Ämter regeln auch, was man neu anpflanzen darf. Migranten sind verpönt. Aber warum findet man dann Gingkos als Straßenbäume?

Ein Baum ist ein Baum. Dachten meine Frau Anke und ich jedenfalls. In unserem kleinen Mühlenpark im Wendland gibt es große und kleine, mit Laub und mit Nadeln, sommer- und immergrüne, einheimische und solche mit Wurzeln in fremden Ländern wie der Gingko aus China oder Koniferen aus Nordamerika. Und natürlich Eichen und Buchen, Birken und Kiefern, Linden oder Lärchen. Einheimisch. Deutsch, ohne Migrationshintergrund.

Gibt es richtige und falsche Bäume? Die Hansestadt hat dafür natürlich ein eigenes Regelwerk, die „Hamburger Baumschutzverordnung vom 17. September 1948“. Nach „HmbBL I 791-i“, so die Kurzform, sind zum Beispiel Obstbäume keine richtigen Bäume und solche mit weniger als 25 Zentimeter Durchmesser auch nicht. Denn die dürfen gefällt werden. Wer aber dickere Bäume ohne Genehmigung umholzt, bekommt es mit der Staatsgewalt zu tun und muss ein Bußgeld zahlen. Das ist im Höchstfall mit bis zum 50.000 Euro deutlich höher, als wenn man mehr als eine halbe Million an Steuern hinterzogen hat. Eine Gefängnisstrafe auf Bewährung droht nicht, aber stattdessen der Ruf eines Baumfrevlers. Was wirklich schlimm ist. Allein das Wort wird bei vielen Menschen mit so gespitzten Lippen gesprochen, dass es fast klingt wie pädophil. Oder so. Das ist auch, im Prinzip, in Ordnung. Denn Bäume sind grüne Lungen für unsere Umwelt, bieten Vögeln und zahlreichen anderen Tieren den notwendigen Lebensraum.

So weit dachten die Väter der Verordnung damals nicht, im Jahr 1948. Als in den kalten Nachkriegswintern die Kohle knapp und teuer war, griffen viele Hamburger zur Axt und schlugen Brennholz – auch in öffentlichen Parks. „HmbBl I 791-i“ war eine Erfolgsstory. Mit rund einer Million Bäumen im sogenannten öffentlichen Raum, also an Straßen und in Parks, ist Hamburg wohl zu Recht eine der „grünsten“ Städte Deutschlands. Dabei sind die Bäume in privaten Gärten nicht einmal mitgerechnet. Ein gibt sogar ein Baumkataster mit einer Art Krankenakte für bedrohte Exemplare, damit sie gehegt und gepflegt und notfalls gestützt werden können.

Was mich aber zusehends aufregt, ist die Tatsache, dass die Managementbüros des öffentlichen Raums, wie die Gartenbauämter heute heißen, an die Bürger strengere Maßstäbe anlegen als an sich selber. Die Zahl der Bäume an Straßen, in den Parks und an öffentlichen Plätzen ist in Hamburg stetig zurückgegangen, was von der jeweiligen Opposition beklagt wurde. Gut, manchmal mussten sie Platz machen für den Wohnungsbau. Tausende ältere Bäume wurden aber auch deswegen nicht ersetzt, weil die Stadt kein Geld dafür hatte. Da gilt dann das Prinzip, dass eine Verwaltung nur so viele Bäume pflanzt, wie sie auch pflegen kann.

Die Entscheidung, welche Bäume gefällt werden, treffen die Ämter selbst. Ein Bürger aber muss einen Antrag stellen (50 Euro) und ein Sachverständigengutachten (200 bis 500 Euro) beilegen, dass der zu fällende Baum so krank und schwach ist, dass er spätestens beim nächsten Sturm für Mensch und Haus eine Gefahr darstellt. Eine Begründung, wonach der Baum Haus und Wohnung so in den Schatten stellt, dass man schon zum Frühstück Licht einschalten muss, ist genauso wenig Erfolg versprechend wie eine Allergie gegen Pollenflug. Da hilft kein Klagen. Musterprozesse sind längst geführt.

Dann muss eine Fachfirma den Baum fällen (1000 bis 5000 Euro), ehe man einen neuen pflanzen darf. Man kann noch zwischen einheimischen Gehölzen wie Buche, Eiche und Linde wählen. Im anschließenden Bescheid steht noch der Mindeststammumfang von 18 bis 20 Zentimetern (je nach Sorte 400 bis 600 Euro). Widerstand verspricht wenig Erfolg. Schon Säulenformen heimischer Gehölze gelten als verpönt, Bäume, deren Heimat nicht Mitteleuropa ist, haben keine Chance.

Die Stadtwohnung von Anke und mir liegt in Hamburg in einer Straße mit lauter Gingko-Bäumen. Die sind schön und ideale Straßenbäume, weil resistent unter anderem gegen Abgase und Streusalz. Leider aus China. Und leider sind zwei der 20 Bäume weiblich. Deren Früchte stinken im Herbst so, als ob ein Siel undicht wäre.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth

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