Geld verdienen kann. Die Produkte der Kommune, auch die der Obstmanufaktur mit ihren 450 Apfel- und 500 Birnensorten, kann man im Hofladen Rote Rübe erstehen. Seminare, Vorträge und Kurse für Obstbaumschnitt spülen zusätzlich Geld in die Kassen.

Die 2,50 Euro für meine Sortenbestimmung inklusive Beratung waren jedenfalls gut angelegtes Geld. Ich habe erfahren, das meine Cox, welche Sorte auch immer, Läuse hatten und Schorf. Das ist eine der wichtigsten Apfelbaumkrankheiten und wird durch einen Pilz verursacht. Die Blätter bekommen braune und schwarze Flecken und fallen frühzeitig ab. Die Äpfel haben dunkle Flecken, können jedoch bedenkenlos gegessen werden. Nur die Lagerfähigkeit ist beeinträchtigt, weil die Schorfflecken Risse haben und dadurch Fäulnisbakterien in den Apfel eindringen können.

Natürlich kann man die Bäume vorbeugend spritzen, im Handel gibt es dafür Fungizide. Das ist aber nicht so einfach und muss bis zur Ernte regelmäßig wiederholt werden. Im ökologischen Landbau sind Schwefel und Kupferverbindungen zugelassen. Wichtig ist vor allem Vorbeugen. Befallenes Laub aufsammeln und entsorgen. Weil die Pilze sich bei Wärme und Feuchtigkeit besonders wohlfühlen, kann ein sorgfältiger Schnitt, der für Belüftung sorgt, die Infektionsbedingungen beeinflussen. Obstbaumschnitt gilt zwar nicht als Geheimwissenschaft, mir war das aber immer zu kompliziert. Ich lasse das einen gelernten Gärtner machen. Anfangs hatte ich mal einen Erziehungsschnitt probiert. „Total verhunzt“, wie der Fachmann entsetzt feststellte. Drei Korrekturschnitte hatte der arme Apfelbaum gebraucht, bis er wieder in Form war.

Aber weder falscher Obstbaumschnitt noch Krankheiten sind die Ursache dafür, dass es diesem Jahr besonders viele, aber meist nur kleine Äpfel gibt. Nicht nur bei uns im Wendland, wie ich von Freunden und Nachbarn weiß, sondern im ganzen Norden. Schuld ist, das weiß ich nach den Hamburger Apfeltagen, ganz einfach das Wetter. Und zwar gleich zweimal. Im Frühjahr war es warm und die Blüte reichlich – Spätfröste haben ihnen auch nicht zugesetzt. Statt mich aber einfach auf eine reiche Ernte zu freuen, hätte ich besser bald die Hälfte der Früchte entfernt, im Idealfall von Apfel zu Apfel etwa eine Handbreit gelassen. Im Gemüsebeet achten wir doch auch auf Abstand, damit die Pflanzen sich entfalten können. Obstbauern machen das – und haben sogar Maschinen dafür. Außerdem war der Sommer komisch: etwas kühl, aber trocken. Im Wendland fiel zwischen Juli und September nur ein Drittel der üblichen Regenmenge. Offensichtlich habe ich die Obstwiese nicht genug gewässert.

„Im nächsten Jahr machst du alles besser“, tröstete mich Anke. Da hatte ich ihr noch nicht erzählt, was ein anderer Pomologe mir gesagt hatte: „Nach reichlichem Fruchtbehang folgt meist ein schlechtes Jahr. Wir nennen das den Schweinezyklus.“

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth