Die Traubenhyazinthe, dessen meist blaue Blüten manchmal schon von Mitte März nach den Krokussen für frische Farben sorgen

„Deiner Farb und Bildung Zier

Zeiget mit Verwundrung mir

Von der bildenden Natur

Eine neue Schönheitsspur.“

Als ich diese Verse vor meiner Frau Anke laut deklamierte, lächelte sie. Irgendwie geschmeichelt. Doch in ihren Augen stand auch die stumme Frage: „Der hat doch wohl nichts geraucht?“ Natürlich hatte ich das nicht. Der Reim stammt auch nicht von mir, sondern von einem gewissen Barthold Heinrich Brockes (1680–1747).

Brockes wer? Keine Sorge, wer den Mann nicht kennt, muss sich nicht für einen eklatanten Mangel in der Allgemeinbildung schämen. Er ist eher ein Fall für Hamburger Heimatforscher oder Germanisten, Fachgebiet Gartenlyrik. Brockes hatte es nämlich in der Hansestadt erst als Kaufmann zu beträchtlichem Reichtum gebracht, ehe er in späteren Jahren, sozusagen in einem zweiten Leben, als Dichter eine zweite Karriere machte – und damit zu seiner Zeit weit über Hamburg hinaus berühmt wurde.

Brockes besang in seinem gleichnamigen Versepos die Traubenhyazinthe, einen der bekanntesten Frühlingsboten, dessen meist blaue Blüten manchmal schon von Mitte März, also in wenigen Wochen, nach den Krokussen für frische Farben sorgen. Heute ist die Pflanze aus der Familie der Spargelgewächse ja nix Besonderes mehr. 1727, als Brockes seine Ode an das „angenehme Frühlingskindchen“ dichtete, waren Traubenhyazinthen wie auch Tulpen noch eine Luxusware für die Gärten und Parks der europäischen Oberschicht.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) waren die ersten Zwiebelpflanzen aus dem Osmanischen Reich zu uns gekommen. Der Hype um Tulpen, die in Holland wie heute Aktien an der Börse gehandelt wurden, war bereits vorbei. Sie kosteten schon länger nicht mehr bis zu 5000 Gulden, womit man sich auch ein prächtiges Haus an einer Gracht in Amsterdam hätte kaufen können. Aber anders als heute, wo wir die Zwiebeln je nach Sorte für fünf Euro gleich im Dutzend bekommen, war die Traubenhyazinthe ein gärtnerisches Hobby, das sich nur der Adel oder das reiche Bürgertum leisten konnte.

Bis ins 19. Jahrhundert war es der Moschusduft der Traubenhyazinthen, der die Menschen so faszinierte. Der lateinische Name Muscari ist wohl auch abgeleitet vom Arabischen misk rumi, was übersetzt griechischer Duft heißen soll. Moschusduft soll ja angeblich sinnlich erregend sein, ist heute noch Bestandteil von schweren Parfums und wird sogar in Sexshops feilgeboten. Das ist, wie so vieles im Leben, Geschmackssache. Die heute im Handel üblichen Hyazinthen-Sorten verströmen eher einen leichten Honigduft. Für die Abteilung „Außer Rand und Band“ gibt es noch die Sorte Muscari muscarimi, die allerdings mit ihren bräunlich-weißen Blüten farblich nicht so viel hermacht, aber noch an den Ursprungsduft erinnert.

Attraktiver sind da schon blau blühende Sorten wie der Weinbergsträubel (Muscari neglectum), der sich allerdings rasant ausbreiten kann. Die armenische Traubenhyazinthe ist nicht ganz so ausbreitungsfreudig, bildet aber in drei bis fünf Jahren auch kleine Horste. Muscari azareum ist ein ausgesprochener Frühblüher, der bei milden Temperaturen schon Mitte März oder auch früher den Träubel-Reigen eröffnet. Träubel heißen die Pflanzen eher im süddeutschen Raum, bei uns im Norden sind auch die Bezeichnungen Perlblüte oder Perl-Hyazinthe gebräuchlich. Die Sorte Muscari „Pink Sunrise“ hat mit zartrosa Blüten eine ungewöhnliche Farbe. Sie ist eine noch junge Züchtung und kostet deutlich mehr als die üblichen Sorten, die man schon für sechs bis sieben Euro im 20er-Pack bekommt. Muscari album hat weiße Blüten. Die Sorten werden zwischen 15 und 40 Zentimeter groß. Die kleinste ist Muscari botyoides.

Gärtnerisch stellen Traubenhyazinthen keine großen Ansprüche. Sie wachsen am besten in lockeren, leicht sandigen Böden, in Sonne wie Halbschatten. Ich gebe im Frühjahr ein wenig Kompost auf die Pflanzstellen, wässere nur in trockenen Sommern. Die Pflanzen sind allerdings empfindlich gegen Staunässe. Die Zwiebeln pflanzt man im Herbst, etwa zehn Zentimeter tief. Dann sind die Pflanzen auch sehr winterfest. Kübel und Balkonkästen mit Traubenhyazinthen sollten frostfrei überwintern.

Wer Traubenhyazinthen nicht am Gehölzrand oder ins Steinbeet, sondern lieber zu dekorativen Tuffs in den Rasen pflanzt, muss mit dem Mähen warten, bis die Blätter im Juni oder Juli gelb werden und einziehen. Bis dahin versorgen sie nämlich die Zwiebeln mit Nährstoffen, damit sie im nächsten Jahr wieder austreiben. Wer zu früh mäht, den bestraft die Natur mit fehlenden Blüten im nächsten Frühjahr.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth