Die Colorado-Tanne ist bei uns noch ein Exot, hat aber unschätzbare Vorteile: sticht nicht, nadelt nicht, riecht nach Zitrus...

Diesmal schenken wir uns nichts. Also wirklich nichts. Diesmal wollen meine Frau Anke und ich uns dem Konsumwahn total entziehen. Sogar meine Schwiegermutter will mitziehen. Glauben tue ich ihr nicht. Etwas Kleines werde ich vielleicht doch, für alle Fälle, kaufen. Dass wir uns nichts schenken, hatten wir uns letztes Jahr schon versprochen. Ich bekam eine japanische Gartenschere und ein Paar edler Gartenhandschuhe. Aus Leder, von Manufactum. Das ist so eine Art Otto-Versand für Akademiker mit entsprechenden Preisen. Ich hatte nix, weil ich mich an die Abmachung gehalten hatte – und kam mir dann ziemlich doof vor.

Abgemacht ist erst einmal, dass wir die Schwiegermutter zum Essen einladen. Ich koche. Einen klassischen Rinder-Schmorbraten. Bœuf bourguignon, nach einem Rezept von Wolfram Sie­beck, ganz traditionell. Anke hat schon bei der Ankündigung die Augen verdreht. Weil die Zubereitung ein wenig aufwendig ist, fürchtet sie ein Chaos in der Küche. Sie sagte so etwas wie „Du gibst den großen Koch, und ich muss aufräumen.“ Ich habe ihr schon versprechen müssen, auf die Zubereitung eines eigenen Bratenfonds zu verzichten.

Entschieden ist dagegen die Frage des Weihnachtsbaumes. Drinnen haben wir schon seit Jahren keinen. Vor der Küche unserer kleinen Mühle im Wendland steht eine Orientfichte, genau genommen eine Picea orientalis „Aurea“. Die dient schon seit Jahren als Weihnachtsbaum. Wir schmücken sie mit einer Lichterkette. Vom Esstisch haben wir einen schönen Blick darauf. Statt Kugeln und Lametta hängen einige Meisenknödel an ihr. Da haben die Vögel auch ein schönes Fest.

Die Orientalische Fichte habe ich vor sechs Jahren gekauft. Im Container und knapp 1,50 Meter groß, hat sie 80 Euro gekostet. Damit sie uns als Weihnachtsbaum nicht über den Kopf wächst, habe ich sie zunächst mit ihrem Topf eingepflanzt, was allerdings regelmäßiges Gießen erfordert – wie bei jeder Kübelpflanze. Zur Not hätte ich sie auch zu Weihnachten rausheben und ins Haus stellen können. In ihrer „Topfzeit“ wuchs die Orientfichte jährlich nur etwa 15 Zentimeter. Nachdem ich sie „ins Freie“ gelassen habe, schafft sie mittlerweile fast 30 Zentimeter pro Jahr. Die Fichte, die die kürzesten Nadeln ihrer Art hat, gibt es bei uns seit etwa 1850 und wurde vor allem in botanischen Gärten und Parks angepflanzt. Sie ist winterhart und wächst auch im Schatten. Sie leuchtet nicht nur zur Winterzeit als Weihnachtsbaum, sondern auch zur Sommerzeit, wenn im Mai und Juni die jungen Triebe schwefelgelb leuchten, ehe sie vergrünen.

Die Orientfichte stammt übrigens aus dem Kaukasus wie der Deutschen liebster Weihnachtsbaum, die Nordmanntanne. Die sieht wirklich hübsch aus, hat aber einen großen Nachteil: Sie riecht nach nix.

Die ist so begehrt, dass man sie neuerdings sogar im Internet fürs Fest ausleihen kann. Rent a Tanne, sozusagen. Ich halte davon nicht viel. Ein Freilandgewächs mal so einfach für ein paar Tage ins warme Wohnzimmer zu stellen bedeutet für eine Pflanze einen gewaltigen Schock, den sie nicht immer überlebt. Ist ja vielleicht verlockend, den Weihnachtsbaum anschließend in den Garten zu pflanzen. Oft geht er ja auch an. Wir haben das auch mal gemacht, mit einer Nordmanntanne. Sie ist auch angegangen. Mittlerweile würde ich es nicht mehr tun – aus Respekt vor dem Lebewesen Baum.

In unserer Stadtwohnung haben wir auch keinen Weihnachtsbaum mehr. Dort stellt Anke dieses Jahr Zweige der Colorado-Tanne in eine große Bodenvase, mit ordentlich Lametta. Ganz wie früher. Insofern bin ich dann der Opa, wie in Loriots berühmtem Weihnachts-Sketch. Die Colorado-Tanne gilt noch als Exot unter den Weihnachtsbäumen. Abies concolor hat aber, wie ich finde, unschätzbare Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten. Anders als die heimische Tanne oder die Blaufichte nadelt sie praktisch nicht. Ihre hübschen blaugrünen Nadeln stechen nicht und bleiben weit über den Dreikönigstag am 6. Januar haften. Wer will, kann sie bis Ostern stehen lassen. Aber wer will das schon? Gegenüber dem anderen Favoriten, der Nordmanntanne, hat sie den unschätzbaren Vorteil, dass sie ausgesprochen gut riecht. Ihre langen Nadeln verbreiten einen angenehmen Zitrus­duft.

Den Tipp mit der Colorado-Tanne verdanken wir übrigens Gabriella Pape, mehrfach preisgekrönte Gartengestalterin, die in Berlin mit großem Erfolg die Königlich Preußische Gartenakademie wieder belebt hat. Als Hobbygärtner kann ich die Colorado-Tanne, die aus den Rocky Mountains stammt, nur empfehlen. Sie wächst schnell, ist winterhart und verträgt Trockenheit. Nicht ganz unwichtig in Zeiten des Klimawandels.

Ein schönes Fest, herzlichst
Ihr Karl Günther Barth