Maulwürfe sind eine Plage. Wenn sie im Winter graben, ist das ein schlechtes Zeichen. Dann dauert der Winter lange. So zumindest die Bauernregel

Der Winter, sagt Johannes Roth, sei die Zeit des Pantoffelgärtners. Draußen knackt der Frost, drinnen der Kamin. An dem sitzt der Frankfurter Schriftsteller gerne, der im Insel-Verlag mehrere Bücher zur Gartenlust in den jeweiligen Jahreszeiten verfasst hat, und schmiedet Pflanzpläne fürs Frühjahr. Seine Betrachtungen sind amüsant und lehrreich, kleine Reisen durch die Geistesgeschichte des Gärtnerns, hübsche Miniaturen mit praktischen Tipps.

Auf ihn war ich zufällig gestoßen. Roth war einer der Autoren in der Anthologie „Gartenglück“, die ich im Museumsshop der Hamburger Kunsthalle entdeckt hatte. Neben weltberühmten Autoren wie Hermann Hesse, Oscar Wilde und Rainer Maria Rilke fand ich Beiträge von bekannten Gartenexpertinnen wie Gabriella Pape und Susanne Wiborg – und Texte von Paula Almqvist, einer von mir sehr geschätzten „Stern“-Kollegin aus alten Zeiten.

„Warst du mal verliebt in die?“, fragte meine Frau Anke, als ich ihr Paulas Aufsatz „Mit Blumen reden“ empfahl. „Natürlich nicht“, sagte ich ganz schnell. Vorsichtshalber. So etwas verjährt ja nie. Auch wenn es vor ihrer Zeit gewesen wäre, ich Anke also noch gar nicht kannte. Frauen sind wohl so. Dummerweise habe ich auch noch erzählt, einmal einem Freund geholfen zu haben, Paulas Garten zu wässern, als sie im Urlaub war. Mit Mann (!) und Kindern (!). Meine Schwärmerei war rein journalistisch! Als ich Mitte der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts (!), also noch deutlich jünger und gerade zum Autor beim „Stern“ befördert, mit ihr gemeinsam eine Serie über den nicht unumstrittenen Politiker Franz Josef Strauß und seine letzte Lebensgefährtin Renate Piller schreiben durfte, war mir das wie ein journalistischer Ritterschlag vorgekommen.

Tja, das war früher. Über 30 Jahre her. Da war zwar auch nicht alles besser. Der „Stern“ schon, aber früher war echt mehr Winter. 2015 war, gerade überall nachzulesen, das wärmste Jahr seit Beginn der amtlichen Wetteraufzeichnungen – und die gibt es seit 136 Jahren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass wir gerade für einige Tage Schnee und Eis hatten, das Thermometer auch bei uns nächtens deutlich unter zehn Grad minus fiel. Ist es der Hang zur Übertreibung und Skandalisierung, den wir in unserer Gesellschaft seit geraumer Zeit beobachten können, dass es mancherorts schon hieß, eine Form sibirischer Kälte habe Deutschland fest im Griff, und sich Wetterfrösche im TV dick vermummt und mit Zipfelmützen präsentierten? Die gleichen Experten hatten kurz zuvor noch das Ende des Winters beschworen, weil bekannte Wintersportorte Veranstaltungen mangels Schnee absagen mussten. Wegen der hohen Temperaturen konnten auch keine Schneekanonen eingesetzt werden.

Anke und ich haben uns über den kleinen Wintereinbruch gefreut. Unsere Mühle im Wendland im Schnee – das hatte wir über mehrere Tage länger nicht mehr gehabt. Ich freute mich zusätzlich über die frostkalten Nächte. Hoffte ich doch, dass die Kälte nach einer alten Gärtnerweisheit der nächsten Generation von Schnecken den Garaus bereiten würde. Im vergangenen Sommer haben uns die Schleimer ziemlich geärgert.

Nach einer Woche reichte meiner Frau der Mini-Wintereinbruch. Ich hingegen hoffte sogar auf eine längere Schnee- und Eiszeit. War ich doch, als Pantoffelgärtner wie Johannes Roth, am Fenster im warmen Zimmer Zeuge eines seltenen Naturschauspiels geworden. Mitten im Rasen, also dort, wo unser kleiner Mühlenpark am kunstvollsten angelegt ist, erhob sich aus der geschlossenen Schneedecke langsam ein richtig dicker Maulwurfshügel. Nach einer alten Bauernregel ein untrügliches Zeichen für einen langen Winter: „Wirft der Maulwurf im Januar, dauert der Winter bis Mai.“ Schiebt der Maulwurf im Januar Erde, wie es in der Gärtnersprache heißt, dann hat er nicht tief genug gegraben und die strengere Kälte nicht langfristig vorhersehen konnte. Unser Maulwurf reagierte also kurzfristig. Als der Frost seine unterirdischen Gänge erreichte, buddelte er tiefer, um sich zu schützen. Jedenfalls interpretiere ich diese Tiefbauarbeiten so.

Nichts gegen Bauernregeln zum Wetter. Zumindest für langfristige Vorhersagen taugen sie wenig. Kurzfristige Prognosen basieren oft auf jahrhundertealten Beobachtungen und sind längst durch meteorologische Statistiken bewiesen, wie auch der gefallene Wetterengel Jörg Kachelmann glaubt. Wer glaubt, dass der Mond Einfluss auf unser Wetter hat, kann sich sogar auf Albert Einstein berufen, den berühmten Physiker und Erfinder der Relativitätstheorie. Und das ist dann garantiert nicht relativ.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth