Gesunde Kost liegt im Trend. Spezialitäten aus Fernost, aber auch heimische Wildkräuter sind nachgefragt. Doch Vorsicht auch vor Mutter Natur

Japaner, das wissen wir, essen gern rohen Fisch. Wer in der fernöstlichen Küche über Sushi hinausgekommen ist, kennt auch, was in den Speisekarten unter Tempura steht: zum Beispiel Gemüse, das in einem Teig-Mantel frittiert wird. Neulich habe ich gelesen, dass, passend zur Jahreszeit, in Japan sogar Ahornlaub frittiert wird, was auf eine gut 1000 Jahre alte Tradition zurückgeht.

Jetzt bitte nicht gleich in den nächsten Park rennen und Laub sammeln. Nur die Blätter des Ahorns Ichigyooji eignen sich für das traditionelle Naschwerk mit süßem Sesam-Teig. Die Blätter müssen ein Jahr lang in eine Salzlake gelegt werden, bis sie reif fürs Frittieren sind. Ein Zeremonie gewissermaßen – und die, das wissen wir vom Teetrinken, gehört ebenfalls zum Japaner und seinen Traditionen.

Obwohl japanische Ahornarten, wie beispielsweise die mit extrem roten oder geschlitzten Blättern, längst bei uns zum Standard-Angebot von Baumschulen gehören, gibt es den Ichigyooji bei uns noch nicht zu kaufen. So wird frittiertes Herbstlaub à la japo­naise hierzulande wohl auch nicht so schnell zur neuen Kult-Delikatesse werden. Einfach zu kompliziert.

Anders als zum Beispiel Salate – und da sind etwa Spitz- und Breitwegerich, Zaunwinde, Vogelmiere, Brunelle, Löwenzahn und Gänseblümchen die Favoriten in den Blogs, in denen zur Besinnung auf heimische Rohkost geworben wird. Diese Blogs sind so im Trend, dass sie sogar den Weg auf die Internetseiten seriöser Zeitungen und Zeitschriften gefunden haben. Das passt zu einem Zeitgeist, der Dächer in der Stadt begrünen und sogar mit Bäumen bepflanzen will – um ein Stück Land, ein Stück Natur in die Bauwüsten zu holen. Und weil man den modischen Trend mit Bedeutung aufladen muss, damit er nicht zu banal daherkommt, wird er mit einem Namen geadelt. Urkost heißt das Wort für den Versuch, mit Wildkräutern, die früher mal Unkraut hießen, eine neue Philosophie des Essens einzuführen.

Das ist so weit unbedenklich, weil viele Wildkräuter durchaus sehr gesund sind und unseren Speisezettel bereichern könnten. Aber gerade weil es natürlich-gesund ist, fordern Übereifrige demnächst wahrscheinlich die Einrichtung von Kursen zur Erkennung von Wildkräutern. Die Kosten müssten wahlweise die Krankenkassen oder der Steuerzahler übernehmen. Denkbar ist auch die Forderung nach staatlich kontrolliertem Anbau von Giersch in öffentlichen Parks oder die Einrichtung von Brennnesselfeldern.

Im Salat schmeckt junger Giersch wirklich gut. Sein Aroma erinnert ein bisschen an Petersilie. Leider hat die Pflanze einen ausgesprochen starken Ausbreitungswillen – weswegen er bei Gärtnern so beliebt ist wie bei anderen Leuten Fußpilz. Junge Brennnesselblätter wiederum sind delikat wie junger Löwenzahn, haben aber Nitratwerte, die doppelt so hoch sind wie bei Kopfsalat erlaubt, fand die Uni Bonn heraus. Grund sind stickstoffreiche Böden, auf denen die krautartige Nessel bevorzugt wächst. Stickstoff aber entsteht zum Beispiel aus Urin. Für dessen steten Nachschub sorgen in den Städten die zahlreichen Hunde – nachdem der Mensch als Wildpinkler weitestgehend ausgefallen ist. Aus der Verbindung von Sauerstoff und Stickstoff entstehen so gesundheitsschädliche Nitrate, welche die Brennnessel in den Blättern ablagert. Alles bio – oder was?

Etwas Feines habe ich dann doch. Auch aus Japan, aber nicht zum Essen, nur für die Nase. Der Katsurabaum (Cercidiphyllum japonicum) heißt auf Deutsch auch Kuchenbaum – weil seine Blätter würzig riechen. Nach Lebkuchen, heißt es. Aber unter Botanikern gibt es mindestens so viele Lyriker wie unter den Weinkennern. Manche Experten haben Aromen von Zimt und Vanille ausgemacht, sogar von Karamell und Rosine ist schon mal die Rede. So ein feines Näschen habe ich nicht – im Gegensatz zu meiner Frau Anke, die ganz begeistert war vom dem Duft der Blätter, als wir neulich einen Besuch im Botanischen Garten machten. Der Baum duftet natürlich nicht ganzjährig so anregend, nur beim Abgang, also im Herbst, als Laub.

Den Kuchenbaum gibt es bei uns als kleine Züchtung zu kaufen. Bislang hat der Katsura, der in seiner Heimat über 30 Meter hoch werden kann, den Sprung in die Privatgärten noch nicht so recht geschafft. Dabei wächst er in fast jedem Boden, braucht einen sonnigen Standort und ist lediglich empfindlich gegen längere Trockenperioden. Zum Wässern ist daher eine größere Baumscheibe von gut zwei Metern Durchmesser empfehlenswert. Wenn man die Baumscheibe und damit die flachen Wurzeln alle zwei, drei Jahre auf gut eine Spatentiefe absticht, wird der Baum nur vier Meter hoch. Spätesten dann ist er auch reihenhausfähig.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth