Hamburgs emeritierter Erzbischof Ludwig Averkamp hat jetzt eine Gebetsschule gegründet. Warum?

Ich spürte, dass das Gebet so unentbehrlich für die Seele war wie Nahrung für den Körper", schreibt Gandhi in "The Nation's Voice". Vielen Menschen mangelt es an geistlichem Proviant, doch sie kennen die Rezepte gegen den seelischen Hunger nicht mehr. Für sie hat Hamburgs emeritierter Erzbischof Ludwig Averkamp (77) eine "Gebetsschule" begründet: Im St.-Ansgar-Haus an der Hamburger Schmilinskystraße 78, im Haus St. Ansgar des Klosters Nütschau in Travenbrück und im Parchimer Edith-Stein-Haus treffen sich regelmäßig Gesprächskreise mit sechs bis zwölf Teilnehmern zum Erfahrungsaustausch: Was ist Beten?

"Beten beginnt schon, wenn man irgendwo unterwegs ist und auf einmal innehält, nach oben schaut und fragt: Was soll das eigentlich alles? Warum mache ich das? Führt das eigentlich irgendwohin?", sagt Averkamp. "Das Gebet ist der Atem des Glaubens. Glaube heißt ja nicht nur, bestimmte Wahrheiten für wahr zu halten. Glaube wie Gebet ist ein Rufen, ein Hineinrufen ins Dunkel: Gott, bist du da? Es ist notwendig, auf die Gassen zu schauen, wenn man seine Wege geht. Aber wehe dem, der da nicht mehr zu den Sternen aufschaut! Nur wer die Frage nach dem Horizont seines Lebens in sich hochkommen lässt, hat eine Chance, auch zum Beten zu kommen. Dazu aber bedarf es der Wegbegleiter. Es muss andere geben, Betende, die die Hände ausstrecken und sagen: Komm, ich geh mit."

In Averkamps Gebetsschule sind das keine Kirchenfunktionäre, sondern Gläubige wie ein Student aus Kiel oder die 82 Jahre alte Witwe aus Parchim - Menschen, die wissen, dass selbst gestandene Christen beim Beten plötzlich den Kontakt verlieren können. Und dass auch Gebete nicht vor den Zweifeln einer aufgeklärten Welt bewahren, wie sie der Kabarettist Eckart von Hirschhausen so treffend formuliert: "Warum heißt es, wenn ich zu Gott spreche, ,Gebet', aber wenn Gott zu mir spricht, Psychose'?"

Averkamps Gebetsschüler lernen die Sprache der Seele in vier abgeschlossenen Themen-Einheiten: "Ist Beten leicht? Ist Beten schwer?" handelt von Schwierigkeiten wie Unlust, Trockenheit oder Zerstreuung. "Alte Gebetsweisen neu entdecken" umfasst Danksagen, Anbeten, Hingabe und ihren Zusammenhang mit der Eucharistie. "Täglich glauben, täglich beten" behandelt Morgen- und Abendgebet als Angelpunkt. "Gotteswort und Menschenantwort im Zwiegespräch" beschreibt unsere Suche nach Gott, Gottes Suche nach den Menschen. Unser Beten in Christus. Das Seufzen des Geistes in uns. Gebete als göttliche Gaben. "Mit der Gebetsschule ist ein erster Stein ins Wasser geworfen", sagt Averkamp und hofft, dass sein Projekt vielen Seelen hilft, wieder satt zu werden. Denn auch das sagte Gandhi: "Der Körper braucht oft das Fasten, um sich gesund zu halten, doch ein Gebetsfasten gibt es nicht - Sie können sich keinesfalls am Beten überessen."

  • Die nächsten Termine: 5.-7.11. Hamburg, Tel.040/284 25-195. 12.-14.11. Nütschau Tel.04531/50 04-140. 19.-21.11. Parchim Tel. 03871/62 51-11. Kosten: 80 Euro pro Wochenende.