Großbritannien feiert den 300. Geburtstag von Lancelot Brown, der mindestens 150 Anlagen für Adel und Geldadel gestaltete. Eine Rundreise

Wenn das keine Traumkarriere ist: Einfacher Bauernsohn macht eine Gärtnerlehre und avanciert später zum Promi-Designer für die Parkanlagen der Superreichen. Den Job als Chefgärtner für das englische Königshaus macht er nebenbei. Als er sich in Hampton Court Palace um den Schnitt der königlichen Eiben, berühmt für ihre strengen Formen, kümmern soll, wiegelt er arrogant ab: „Dafür werde ich nicht bezahlt.“ Und was macht das Königshaus? Seine Majestät ist offenbar entzückt und spendiert dem Chefgärtner noch ein Haus am Park – damit er es nicht so weit zur Arbeit hat.

Die Rede ist von Lancelot Brown, und die Geschichte ist gut 250 Jahre alt. In England nannten sie ihn nur Capability Brown, weil er seiner Kundschaft aus Adel und Hochfinanz bei einer ersten Besichtigung von den Möglichkeiten (capabilities) einer Landschaftsgestaltung à la Brown vorschwärmte. Der Spitzname ersetzte beim Promi-Designer den Vornamen – so wie beim ehemaligen Bahnchef Mehdorn, bei dem die wenigsten wussten, dass er Hartmut heißt.

In diesem Jahr feiern die gartenverrückten Briten den 300. Geburtstag von Brown. Die Königliche Post legte eine Briefmarkenserie auf, und der Tourismusverband Visit Britain lud Journalisten vom Kontinent ein, um für den Besuch von Browns schönsten Parks die Werbetrommel zu rühren – etwa Boowood oder Schloss und Park Blenheim, in dem Britanniens wohl berühmtester Premier Winston Churchill geboren wurde.

So ein Dreitagetrip ins Mutterland des Gartendesigns gehört zu den schöneren Aufgaben eines Kolumnisten, der sonst über das Leben auf dem Land und den Mini-Mühlenpark im Wendland berichtet. Die Reise begann in Lackock Abbey in der Grafschaft Wiltshire, einem einstigen Kloster, das nach der Enteignung im 16. Jahrhundert zu einem Privathaus umgebaut wurde. England wie aus dem Bilderbuch, Harry-Potter-Filme wurden dort gedreht, und der Park gibt nur einen Vorgeschmack auf das, was Brown in England gestaltete. Rund 150 von ihm konzipierte Landschaftsgärten und Parks sind verbrieft, manche Biografen schreiben ihm sogar 260 zu.

Brown muss rastlos unterwegs gewesen sein. Flugzeuge und Eisenbahnen gab es im 18 Jahrhundert noch nicht, lediglich Postkutschen. Time is money, Zeit ist Geld, dachte sich wohl auch Brown und verschwendete ohne eine Art Antrittsgeld erst gar keinen Gedanken an die Parks seiner potenziellen Kunden. Danach ritt er hoch zu Ross durch das Gelände, machte sich Skizzen und legte sie seinen Klienten vor. Rokokogärten nach dem Vorbild von Schloss Versailles ließ er gleich abreißen – was allgemein auch als liberales politisches Statement gegen den Absolutismus der Sonnenkönige verstanden wurde. Hügel mussten ab- und woanders wieder aufgetragen werden, Bäche und Flüsse wurden für Seen aufgestaut, die in künstlich angelegte Wasserfälle mündeten. So wurden ganz Landschaften modelliert – und alles von Hand. Mit Schaufel, Schub- und Pferdekarren. Dazu brauchte man Hunderte von Arbeitern. Auch wenn man damals statt Mindest- eher Hungerlöhne zahlte, brauchte man massenhaft Geld. Den deutschen Fürsten Pückler, der nach englischem Vorbild seinen Muskauer Park an der heutigen Grenze zu Polen anlegen ließ, trieb das in den Ruin. In welchem Elend die Tagelöhner leben mussten, kann man anschaulich im Film „Der kleine Lord“ sehen.

Einzelbäume oder kleine Wäldchen bildeten Blickachsen und lenkten vom Schloss die Augen auf Nachbauten griechischer Tempel oder auf nach römischem Vorbild überdachte Brücken wie etwa im Prior Park, einem ehemaligen Klostergelände, wo sich ein steinreicher Unternehmer einen Landsitz baute und von Brown veredeln ließ. Von der Brücke im Antik-Look hat man einen wunderbaren Blick auf das Städtchen Bath mit seinen Thermen und auf das Schloss. Alle Wege in den von Brown gestalteten Parks mündeten in neue Blickachsen – und gaben immer wieder eine prächtige Sicht auf die Anwesen ihrer Besitzer.

Es entstanden Ideallandschaften, die Kritiker von „begehbaren Gemälden“ schwärmen ließen. Oder entstanden Landschaften nach idealisierenden Gemälden? Anschauen sollte man sich die Wunderwerke allemal.

Aber Vorsicht: Da warten lange Wanderungen auf einen. Sherborne Castle, das einmal dem berühmten Entdecker Sir Walter Raleigh gehört hat, ist etwa 4000 Hektar groß. Der auch sehr bekannte Jenischpark in Hamburg, nach englischem Vorbild angelegt, ist mit 24 Hektar dagegen ein Gärtchen. Als ich meiner Frau Anke sagte, unser kleiner Mühlenpark im Wendland messe nur 0,7 Hektar, sagte sie: „Für uns reicht das. Dicke. Denk an die Arbeit.“

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth