Was hat der Autor eines geistreichen Gartenbuches, Jakob Augstein, mit dem Vorwurf der Weltfremdheit und Feuerholz zu tun? Ein Erklärungsversuch

Jakob Augstein ist ein kritischer Journalist und gern gebuchter Gast in den deutschen Talkshows – und selbst in den hitzigsten TV-Debatten so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen. Augstein zu düpieren gelang zuletzt aber dem sehr konservativen Roger Köppel bei „Maischberger“ in einer hitzigen Diskussion zur Flüchtlingskrise, als der Schweizer Journalist Augstein Realitätsverlust vorwarf. Am Schreibtisch in seiner Berliner Villa bekomme dieser womöglich wenig mit von den Sorgen der Menschen, die es weniger dicke hätten.

Köppels Vorwurf war hart. Aber war er auch fair? Der Journalist Augstein muss sich als einer der Erben von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein sicherlich nicht von Tütensuppe ernähren. Aber heißt „Wir schaffen das“, dass man die Sorgen weniger betuchter Bürger ignorieren kann, wenn die befürchten, am Ende die Last der Kosten für die Integration der Flüchtlinge tragen zu müssen? Das Gewicht eines Argumentes lässt sich nicht wirklich am Geldbeutel eines Journalisten messen.

Ich lese gerne weiter Augsteins Kolumnen, zum Beispiel „Spiegel online“, auch wenn ich seine Meinungen und Einschätzungen, etwa in der Flüchtlingsfrage, nicht immer teile. Mehr noch als politischen Kommentator schätze ich ihn als Autor auf einem ganz anderen Gebiet. Mit „Die Tage des Gärtners. Vom Glück, im Freien zu sein“ (dtv, 2012, 265 Seiten, 10,20 Euro) hat der Publizist sogar einen Bestseller gelandet. Ein wunderbares Buch, praktische Tipps gepaart mit einem Streifzug durch die Geistesgeschichte von Ovid bis Bert Brecht, von Goethe über Oscar Wilde bis Peter Handke. Eine tolle Fibel, nicht nur für höhere Gärtnerstände.

Aber zurück zum Meinungsmacher Augstein. Ich beneide ihn auch nicht um seine Villa. Schon gar nicht um den Stadtteil, in dem er wohnt. Ein Flecken, der traditionell Prominenz anzieht, früher den Entertainer Harald Juhnke, heute den ehemaligen Grünen-Anführer Joschka Fischer. Aber so ein offener Kamin wie Augsteins in Berlin – das wäre was. „Nichts geht über ein echtes, offenes Feuer“, schwärmt er in seinem Bestseller. Meine Frau Anke und ich hatten auch immer von einer Feuerstelle in unserer kleinen Mühle im Wendland geträumt. Aber leider hat so eine Mühle keinen Kamin. Oder haben Sie schon mal eine Windmühle mit Schornstein gesehen? Technisch möglich wäre ein moderner Außenkamin aus Edelstahl gewesen, den der Kreisschornsteinfegermeister, den wir um Rat gebeten hatten, auch genehmigt hätte. „Aber was ist mit dem Denkmalschutz?“, fragte er dann. Keine Chance, nicht mal für einen Kaminofen mit Sichtfenster, um die Flammen flackern zu sehen. Unsere Mühle ist ein Denkmal. Und während ich noch überlegte, ob man den Denkmalschutz womöglich austricksen könnte, befand meine Anke gleich: „Das sieht auch nicht gut aus. So ein neumodischer Glitzerkamin an unserer schönen Mühle.“ Wir wären auch voll im Trend gewesen. 14 Millionen kleine Öfen gibt es bereits nach Angaben des Bundesumweltamtes, jährlich kommen als Heiz- und Kochgeräte fast 400.000 Kaminöfen dazu. Höhere Zuwachsraten verzeichnet zurzeit nur der Handel mit Elektro-Rädern. Nach Berechnungen von Experten liegen die Feinstaub-Emissionen aller Kleinfeuerungsanlagen, wie Kaminöfen im Amtsdeutsch heißen, in manchen Landstrichen schon über den Gesamtemissionen aus dem Straßenverkehr. Betroffen sind vor allem Wohlstandsregionen um München und Stuttgart, auch das Rhein-Main-Gebiet weist hohe Belastungen aus.

Wie sehr Kaminöfen im Trend sind, zeigt auch die Tatsache, dass es abgepackte Holzscheite schon an der Tankstelle gibt. Nadelhölzer wie Kiefer und Tanne brennen schneller ab und haben einen deutlich geringeren Heizwert als etwa Buche und Birke. Kaminholz gibt es längst auch festmeterweise aus dem Internet frei Haus geliefert. Getrocknet und gespalten in fertiger Länge. Feuchtes, frisch geschlagenes und gespaltenes Holz brennt nicht nur schwerer, sondern schickt auch deutlich mehr Schadstoffe in die Atmosphäre. Ein knappes Jahr braucht Holz, bis es trocken genug ist. Geschüttelt ist besser als geschichtet. Das heißt: Holz, das zum Beispiel in große Drahtkörbe geschüttet wird und von allen Seiten im Wind steht, trocknet schneller, als wenn es geschichtet wird. Wenn der Holzstoß ganz mit einer Plane bedeckt ist oder im Keller lagert, droht Schimmel. Ist gar nicht gesund.

Selber hacken will gekonnt sein. Der Kollege Augstein hat es probiert und sich ins Bein gehackt. Ohne bleibende Schäden. Obwohl er die Wunde zunächst in Eigen-Medikation mit „Hochprozentigem“ desinfizierte und erst am nächsten Tag zum Arzt ging. Steht auch in seinem Buch.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth