Nicht etwa beim Rauchen, sondern als Augenweide mit ihren roten oder lila Blüten. Bis zu 100 Pflanzen für den Eigenbedarf sind erlaubt

Mein Freund und Nachbar Hermann ist Bauer – ein ganz schlauer sogar. Mit 22 Hektar war der Betrieb schon in den 1970er-Jahren zu klein, um auf Dauer die Familie ernähren zu können. Während damals viele Landwirte aufgeben mussten, entdeckte Hermann eine Marktlücke. Statt weiter auf Getreide, Kartoffeln oder Rüben setzte der heute 63-Jährige auf Tabak. Der Anbau von Nicotiana tabacum war zwar komplizierter, versprach aber ordentliche Subventionen und eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit. Seine Frau Margret kannte sich auch schon ein bisschen aus. Sie stammte aus einer Familie, die Tabak gepflanzt hatte.

Als meine Frau Anke und ich vor knapp 20 Jahren begannen, unseren kleinen Mühlenpark anzulegen, fielen uns gleich Hermanns Tabakfelder auf. Anke fand die Pflanzen einfach schön. Das war auch der Grund gewesen, weswegen der Tabak wie seine Schwestern, die Nachtschattengewächse Kartoffel und Tomate, zunächst in den Gärten der Adeligen und Reichen landete, nachdem sie nach der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 nach Europa gelangt waren. Dann kam das Rauchen in Mode, und schon 1590 gab es die ersten Tabakfelder zunächst in der Pfalz, später dann auch im Norden – knapp 200 Jahre, bevor Friedrich der Große seinen Preußen den Anbau der Kartoffel verordnete. Die Tomate fand erst im vergangenen Jahrhundert ihren festen Platz in unseren Küchen.

Heute ist mein Nachbar der letzte Tabakbauer im Wendland, in ganz Niedersachsen gibt es noch zwei. Das hat einmal damit zu tun, dass vor gut zehn Jahren der Staat die Subventionen für Tabakanbau gestrichen hat. Man konnte schlecht Kampagnen gegen den blauen Dunst starten und selber den Tabakanbau mit Steuergeld fördern. Mein Nachbar Hermann hatte auch schon daran gedacht, die Landwirtschaft an den Nagel zu hängen. Alt genug war er, die Erbfolge mit Sohn Torsten schon geregelt. Doch dann wurde der Tabak knapp. Trotz Rauchverboten brach der Zigarettenabsatz nicht ein, Wasserpfeifen kamen zusätzlich in Mode. Der Großhandel zahlte so viel, dass sich der Anbau sogar ohne Subvention lohnte.

Auch wenn Maschinen die Zahl der Arbeitsstunden von früher 1600 auf heute etwa 900 pro Hektar gesenkt haben, ist Tabakanbau Knochenarbeit, bei der früher die ganze Familie von der Oma bis zu den Enkelkindern mithelfen musste. Auch wenn Maschinen heute zum Beispiel die Tabaksamen in Pflanzplatten aus Styropor setzen und mit einem umgebauten Rasenmäher dreimal die zarten Pflanzen kappen, damit sie kräftiger werden, ist das noch aufwendig genug.

Ohne Saisonarbeiter, die aus Polen oder Rumänien kommen, geht es spätestens nach dem Auspflanzen nicht mehr. Das passiert im Mai, nach den Eisheiligen, wenn kein Frost mehr die zarten, erst zehn Zentimeter großen Pflänzchen hinraffen kann. Spritzmittel gegen Unkraut wie etwa das umstrittene Glyphosat sind wegen möglicher Rückstände in den Tabakblättern verboten. Unkraut wird nach alter Väter Sitte mit der Hand gehackt. Im Fall von Hermann bedeutet das: 15 Hektar, also 150.000 Quadratmeter, müssen zweimal gejätet werden. Ich hab allein bei der Zahl schon Rücken!

Gepflückt werden die Tabakblätter auch von Hand. Immer von unten nach oben, mehrfach in der Erntezeit im August und September. Dann müssen die Blätter getrocknet und sortiert werden, ehe sie in den Großhandel gehen. Je nach Qualität werden sie wie Obst in Handelsklassen kategorisiert. Für die oberste Klasse seines Virginia-Tabaks gibt es etwa fünf Euro das Kilo, für die unterste weniger als zwei. Leben kann man davon, reich werden nicht.

Die Sorte, die Nachbar Hermann anbaut, hat übrigens nur wenig Nikotin in den Blättern. Sie werden etwa Zigaretten kräftigerer Sorten beigemischt, um deren Nikotingehalt zu senken. So weiß Hermann auch nicht, ob sein Tabak in den Zigaretten ist, die er selber raucht. Früher, als die Konzerne noch direkt bei den Bauern kauften, war sein Tabak mal in der „Lux“ der ehemaligen Bremer Manufaktur Brinkmann.

In diesem Jahr bekomme ich einige Setzlinge von Hermann für unseren kleinen Mühlenpark. Wir haben auch den richtigen, also sandig-humosen Boden und Plätze in voller Sonne. Anke hofft, dass die ansehnlichen Pflanzen ihre volle Höhe von fast zwei Metern erreichen und ihre roten oder pinken Blüten zeigen können. Bei Hermann dürfen sie das nicht. Vor der Blüte werden die Pflanzen gekappt, damit sie alle Kraft in die Blätter investieren können.

Tabak darf jeder anpflanzen, bis zu 100 Pflanzen erlaubt das Gesetz – für den Eigenbedarf, wenn man so will. Samen zum Vorziehen auf dem Fensterbrett gibt es im Fachhandel, Gebrauchsanweisungen inklusive.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth