Wie man mit der richtigen Fütterung Würmer in einer Pilotanlage dazu bringt, den „Kaviar“ unter den Pflanzendüngern zu produzieren

Wenn keiner einen richtig kennt oder die meisten einen sogar richtig doof finden, ist das meistens auch ein bisschen ungerecht – und Zeit für eine Imagekampagne. SPD-Chef Sigmar Gabriel hielten viele zuletzt für einen politischen Hansdampf. Da wurde das Private plötzlich politisch. Erst steckte er der Presse, dass sein Vater bis zum Schluss ein unverbesserlicher Nazi geblieben sei. Jetzt gab er preis, dass der seiner alleinerziehenden Mutter auch oft den Unterhalt schuldig geblieben war. Gerade wird eine Gesetzesverschärfung diskutiert. Seine Frau Anke verriet beim Paar-Gespräch dem Fachblatt „Bunte“, dass Sigmar auch mal „die Milch holen muss“.

„Wer sich zum Wurm macht, kann nachher nicht klagen, wenn er mit Füßen getreten wird“, sagte einmal der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724– 1804). Was beweist, dass der große Vordenker sowohl der praktischen wie der reinen Vernunft mindestens ein schräges Bild vom gemeinen Regenwurm hatte. Den hielten die Menschen bis dato nicht nur für doof, sondern sogar für gefährlich. Sie glaubten, dass die glitschigen Kriecher aus dem Stamm der Ringelwürmer (Annelida) die Wurzeln der Pflanzen abknabbern. Was nicht stimmt. Im Gegenteil, ihr Kot ist wertvoller Nährstoff für die Pflanzen, bringt sie erst recht zum Wachsen.

Klar, dass also auch der Regenwurm dringend eine Imagekampagne brauchte. Es dauerte aber noch etwa 100 Jahre, bis Charles Darwin (1809–1882) in seinem Alterswerk „Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer“ grundlegend mit dem falschen Bild vom Wurm aufräumte. Kein Schädling, sondern ein Nützling, obendrein mit einer gewissen Intelligenz ausgestattet. Jetzt sei er völlig durchgedreht, wüteten seine Gegner, von denen es noch immer viele gibt und die ihm den Beweis, dass der Mensch vom Affen abstamme, bis heute nicht verzeihen können.

Darwin hatte natürlich recht. Die Wissenschaft weiß heute, dass es Würmer auf der Erde seit mehr als 100 Millionen Jahren gibt. Weltweit fast 700 Arten, wovon rund 60 zu Hause sind. Es gibt sie praktisch überall, außer in Hochgebirgen, im Torf und am Polarkreis. Bei uns werden sie, je nach Art, bis zu 20 Zentimeter lang. In den Tropen bringen es manche auf drei Meter. Da ist der Igitt-Faktor natürlich hoch. Meine Frau Anke etwa weiß um die Wichtigkeit der Würmer, die sich mit einem besonderen Schleim gegen das Austrocknen schützen, anfassen mag sie sie aber nicht.

Eines haben die Würmer dieser Welt gemeinsam: Sie fressen sich unermüdlich durchs Erdreich, kleiden ihre Gänge, die bei uns bis zu zwei Meter tief werden können, mit einem Gemisch aus Schleim und Kot aus. Das sorgt für Durchlüftung und bildet gleichzeitig eine funktionierende Drainage. Und dabei vermehren sie sich unermüdlich. Ein Mistwurm schafft 300 Nachkommen pro Jahr. Probleme bei der Partnersuche gibt es nicht. Würmer sind Zwitter, also weiblich und männlich. Jeder kann mit jedem, der Sex dauert mehrere Stunden.

Mein Freund Ulli, ein gelernter Elektriker, züchtet in der Remise seines geerbten kleinen Hofs im Wendland Würmer. Aber nicht, um sie als Futter an Zoos und Fachgeschäfte für Anglerbedarf zu verkaufen. Ulli tüftelt am perfekten Wurmhumus. Gewonnen aus dem Kot von Eisenia foetida, dem gemeinen Mist- oder Stinkwurm. Begonnen hat er vor zwei Jahren mit 200 dieser Kompostwürmer. Pferdedung, Rasenschnitt, Mist – Ulli experimentierte mit dem unterschiedlichsten Futter für seine unermüdlichen Fresser. Entscheidend war, was hinten rauskommt, wie schon Ex-Kanzler Helmut Kohl wusste. Und entscheidend ist offenbar, was vorn bei den Würmern reinkommt. Für Eisenia foetida ist das bei Ulli industrielle Komposterde aus der Kompostieranlage im nahen Rosche, wo auch ich meinen Dünger beziehe – und schon glaubte, damit meinen Pflanzen in unserem kleinen Mühlenpark das Bestmögliche zu bieten.

Ullis Würmer fressen also Kompost, der bei hohen Temperaturen gewonnen wird und schon frei von Samenkörnern ist. Nur noch einmal veredelt im Darm seiner Würmer. Das Ergebnis ist Wurm-Humus, der besser sein soll als alles, was auf dem Markt ist. Was die rund 50.000 Würmer in seiner Pilotanlage schon jetzt produzieren, geht zu Testzwecken an Biogärtner und interessierte Landwirte. Oder an gute Bekannte. Conny, eine gemeinsame Freundin, versorgt mit diesem Kaviar unter den Düngern Rosen und Stauden. Sie hat nun wirklich keinen grünen Daumen. Aber die Pflanzen bei ihr blühen so schön, dass ich fast ein wenig neidisch bin. Eine Zimmerpflanze, die schon als Totgeglaubte galt, hat sich nach drei Monaten und jeweils zwei Esslöffeln von Ullis Wurm-Humus berappelt und sogar neue Triebe bekommen.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth