Die Maulbeere trägt nicht nur leckere Früchte. In unseren Gärten erlebt sie fern ihrer eigentlichen Heimat gerade ein Comeback.

Wissen Sie, was Kaiser Karl I. (747–814), Preußenkönig Friedrich der Große (1712–1786) und ich, kleiner Hobbygärtner im Wendland, gemeinsam haben? Wir sind große Verehrer des Maulbeerbaumes. Ich berufe mich gern auf so bedeutende Personen, weil ich mal wieder ein Gehölz mit Migrationshintergrund für unsere heimischen Gärten vorschlage, was Öko-Puristen gar nicht gern sehen, die – ziemlich ausländerfeindlich, wie ich finde – möglichst nur einheimische Bäume wollen. Dabei ist nach Karl dem Großen ein bedeutender Preis für Verdienste um die europäische Einigung benannt.

Der Kaiser hatte seinen Untertanen den Anbau des ursprünglich in China und Vorderasien beheimateten Maulbeerbaums empfohlen, weil er sich um deren Ernährungsvielfalt sorgte. Er hatte dabei die brombeerartigen Früchte des Baumes im Sinn, der damals in den Mittelmeerländern schon weit verbreitet war – wegen der wohlschmeckenden Beeren und weil das Holz gute Klangkörper für Musikinstrumente hergab. Das Volk konnte mit Karls Idee nicht viel anfangen, die Aufzucht des Maulbeerbaums war den einfachen Bauern wohl zu aufwendig. Dafür überlebte der Maulbeerbaum in Klostergärten. Die Mönche kelterten aus den Früchten leckeren Wein. Man kann ja auch nicht immer nur beten und arbeiten. Ein mehr als 1000 Jahre alter Maulbeerbaum steht noch im Kloster Brauweiler im Rheinland.

Ein literarisches Denkmal setzte der römische Dichter Ovid dem Maulbeerbaum mit der Geschichte um die verbotene Liebe zwischen Pyramus und Thisbe. Die beiden stammten der Sage nach aus angesehenen Familien im biblischen Babylon, die aber miteinander verfeindet waren. Wahrscheinlich um durchzubrennen, verabredeten sich die jungen Leute vor der Stadt in einer Maulbeerbaum-Plantage. Die schöne Thisbe war schon ein wenig früher gekommen. Plötzlich tauchte eine Löwin auf, die zuvor eine Kuh gerissen hatte. Thisbe floh in eine Höhle, verlor dabei aber einen Schal. Mit dem spielte das Tier – sein Maul noch blutbefleckt –, bis es sich dann trollte. Pyramus fand den blutverschmierten Stofffetzen und stürzte sich verzweifelt in sein Schwert. Als Thisbe sich endlich aus der Höhle traute, fand sie ihn sterbend vor – und entleibte sich ebenfalls mit der Waffe des sterbenden Geliebten. Als ihr Blut die Wurzeln eines Maulbeerbaums erreichte, wurden seine Früchte tiefrot. Seither gibt es zwei Sorten: eine mit weißen und eine mit rot-schwarzen Beeren. Ovid inspirierte mit dieser Geschichte Maler und Bildhauer. Bei Shakespeare rühren uns Pyramus und Thisbe als Romeo und Julia zu Tränen. Meine Frau Anke nennt die Maulbeere nur den Liebesbaum.

Friedrich der Große hatte mit dem Anbau der Bäume weniger die rührende Lovestory im Sinn als vielmehr den landwirtschaftlichen Fortschritt und eine Möglichkeit, die wegen seiner vielen Kriege chronisch kranke Staatskasse aufzufüllen. Denn auf den Bäumen sollten die Seidenraupen ihre kostbaren Fäden spinnen. Er spendierte Samen und Raupeneier. Experten aus dem Ausland berieten die ahnungslosen märkischen Bauern. 1784 waren auf preußischen Maulbeerbäumen immerhin 13.432 Pfund Seide entstanden – allerdings auch nur fünf Prozent dessen, was Preußen an Seide importierte. Preußen war nicht China. Hier war es oft zu kalt, und die Bauern hatten einfach nicht genügend Zeit, sich um die empfindlichen Raupen zu kümmern. Nach dem Tod Friedrichs wurde die Subventionierung der Seidenzucht eingestellt. Im brandenburgischen Zernikow zum Beispiel hat noch eine der alten Alleen Kriege und Winter überlebt.

Seit einigen Jahren erleben Maulbeerbäume auch in unseren Gärten ein Comeback – sowohl der Weiße als auch der Schwarze Maulbeerbaum. Dessen schwarz-rote Beeren schmecken besser, dafür ist der mit den hellen Früchten frosthärter. Beide wachsen auch bei uns gut – am besten in voller Sonne und windgeschützt in lockeren Böden. Damit sie nicht zu groß werden für kleinere Gärten, können sie im März beschnitten werden. Es gibt mittlerweile aber auch schon Buschformen und kleinere Arten mit hängenden Zweigen. Im Hochsommer brauchen sie gut Wasser, fast so viel wie Rhododendren.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Sie erreichen mich unter: garten@abendblatt.de