Disteln habe ich bislang mehr geduldet als geliebt. Aber Onopordum acanthium bekommt jetzt einen Platz im Mühlenpark. Sie ist zudem reiche Nektarquelle für Bienen

Sie ist eine Schöne, knapp zwei Meter groß und steht einsam am Straßenrand. Immer wieder bin ich an ihr vorbeigefahren. Diese Woche konnte ich nicht widerstehen und habe angehalten. „Irgendwas mit Distel“, sagte zunächst Alexandra Hoyer, die Gärtnerin meines Vertrauens in Dahlenburg, der ich ein Foto der Schönheit zeigte. Dann fiel es ihr ein: Onopordum acanthium, die Eselsdistel.

Nun habe ich nix gegen Esel, aber einen romantischeren Namen hätte ich mir für die Schöne vom Straßenrand mit den purpurfarbenen Blüten und ihrem stacheligen, graugrünen Blattwerk schon gewünscht. Bei Distel fällt mir nämlich sonst nur das unermüdlich wuchernde Unkraut ein, das längst den Weg vom Ackerrand in unseren kleinen Mühlenpark im Wendland gefunden hatte. Anders als mit Giersch habe ich aber als Gärtner mit der heimischen Ackerkratzdistel meinen Frieden gemacht. Natürlich reiße ich jedes Jahr etliche raus, lasse an einigen Stellen aber immer einige wenige stehen – und das, obwohl ich weiß, dass sich Cirsium arvense wie der Giersch durch unterirdische Rhizome ausbreitet. Sie haben, auch auf Fürsprache meiner Frau Anke, ihren Platz, um ihre schönen gelben Blüten zu zeigen, eine reichhaltige Nektarquelle für Bienen und Falter aller Art.

Im nächsten Jahr bekommen die Acker-Prolls vornehme Gesellschaft. Einmal natürlich ein oder zwei Eselsdisteln, die erst im zweiten Jahr zur vollen Größe erwachen. Dann aber kann man ihnen fast bei Wachsen zusehen. Das Schönste daran ist, dass sie lediglich einen sonnigen und trockenen Standort brauchen. Von beidem haben wir reichlich – und sonst keine Arbeit mit der Eselsdistel. Laut dem römischen Schriftsteller Plinius war die Art besonders bei Eseln (griechisch: onos) beliebt, die aber nach dem Fressen Blähungen bekamen – der Namenbestandteil „porde“ steht für Wind. Die alten Esel in der Antike müssen Mäuler wie Mühlsteine gehabt haben, um die stacheligen Blätter herunterzukriegen. Die Griechen und Römer nutzten Distelcremes und -tinkturen gegen Akne, Frauenleiden und Magenbeschwerden. Im späten Mittelalter kam die Pflanze auch zu uns. Auf die medizinische Bedeutung weisen noch volkstümliche Bezeichnungen wie Frauen- und Krampfdistel hin. Andernorts, etwa in Schottland, war die Distel so sehr Kult, dass sie es sogar ins königliche Wappen schaffte. Der Distel- ist nach dem Hosenbandorden die zweithöchste Auszeichnung in Großbritannien. Im Moment umfasst der exklusive Kreis der Träger 15 Namen. Als bislang letzter stieß Prinz William dazu, der Mann von Kate. Sein Verdienst: Er war 30 geworden.

Während bei uns noch Bauern und Gärtner über den Ausbreitungsdrang von Kratz-, Acker- oder Lanzettdisteln nachsannen, waren die gartenverrückten Briten schon weiter und machten sich an die Veredelung. Eine der bekanntesten Züchterinnen war die ebenso reiche wie schrullige Miss Willmot. Die Upperclass-Lady griff natürlich nicht zu Spaten und Hacke, sondern ließ gärtnern. Sie war eine furchtbare Chefin und machte nicht selten einen ihrer über 100 Gärtner zur Sau, wenn sie ein noch so winziges Unkraut in „ihren“ Beeten entdeckte. Bei Besuchen in fremden Gärten, die sie natürlich scheußlich fand, verstreute sie gerne heimlich Samen ihrer Lieblingspflanze, der Elfenbeindistel. Später, wenn eine Pflanze austrieb, meinten sich manche zu erinnern: Miss Willmot war hier.

Man weiß nicht, ob die starke Verbreitung der Pflanze auf Besuche der exzentrischen Lady zurückzuführen ist oder die Briten einfach die Distel lieben lernten. Auf der Insel heißt sie „Miss Willmot´s Geist“. In Deutschland ist Eryngium giganteum, die etwa anderthalb Meter groß werden kann, noch ziemlich unbekannt. Weil auch sie trockenen Problemzonen zu Blütenträumen verhelfen kann, rührte auch schon der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde die Werbetrommel für die filigrane Schönheit mit den silbrig-grünen oder blauen Blütenköpfen. Weil sie zweijährig ist, sollte sie jedes Jahr ausgesät werden, um jeden Sommer außergewöhnliche Blüten erleben zu können. Im Winter glänzt sie draußen im Raureif. Wer es mag, hat drinnen seine Freude am Trockenstrauß.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Sie erreichen mich unter: garten@abendblatt.de