Der Düsseldorfer Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann präsentiert scheinbar Normales in der Schau “Kunstausstellung“

Hans-Peter Feldmann stößt die hehre Kunst nicht mit Gewalt vom Sockel. Allerdings bittet er sie freundlich, dort oben ein wenig zur Seite zu rücken, damit der Humor neben ihr auch noch Platz findet. Indem er die Kunst dazu bringt, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen, führt er sie schließlich sacht vom musealen Podest herab und dem Betrachter entgegen. "Kunst sollte eine Möglichkeit des Alltags sein", sagt Feldmann, der 1941 in Hilden bei Düsseldorf geboren wurde. Ein kolossales Beispiel für seine von Witz und Geist gekennzeichnete Kunst steht jetzt auf dem Deichtorplatz.

Auf einem drei Meter hohen Sockel prangt Michelangelos "David" von 1504, neu interpretiert von Feldmann. Statt aus edlem Marmor wurde dieser sechs Meter große, moderne Jüngling aus Styropor geformt, seine Haut besteht aus wetterfestem Harz, und er trägt eine poppige Bemalung zur Schau. Mit quietschrosa Haut, grellgelbem Haar und kirschrotem Kussmund büßt David einiges von seiner heroischen Erhabenheit ein, die ihm seit der Hochrenaissance allgemeine Bewunderung einträgt. Feldmanns Skulptur verweist auf die antiken Statuen Griechenlands. Gleichzeitig ist der 2006 geschaffene Koloss ein Sohn der Gegenwart. Er stellt den Traum von der idealen Schönheit infrage, die für Michelangelo ein Abglanz göttlicher Schönheit war. "Feldmanns Werke bringen uns auf subtil-hintergründige Weise dazu, die Mängel und Ungereimtheiten unserer Alltagsrealität gegenüber polierten Wunschvorstellungen anzuerkennen", so Deichtorhallenleiter Dirk Luckow.

In der Halle für aktuelle Kunst kann Feldmanns Universum in seiner thematischen Fülle nun entdeckt werden. Erläuterungen zu der Schau, die ganz feldmanntypisch den unprätentiösen Titel "Kunstausstellung" trägt, und die er selbst eingerichtet hat, sind nicht nötig. Denn der Düsseldorfer, der heute als Kultfigur der Konzeptkunst gilt, sieht Kunst als "ganz banale Sache für jedermann". Er rückt Gegenstände ins Licht, die ihr Dasein eigentlich am Rand der allgemeinen Aufmerksamkeit, vor allem der des Kunstbetriebes fristen: darunter zum Beispiel Frauenknie, Schuhe, Kühlschränke, Erdbeeren oder Locherschnipsel. Feldmann interessiert sich nicht für das Herausragende, sondern für das Banale und Normale. "Es gibt pro Tag zehn Minuten Glücksmomente", erklärt der Künstler. "Ich aber habe am Rest des Tages Interesse, an den 23 Stunden, 50 Minuten, die keine Höhepunkte enthalten, keine Glücksmomente bringen. Daraus besteht ja das große Leben."

Feldmann ist ein Sammler: Seit den 60er-Jahren trägt er profane Gegenstände und vor allem Bilder aus Zeitschriften und Zeitungen sowie alten Fotoalben zusammen. Fotografien, die er gefunden oder selbst aufgenommen hat, löst er aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus und arrangiert sie neu. Er stellt die Abbildungen zu Serien zusammen und konstruiert so Geschichten, die dem Betrachter auch eine Möglichkeit zur individuellen Identifikation eröffnen. So schuf er 1974 zum Beispiel die Serie "Alle Kleider einer Frau", in der er die komplette Garderobe einer Frau vorführt. Jedes Stück wurde einzeln dokumentiert, das heißt auf dem Boden liegend oder sorgfältig an einem Bügel hängend abgelichtet - Nylonstrumpfhosen, Schuhe, Kleider, Röcke, Jacken, sogar Stofftaschentücher und ein Paar Schlittschuhe.

Seine Bilderserien präsentiert uns Feldmann so, als seien sie Zufallsfunde: Bilder von Sonnenuntergängen, Autoradios, Lippen, Waschmaschinen, Aufnahmen vom Eiffelturm zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten. Anschließend ist es an uns, die Bilder mit Bedeutung zu füllen. Haben wir das vollbracht, verändert sich unser Blick auf die Welt. "Er lässt uns den Alltag neu sehen und fischt aus Ecken, die uns abgegriffen und überholt erscheinen, eine Aktualität", sagt Luckow. Sein Humor leistet Feldmann dabei ausgezeichnete Dienste. So nimmt er sich etwa Gemälde aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert vor, repräsentative Porträts von Leuten der oberen Mittelklasse.

Kleine Änderungen unterwandern diese Zeugnisse gesetzten Wohlstandes: Feldmann verpasste den Porträtierten hier eine rote Clownsnase, dort einen leicht dämlich wirkenden Silberblick. Auch eine Reihe von historischen Seestücken verwandelte er recht drastisch, indem er Schiffe, die dort ursprünglich durch die Wellen pflügten, einfach entfernte. Aktdarstellungen oder Bilder von Revuegirls verfremdet Feldmann mit breiten schwarzen Balken, die in den Medien üblicherweise dazu dienen, Kriminelle unkenntlich zu machen.

Feldmann untergräbt überlieferte künstlerische Werte, indem er Kitsch und Kunst, Original und Reproduktion, Amateurprodukt und Professionelles, Privatfoto und Werbebild vermischt. Die Grenze zwischen Kunst und Leben verschwimmt. Durch die Allgegenwart von Reproduktionen tritt Feldmanns Autorschaft hinter seinen Werken zurück, die er grundsätzlich nicht signiert. Bilder, findet er, gehören allen. Nachdem der Künstler sich in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren einen Namen erarbeitet, zog er sich 1980 aus der Kunstszene zurück. Er betrieb in Düsseldorf einen Laden für Geschenke und Souvenirs, produzierte Blechspielzeug und wandte sich knapp zehn Jahre später wieder seiner Kunst zu. In den Deichtorhallen stellt Feldmann jetzt Werke aus vier Jahrzehnten aus. Neben den Bildern und Bilderserien sind auch Skulpturen aus Alltags- und Flohmarktfunden sowie Installationen zu sehen.

Feldmann bündelt Briefmarken, türmt Bücher auf, versieht goldene Pumps mit Heftzwecken, woraufhin sie nur noch ein Fakir tragen könnte. Weibliche Attribute haben es ihm ohnehin angetan. So kaufte Feldmann zwölf ihm unbekannten Frauen ihre Handtaschen ab, 500 Euro gab er jeweils hin, und bekam dafür ein geheimnisumwittertes Stück Alltag. Er packte die Taschen aus und stellt ihren Inhalt zur Schau, Schlüssel und Feuerzeuge, Tampons und Sonnenbrillen, Aspirin, Pfefferminzbonbons, einen Rosenkranz. Die Handtaschen, so Luckow, seien "ein modernes Mysterium, das zu enthüllen und vorzustellen ihn reizte. Er wollte eine Lanze brechen für die pure Poesie des Lebens - eines Lebens, das in der Regel vom Ideal des Lebens abweicht".

Um das Ideale geht es auch in der Installation "Schattenspiel" von 2009. Das Werk besteht aus Fundstücken wie Spielsachen und Souvenirs, die sich auf Plattformen langsam drehen. Scheinwerfer beleuchten die Objekte, und ihre Schatten fallen auf eine Wand, wo sie sich vermischen und in immer neuen Kombinationen tanzen.

Einerseits setzt es Alltagsdinge in neues Licht. Anderseits klingen darin die Betrachtungen des altgriechischen Philosophen Platon an, der künstliche Bildwerke als trügerische Abbilder der Dinge einstufte, die ihrerseits ebenfalls Abbilder der einzig wahren Ideen sind. Nichts, so vermittelt Platon in seinem Höhlengleichnis im Dialog "Der Staat", liege weiter von der Wahrheit entfernt als die Schatten von künstlich hergestellten Dingen.

"Hans-Peter Feldmann. Kunstausstellung" 1.3. bis 2.6., Deichtorhallen/Halle für aktuelle Kunst, Deichtorstraße 1-2, Di-So 11.00-18.00, jeden ersten Do im Monat 11.00-21.00, Katalog 29,80 Euro