Zwei Jahre wohnten die Bayvals im Kirchenasyl. Ein Leben zwischen Hoffnung und Angst. Immer wieder wurde die kurdische Familie von der Abschiebung bedroht. Bis das Wunder geschah: Sie dürfen in Deutschland bleiben, für immer. Wir haben sie in ihrer neuen Wohnung besucht. Eine moderne Weihnachtsgeschichte

Er hat den Raum nicht wieder betreten. Wollte es nicht. Konnte es nicht. Auch jetzt werden seine Schritte langsamer, als Bedrettin Bayval sich der schmalen weißen Holztür nähert. Dann schließt er auf - und blickt in die Vergangenheit. An der Wand lehnt ein rotes Bettgestell. Es gibt einen schmalen Schrank, einen Tisch, ein Waschbecken. An der Decke schaukelt eine Glühbirne. Vor den Fenstern sind Gitterstäbe. Die 15 Quadratmeter im Souterrain des Gründerzeithauses auf dem Gelände der Großborsteler Gemeinde St. Peter waren seine Zuflucht - und auch ein Ort des Einsamkeit und des Zweifelns. Ein Jahr und zwei Monate hat Bedrettin Bayval hier im Kirchenasyl ausgeharrt, die Angst vor der drohenden Abschiebung ständig im Nacken. Jetzt ist es ein Abstellraum. Der Mann mit den dunkeln Augen bleibt in der Nähe der Tür stehen. "Ich will an die alten Sachen nicht erinnert werden", sagt er und hält seinen dicken Schlüsselbund ganz fest in den schmalen Händen.

Ortswechsel: Wenn sie alle zusammen sind, ist es richtig. Dann ist die Familie ganz. Sieben Bayvals sitzen um den großen Tisch in der Küche. Die Mutter hat gekocht. Suppe aus roten Linsen, gebratener Hering, Reis, Salat. Dazu gibt es dünnes Brot. Kurdische Worte fliegen durch den Raum, deutsche. Manchmal alles in einem Satz und oft unterbrochen von Lachen. Seit gut einem Jahr wohnen sie in dem hell gestrichenen Haus, direkt im Zentrum einer niedersächsischen Kleinstadt. Fünf Zimmer im ersten Stock, genug Platz für alle - eine Herberge. "Jetzt leben wir wirklich", wird Hüseyin, der älteste Sohn, später sagen.

Er meint das Leben nach dem Warten, nach der Ungewissheit, nach der Angst. Er meint das Leben nach dem Kirchenasyl - und nach dem Urteil der Richter, die entschieden, dass die Bayvals bleiben dürfen. Das Ende einer langen Flucht, eines Lebens im Verborgenen in einer Grauzone zwischen Duldung und Illegalität.

Begonnen hatte es vor 15 Jahren. Bedrettin Bayval und seine Frau Tenzila verließen in einen Lastwagen ihr Dorf im Südosten der Türkei, um in Deutschland Asyl zu finden. Es waren gefährliche Zeiten für Kurden. Seit Mitte der 80er-Jahre tobte ein blutiger Kampf um ein unabhängiges Kurdistan. Immer wieder holten Sicherheitskräfte der Regierung in den Bergdörfern nahe der irakischen Grenze Männer aus den Häusern, auch Frauen. Sie wurden verhört, manche gefoltert. Die Regierung hatte den Ausnahmezustand verhängt, sie wollte Informationen über die Kurdenpartei PKK und ihre Aktivisten. Auch Bedrettin und Tenzila Bayval wurden mehrfach misshandelt. Ende Oktober 1996 flohen sie. 24 und 27 Jahre alt. Die vier kleinen Kinder ließen sie bei den Großeltern.

Irgendwann nach unzähligen Stunden hielt der Lastwagen an. Sie mussten aussteigen. "Es war dunkel", erinnert sich Bedrettin Bayval. "Ich wusste nicht, ist das wirklich Deutschland." Sie waren in Karlsruhe. Sein Schwiegervater kam, um sie abzuholen. Am 1. November 1996 stellte Bedrettin einen Asylantrag in Braunschweig. Einige Wochen später kamen die vier Kinder nach. Wie? Darüber schweigt die Familie. Als Wohnort wurde ihnen ein Flüchtlingsheim im Landkreis Diepholz zugewiesen. "Wir dachten damals, wir wären endlich in Sicherheit und in Freiheit", sagt der heute 39-jährige Familienvater. Aber es war nicht das Ende, es war der Anfang ihrer Suche nach einem Platz zum Leben.

Der Asylantrag der Bayvals ging durch alle Instanzen - und wurde abgelehnt. Sieben Jahre dauerte das. Sieben Jahre, in denen sie in einem Flüchtlingsheim lebten. Serhat, der jüngste Sohn, wurde dort geboren. Sie hatten ein Zimmer und eine Duldung nach der anderen. Es waren Wochen, manchmal auch nur einige Tage. "Ganz schlimm", sagt Tenzila Bayval, die mit 19 Jahren ihr erstes Kind bekommen hatte. Das, was ihr in der Türkei widerfahren war, hatte sich wie ein schwarzer Schatten auf ihre Seele gelegt. Sie funktionierte, versorgte die Familie - und hoffte. "Ich habe viel gebetet", erzählt die 42-Jährige, die ein Kopftuch mit den Farben Kurdistans trägt und deren Deutsch nur aus Bruchstücken besteht. "Man muss Geduld haben." Aber die Ungewissheit fraß sich wie ein Krake in das Leben der Familie. Der kleine Serhat bekam Asthma. Die Gehbehinderung, an der die Mutter seit ihrer Kindheit leidet, wurde schlimmer. 2003 bekamen sie eine Wohnung. Und kurz darauf im Oktober den Bescheid, dass sie zurück in die Türkei sollten. Die Behörden hatten ihren Asylantrag endgültig abgelehnt.

Im Wohnzimmer stapeln sich Fotoalben auf dem niedrigen Tisch vor den schwarzen Ledersofas. Darüber hängt ein Bild aus Mekka. In die große Glasvitrine hat die Mutter aprikotfarbene Teller und Tassen gestellt. Türkisches Geschirr, das sie so liebt. Sadiye, die älteste Tochter, ist mit ihrem dreijährigen Sohn Rohat zu Besuch. Wie häufig am Wochenende. Sie ist 23 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie in einer Nachbarstadt. Als die Nachricht von der Abschiebung kam, war sie 16 Jahre alt, besuchte die neunte Hauptschulklasse. "Ich erinnere mich genau an den Tag", sagt die junge Frau und in die feinen Gesichtszügen zieht ein Schatten. Vorher hatten sie und ihre Geschwister gekämpft, in der Schule Unterschriften gesammelt, den Bürgermeister getroffen - um doch noch das Recht zum Bleiben zu bekommen. "Auch unsere Lehrer haben sich für uns eingesetzt." Ohne Erfolg. Die Eltern tauchten sofort unter. "Zuerst blieben wir Kinder noch in der Flüchtlingsunterkunft. Es war eine schreckliche Zeit", sagt Sadiye. "Wir hatten immer Angst." Wieder holten die Eltern ihre Kinder in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach ein paar Tagen ab. Gemeinsam kamen sie bei Verwandten in Schleswig-Holstein unter. Jetzt waren sie Illegale. "Wir durften nicht aus der Wohnung", sagt Sadiye.

Doch sie hatten auch Glück. Auf ihrer Flucht vor der Abschiebung landeten sie bei einer Beratungsstelle der Diakonie und kamen so in die Elmshorner Gemeinde. "Das war unsere Rettung", sagt Bedrettin Bayval. "Dafür sind wir immer noch sehr dankbar." Die Gemeinde stellte zwei Container direkt neben der Kirche auf für Mutter und Kinder. Der Vater konnte nicht bleiben. Es gab keinen Platz für ihn. Er kam in einer geschützten Wohnung des Kirchenkreises unter. Einige Monate später nahm die Groß Borsteler Gemeinde St. Peter ihn auf.

Kirchenasyl ist nicht unumstritten. Die Gemeinden bewegen sich in einem Bereich zwischen Recht und Moral. Die Gemeinden melden Kirchenasyl an, der Staat toleriert es, meist stillschweigend, solange die Flüchtlinge sich auf kirchlichem Boden befinden. Das bedeutet: Die Flüchtlinge dürfen die Wohnung nicht verlassen, die Kinder können allerdings zur Schule gehen.

Bei den Bayvals dauerte es zwei Jahre. Eine lange Zeit für eine Familie mit fünf Kindern. "Ich war 13, als wir nach Elmshorn ins Kirchenasyl kamen", erzählt Emine. Jetzt ist sie 20 Jahre alt und sitzt neben ihrer Schwester auf dem Wohnzimmersofa. Von einem Tag auf den anderen sei in ihrem Leben nichts mehr wie vorher gewesen. Schule, Freunde - alles weg. "Wir waren auf einmal illegale Kinder." Geschämt habe sie sich, weil sie in Containern lebten. Es war klein, eng, manchmal schliefen sie in ihren Kleidern, weil es kalt war. "Mir war es peinlich, andere Kinder einzuladen." Aber sie waren nicht mehr allein. "Die Menschen in der Gemeinde haben sehr uns geholfen", sagt Emine.

Besonders schlimm sei die Trennung vom Vater gewesen. "Wir haben uns in der Zeit nie wie eine Familie gefühlt." Manchmal konnten sie ihn am Wochenende besuchen, aber immer nur zu zweit. "Dann haben wir gemerkt, wie schwer es auch für ihn ist. Er war immer traurig", sagt Enime. Es war eine harte Zeit. "Wir mussten wie Erwachsene denken, obwohl wir Kinder waren." Auch jetzt kommen die Erinnerungen noch manchmal hoch, "wie eine Narbe, die auf- und zugeht".

Parallel schoben die Migrationsfachleute der Diakonie in Elmshorn und Hamburg Asylfolgeanträge an. Auch sie wurden abgelehnt. Erst mit einem neuen Gutachten eines Psychiaters gelang die Wende. Die mühsame Beweisführung war typisch, denn es dauert oftmals Jahre, bis Traumatisierte wie die Bayvals über ihre schrecklichen Erlebnisse sprechen können. Die Erinnerungen sind zu schmerzvoll. Im Dezember 2005 gab es dann noch einen Gerichtstermin für die Eltern vor einem Verwaltungsgericht in Hannover. Ihre letzte Chance, um bleiben zu dürfen.

Der Anruf kam während des Unterrichts: "Mein Vater war dran und hat gesagt, dass wir bleiben können", sagt Hüseyin. Die Richter hatten den Bayvals Abschiebeschutz aus humanitären Gründen nach Paragraf 60.7 gewährt. "Die ganze Klasse hat mitgehört und sich mit gefreut." Die Monate davor waren fürchterlich gewesen. "Ich hatte das Gefühl, ich bin verloren", sagt Hüseyin. Aber sie hätten auch viel gelernt in der Zeit. "Wir Kinder mussten Verantwortung übernehmen." Es waren die Menschen in Elmshorn und Hamburg, der große christliche Unterstützerkreis, der sie getragen hat. "Ich weiß nicht, wie oft ich mich bedanken soll. Ohne diese Menschen wären wir nicht mehr da. Sie haben unser Schicksal gedreht."

Umso schwieriger war es, Elmshorn zu verlassen und wie vom Gericht angeordnet zurück nach Niedersachsen zu gehen. Sie brauchten eine Wohnung, der Vater eine Arbeit, die Kinder mussten die Schulen wechseln. "Es war ein steiniger Weg", sagt Sadiye, die Älteste. "Aber es hat uns zusammengeschweißt als Familie." Und nicht nur das, die Bayvals sind angekommen in Deutschland - trotz aller Schwierigkeiten. Zweimal sind sie inzwischen umgezogen, bis sie diese Wohnung fanden. "Wir brauchten ja etwas Großes und wir sind Ausländer", sagt Bedrettin Bayval. Lange war er in Therapie, fand keine Arbeit, bis ihm die Groß Borsteler St.-Peter-Gemeinde als Hausmeister einstellte. Die Kinder hatten es einfacher, bauten schnell zielstrebig an ihrer Zukunft: gehen zur Schule, machen eine Ausbildung oder arbeiten - und sind gleichsam der Gegenbeweis aller sarrazinscher Thesen. Sie suchen ihren Weg zwischen den Kulturen. Sie sind Kurden und fühlen sich als Deutsche. Es ist eine Herausforderung und eine Chance - kein Makel mehr.

"Ich habe gerade durch das Kirchenasyl viel über Deutschland und die Kultur gelernt", sagt Sadiye. "Ich habe jetzt ein sehr positives Bild vom Christentum und viele Ähnlichkeiten zwischen unseren Religionen entdeckt. Die Gebote, wie zum Beispiel: Du sollst nicht lügen oder du sollst nicht töten, sind die gleichen." Damals in Elmshorn seien sie und ihre Geschwister auch zum ersten Mal in einer Kirche gewesen. "Vorher dachte ich, da darf ich gar nicht rein." Jetzt bemühe sie sich, diese Offenheit auch an ihren Sohn weiterzugeben. "Wir müssen einander kennen, nur dann können wir uns verstehen." Auch ihre Eltern hätten sich geändert durch die Zeit im Verborgenen. "Sie sind offener, vertrauen uns und lassen uns viele Freiheiten." Sie sind stolz auf ihre Kinder. Dazu passt, dass der Vater meistens zuschaut, wenn seine beiden großen Söhne Hüseyin und Hasan im SV Mardin mit anderen jungen Kurden und Deutschen Fußball spielen.

Und in einigen Tagen wird der muslimische Hausmeister Bedrettin Bayval die beiden hohen Tannenbäume links und rechts des Altars in seiner Kirche in Hamburg aufstellen. Und sie mit 400 Lämpchen schmücken. Natürlich kennt er die Weihnachtsgeschichte. Er hört sie gern. Die Verse von Maria und Josef, die unterwegs waren, abgewiesen wurden und gerade noch rechtzeitig eine Herberge fanden. Es ist jedes Mal ein kleines Wunder. Ein bisschen so wie sein Leben und das seiner Familie.

Emine, 20 (links)

Der Moment, in dem ich gemerkt habe, dass ich in Deutschland angekommen bin, war, als wir zurück nach Niedersachsen kamen und ich das Ortsschild gesehen habe. Da habe ich gedacht, jetzt ist das Verstecken vorbei. Jetzt fängt das richtige Leben an. Und das stimmt auch. Ich mache seit August eine Ausbildung in einem Modeladen. Ich wollte das unbedingt. In Deutschland ist man ohne Ausbildung nichts. Vorher bin ich auch auf die Wirtschaftsfachschule gegangen. Aber die habe ich abgebrochen. Ich will lieber arbeiten. Ich habe freiwillig ganz viele Praktika gemacht. Und jetzt hat es geklappt. Ich finde es gut, Verantwortung zu haben. Das beste ist, dass der Laden nur fünf Minuten von unserem Haus entfernt ist. So kann ich mittags immer nach Hause kommen.

Sadiye, 23

Als mein Sohn geboren wurde, hatte ich das Gefühl, wirklich in Deutschland Wurzeln geschlagen zu haben. Er ist jetzt dreieinhalb Jahre alt. Ich habe mit 19 Jahren geheiratet. Mein Mann Erdal ist Kurde. Wir wohnen 50 Kilometer entfernt von meinen Eltern. Nach meinem Realschulabschluss habe ich erst mal eine Pause gemacht. Wegen Rohat. Seit August gehe ich auf die Fachoberschule Wirtschaft. Ich will mein Abitur machen und vielleicht studieren. Die Leiterin von Rohats Kindergarten hat mich gefragt, ob ich nicht andere ausländische Mütter unterstützen möchte. Als Mentorin. Damit will ich anfangen, sobald ich die Schule fertig habe. Ich habe auch die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Deutschland ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen und hier möchte ich leben.

Tenzila Bayval, 42

Ich habe immer gehofft, dass es besser wird, wenn wir in Deutschland sind. Und viel gebetet. Es war alles sehr schwer. Als wir im Kirchenasyl waren, durfte ich ja gar nicht raus. Die Menschen in Elmshorn waren so gut zu uns. Jeden Tag ist jemand zu Besuch gekommen. Die haben auch den Kindern mit der Schule geholfen. Und mir auch. Ich habe im Container Lesen und Schreiben gelernt. So viel Hilfe, ich bin sehr dankbar. Jetzt ist es manchmal ein bisschen einsam. Die Kinder sind in der Schule oder arbeiten, mein Mann ist in Hamburg. Ich koche, mache den Haushalt. Es ist gut, dass meine Eltern in der Gegend wohnen. Wir besuchen uns oft.

