Wer zum Beispiel Gräser wie Japan-Weißrand-Seggen im Frühjahr falsch behandelt, findet später womöglich nur ein paar traurige Halme vor

„Hm“, meinte meine Frau Anke und dehnte das „m“ so sehr, dass es, gefühlt, eine ganze Zeile ausmachte. Begeisterung klingt anders. Das war Ende April, und ich wollte ihr ganz stolz die Fortschritte in dem neuen, japanisch angehauchten Gärtchen in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland präsentieren. Aus den im vergangenen Jahr gepflanzten Seggen sprossen traurig lediglich ein paar Hälmchen.

So ist das – und das Leben als Gärtner eine immerwährende Abfolge von Versuch und Irrtum. 30 kleine Carex morrowii „Variegata“ hatte ich im Herbst als Sonderangebot für 1,50 Euro das Stück in einem Dannenberger Gartenzentrum erstanden. Das musste wohl raus, so kurz vor dem Winter. Normalerweise kosten sie zwischen drei und vier Euro. Durch den Winter waren die Japan-Weißrand-Seggen, obwohl erst im Herbst gepflanzt, ganz gut gekommen. Doch dann hatte ich sie Anfang März auf gut fünf Zentimeter eingekürzt. Das mache man so mit Gräsern, hatte ich gedacht – und lag damit nicht so ganz richtig. Besser ist natürlich, das weiß ich jetzt auch, über den Winter verdorrte Halme gewissermaßen auszukämmen, indem man mit den Händen durch die Halme fährt. Mit Handschuhen, denn die Ränder der Halme sind scharf. Jetzt im Sommer haben sie sich einigermaßen berappelt und machen allmählich, was ich mir von ihnen erhofft hatte: Sie hellen meinen Japan-Garten, der den größten Teil des Tages von alten Eichen beschattet wird, regelrecht auf.

Carex morrowii ist nur eine von geschätzten 1000 Seggen-Arten, von denen die allermeisten aus Asien und Nordamerika stammen. Mir ihren dreikantigen Halmen sind Seggen, auch wenn sie so aussehen, botanisch keine Gräser, sondern Stauden. Es gibt sie, wie fossile Pflanzenfunde beweisen, seit mehr als 30 Millionen Jahren. Ihr malerischer Wuchs mit bogig überhängenden Halmen und ihre Langlebigkeit machen sie schon seit Längerem zu den heimlichen Stars von Parks und Gärten. Wie auch meine Weißrand-Seggen aus dem Schlussverkauf. Diese Zuchtform gibt es bei uns seit 1895 und fühlt sich als Bodendecker unter laubabwerfenden Bäumen und Sträuchern wohl. Sechs bis zehn Pflanzen auf einem Quadratmeter verhindern bald ziemlich zuverlässig, dass Unkraut durchkommt. Die Zuchtform „Icedance“ mit weiß-gelblichen Randstreifen bildet wintergrüne Teppiche in Schattenbereichen. Die werden angeblich so dicht, dass manche dieser Sorte den Ehrentitel „Giersch-Verdränger“ gegeben haben. Ich habe das aber nur gelesen, ausprobiert noch nicht.

Fast alle der bei uns erhältlichen Carexarten und -sorten sind winterhart, für fast alle findet sich im Garten ein Plätzchen. Die meisten lieben zwar eher feuchtere Standorte, die Sand- oder Nähmaschinen-Segge (Carex arenaria) fühlt sich auch auf trockenen Plätzen in der vollen Sonne wohl. Man kennt sie von den Dünen der Ost- und Nordsee. Ich bleibe erst einmal bei den Schatten bevorzugenden Sorten wie der Goldrand-Segge („Aureovariegata“) oder der ebenfalls aus Japan stammenden Carex dolichostachya „Gold Fountains“, die es in den Staudengärtnereien auch unter dem Namen „Brokat-Segge“ gibt. Die hat feinere Halme und gedeiht auch gut in Pflanzgefäßen mit einem Volumen von mindestens fünf Litern Erde. Allerdings sollte man sie winters an frostfreien Tagen gießen. Auf keinen Fall verzichten möchte ich auf „The Beatles“, die Pilzkopf-Segge, die so heißt, weil ihre zarten, überhängenden Blätter an die Frisur der berühmten Musiker erinnern sollen.

Einmal richtig in Fahrt, neige ich bei Pflanzen gern zur Übertreibung. Als ich Anke auch noch begeistert von anderen Sorten wie „Snowline“ erzählte, einer feingliedrigen, eher kleinwüchsigen Art, die nur 30 Zentimeter hoch wird, versuchte sie, meine Seggen-Euphorie zu bremsen. Vielleicht hatte ich ihr auch nur erzählt, dass „Snowline“ in Gartenkatalogen auch als Grabbepflanzung empfohlen wird.

Ankes Zustimmung fand allerdings Carex pendula. Ich glaube, weil die Art in den Wäldern von Mittel- und Südeuropa heimisch ist – also auch bei uns. Sie heißt auch Riesen-Segge, weil die immergrüne und sehr ausdauernde Pflanze bis zu anderthalb Meter groß werden kann. Eine Mulchschicht aus vom Rasenmäher zerkleinerten Blättern hilft ihr nicht nur gut über den Winter; das sich zersetzende Laub ist Dünger genug. In ihrer Heimat, den Wäldern, macht das die Natur von allein. Was die Riesen-Segge nicht abkann, ist eine Abdeckung aus dem sonst so beliebten Rindenmulch. Die lässt sie wie alle anderen Seggenarten braun werden und absterben. Bei uns kommt der deutsche Gras-Riese in den Japan-Garten. Ansonsten macht er sich auch gut als Kontrast im Schatten vor Mauern.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth