Wer an einer Fachhochschule promovieren möchte, braucht eine Partneruniversität. Die Promovenden arbeiten an praxisbezogenen Themen. Wir stellen drei Kandidaten vor

Die thermische Umwandlung von Abfallstoffen und Biomasse in flüssige Energieträger – dafür interessiert sich nicht nur Christian Augustin in seiner Doktorarbeit. „Ein hochgradig spannendes Zukunftsthema, da haben schon mehrere Unternehmen angeklopft“, sagt der 38-Jährige, der seit gut fünf Jahren an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) promoviert. Solch praxisnahe Forschung entwickle man eben nicht nur auf dem Papier, sondern könne sie auch umsetzen. „Das motiviert ungemein.“

An einer Fachhochschule promovieren – an der HAW haben das vor einigen Jahren nur eine Handvoll Absolventen in Angriff genommen. Schon weil das Promotionsrecht den Universitäten vorbehalten ist. Wer seinen Doktor an einer Fachhochschule machen möchte, braucht dazu eine Partneruni. Seit dem Jahr 2009 schloss die HAW deshalb mit der University of West of Scotland (UWS) einen Kooperationsvertrag, vor einigen Monaten zudem mit der Universität Politécnica de Valéncia (UPV) in Spanien. „Seit der Zusammenarbeit mit der UWS verzeichnen wir eine beständige Steigerung bei den Doktoranden“, sagt Professor Zita Schillmöller, die das Promotionskolleg der HAW leitet.

Wurden im Jahr 2009 noch 50 Doktorarbeiten betreut, komme man aktuell auf 105 Arbeiten. Inzwischen werde die HAW aber auch direkt von Unternehmen angesprochen, die selbst Promotionsstellen anbieten. Bei der Zusammenarbeit mit einer Universität zeigt sich die HAW grundsätzlich flexibel. „Wir unterstützen es, wenn die Doktoranden einen Forschungspartner suchen, der zu ihnen und ihrem Thema passt“, sagt Schillmöller.

Thema Frauengesundheit und zwei Professorinnen als Doktormütter

So wie bei Augustin, der erst mit der UWS begann, dann aber auf die Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg umschwenkte. „Ich habe eine Tochter und arbeite voll im Unternehmen, das kollidierte mit dem straffen Zeitplan der UWS“, sagt Augustin. Marlies Jöllenbeck, die im vergangenen Jahr ihre Doktorarbeit abschloss, entschied sich für die Universität Bremen. Ihr Thema: Identifikation wirksamer Interventionsmaßnahmen zur Stillförderung. „Frauengesundheit war der Schwerpunkt meiner Doktormutter dort“, sagt Jöllenbeck. Dass eine Professorin in Bremen und eine Professorin an der HAW ihre Promotion unterstützten, empfand sie als Bereicherung. „Der Austausch verlief reibungslos, und zwei unterschiedliche Arbeitsweisen erweitern den Horizont“, sagt sie. Die Stärke der HAW in der Anwendungsorientierung und die der Universität in der Grundlagenforschung hätten sich bestens ergänzt. Dieser Meinung ist auch Johannes Hinckeldeyn, der die UWS in Schottland als Partneruni wählte und in seiner Doktorarbeit untersuchte, welche Maßnahmen den Engpass an Ingenieuren bei Entwicklungsprozessen ausgleichen können.

Nach der Promotion gehen 25 Prozent der Absolventen in die Forschung

„In Großbritannien bewertet der Doktorvater nicht wie in Deutschland später auch die Arbeit“, sagt Hinckeldeyn. Seiner Meinung nach ein klares Plus: „So war ich unabhängiger und fühlte mich nicht verpflichtet, jeden Vorschlag meiner Betreuer anzunehmen.“ Vier bis sechs Wochen im Jahr verbrachte er an der UWS, um sich vor Ort mit seinem Doktorvater dort auszutauschen – zum Teil finanziert durch die HAW und die Dr. Friedrich Jungheinrich-Stiftung. Viele der in dieser Zeit geknüpften Kontakte währen noch heute. Sonst kommunizierte er regelmäßig per E-Mail. Vor dem Abgabetermin schickte er seine Arbeit nach Schottland und erhielt sie wenige Tage darauf mit Anmerkungen zurück, per Video-Konferenz wurden dann Detailfragen geklärt.

In der HAW stehen nicht nur die betreuenden Professoren den Doktoranden zur Seite. Das eigens zur Unterstützung eingerichtete Promotionskolleg bietet eine umfassende persönliche Beratung an. „Bei einer Promotion gibt es immer Höhen und Tiefen“, sagt Schillmöller. Interdisziplinäre Workshops greifen zudem unterschiedliche Felder auf, die bei der wissenschaftlichen Arbeit immer wichtiger werden. So nahm Jöllenbeck an Kursen für Statistik und Methodik teil. „Diese Vertiefung war sehr hilfreich für meine Doktorarbeit“, sagt sie. Augustin hingegen trainierte auf diese Weise wissenschaftliches Schreiben und seine Rhetorik, Hinckeldeyn wählte Workshops zu Wissenschaftsphilosophie, Statistik und der Statistik- und Analysesoftware SPSS. „Später musste ich alle Ergebnisse der Simulationen mit SPSS auswerten. Das wäre ohne den entsprechenden Lehrgang kaum machbar gewesen“, sagt Hinckeldeyn rückblickend.

Schon weil gradlinige Lebensläufe unter HAW-Absolventen keineswegs die Regel sind, versucht man auch sonst flexibel auf den Einzelnen einzugehen. Jöllenbeck, zum Beginn ihrer Doktorarbeit gerade zum zweiten Mal Mutter geworden, konnte einen Großteil ihrer Aufgaben im Home-Office erledigen. Und Augustin verbringt von der 40-Stunden-Woche für seine Firma, die das Forschungsprojekt unterstützt, im Schnitt zehn Stunden an der HAW.

Die Wege nach der Promotion verlaufen ebenfalls in unterschiedliche Richtungen. „Etwa 25 Prozent der Absolventen gehen in den Bereich der Forschung“, sagt Schillmöller. Andere beginnen in Firmen oder Institutionen. Jöllenbeck entschied sich, vorerst an der HAW zu bleiben. Dort wirkt sie inzwischen als Lehrbeauftragte an der Fakultät Life Science. „Mit der Promotion konnte ich mein Profil schärfen“, sagt Jöllenbeck. Zudem biete der Lehrstuhl ihr die Möglichkeit, ihre Expertise um das Themenfeld Gesundheitsförderung und Prävention weiter auszubauen.