Serhat, 14

Als das Kirchenasyl vorbei war, war ich glücklich und auch ein bisschen unglücklich, weil wir aus Elmshorn wegmussten. Ich wäre gern geblieben. Mit dem Kirchenasyl war das für mich nicht so ernst. Ich war ja noch sehr klein und habe vieles nicht verstanden. Aber ich habe natürlich die Angst und die Spannungen mitbekommen. Jetzt gehe ich in die achte Klasse in der Realschule. Es läuft, ich muss nicht so viel lernen. Meine Freunde sind meistens auch Ausländer, aber es sind Deutsche dabei. Ich fühle mich mehr als Kurde. Aber meine Heimat ist Deutschland. Wenn ich entscheiden könnte, würde ich sagen, dass alle Flüchtlinge bleiben könnten.

Hüseyin, 22 (links)

Ich arbeite jetzt in einem großen Fleischbetrieb. In der Rinderabteilung. Das passt, weil ich Moslem bin. Ich fange um drei Uhr morgens an. Die Arbeit ist gut. Nach dem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung als Schlachter gemacht. Das war in einem türkischen Betrieb. Danach habe ich mein Abitur gemacht. In meiner Freizeit spiele ich Fußball beim SV Mardin in einem Nachbarort. Mardin ist die Stadt in der Gegend, wo meine Eltern herkommen. In der Mannschaft spielen viele Kurden. Ich bin Kapitän. Seit einiger Zeit betreue ich jeden Donnerstag ausländische Jugendliche. Ich helfe bei den Hausaufgaben. Und wir reden viel. Die fragen mich ziemlich oft um Rat, wenn sie Schwierigkeiten haben. Es sind Moslems dabei und auch Christen. Deswegen reden wir nicht über Politik und Religion, das gibt nur Ärger.

Hasan, 19

Ich fühle mich wie ein Deutscher. Mein Zuhause ist hier. Im Moment gehe ich auf die Fachoberschule Wirtschaft. Die ist in Bremen. Ich stehe jeden Tag um 5.30 Uhr auf und fahre mit dem Zug. Ich muss viel lernen. Meine Lieblingsfächer sind Rechnungswesen und BWL und Mathe. Ich will Abi machen und habe schon einen Ausbildungsplatz. Ich spiele zusammen mit Hüseyin im SV Mardin. Ich bin Verteidiger. Meine Freundin ist auch Kurdin. Wir sind schon seit mehr als zwei Jahren zusammen.

Bedrettin Bayval, 39

Die erste Zeit nach dem Kirchenasyl war schwer. Wir mussten ganz von vorn anfangen. Ich habe versucht, Arbeit zu finden. Egal was. Aber ich habe nichts bekommen. Nur Aushilfejobs auf dem Feld. Hier in der Gegend wird viel Gemüse angebaut. Das kannte ich. In der Türkei habe ich auch in der Landwirtschaft gearbeitet. Fast anderthalb Jahre ging das so. Wir bekamen Sozialhilfe, aber ich wollte doch für die Familie sorgen. Und dann hat mir der frühere Pastor von St. Peter in Groß Borstel den Hausmeisterposten angeboten. Ich habe mich sehr gefreut und gleich zugesagt. Obwohl ich jetzt pendeln muss. Von Montag bis Freitag bin ich in Hamburg, am Wochenende bei der Familie zu Hause. Weil ich Moslem bin, musste eine Extra-Erlaubnis beantragt werden, damit ich bei der Kirche arbeiten darf. Das hat glücklicherweise geklappt. Seit vier Jahren bin ich inzwischen Hausmeister. Ich mache alles. Reparaturen, Rasen mähen, Putzen und die Kirche schmücken und Gottesdienste vorbereiten. Ich mache alles gern. Alle sind hier sehr nett. Auch der neue Pastor. Dass ich einen anderen Glauben habe, spielt keine Rolle.