Jan Gawryluk, neuer Bundesvorsitzender der Friedhofsverwalter, will Privilegien bewahren und muss aber gleichzeitig einen Aufbruch wagen.

Pinneberg. "Ich bin stinknormal. Das kann eigentlich jeder", sagt Jan Gawryluk. Der Mann im hellblauen Hemd verzieht sein Gesicht, guckt auf den Boden in seinem Pinneberger Büro und denkt darüber nach, was er gerade gesagt hat. Das Parkett der Öffentlichkeit ist für ihn, einen, der lieber im Hintergrund arbeitet, neu. Doch der Chef des Kommunalen Servicebetriebs muss und will da jetzt durch - seit ein paar Tagen ist sein Name in Deutschland ein Begriff, zumindest bei den Kennern eines der größten Wirtschaftszweige, über den meist geschwiegen wird. Er ist neuer Bundesvorsitzender der Friedhofsverwalter, eine der mächtigsten Interessenvereinigungen dieser Art, und er ist jetzt plötzlich auch Lobbyist.

Auf den 25 000 Friedhöfen seiner Verbandsmitglieder werden jährlich mehr eine Milliarde Euro umgesetzt. Für die Gegner seines Verbandes sind das Geschäfte dank alter Pfründe. Für Gawryluk sind diese Zahlen nicht so wichtig. Er nimmt sich selbst nicht so wichtig. Doch am Takt der Anrufe erkennt man: Er ist jetzt ein gefragter Mann. Telefonkonferenzen, Vorträge, Vorstandssitzungen - er muss sich da noch reinfühlen.

Gawryluk soll den Kurs bestimmen für einen Verband, der zunehmend unter Druck gerät. Die deutschen Friedhofsverwalter werden regelrecht überrollt von Trends. Vom Grabstein mit Flachbildschirm bis zu gepresster Asche, die Angehörige als Diamant am Finger tragen können. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Viele Trends sind nach dem Verlassen von Messehallen wieder vorbei, Regularien und Vorschriften lassen in Deutschland kaum Raum für Innovationen. Kritiker nehmen vor allem immer wieder den Friedhofszwang ins Visier, von dem, wie sie meinen, eine ganze Branche lebt. Die Linke im Saarland beklagte zuletzt hohe Beerdigungskosten und forderte das Ende des Friedhofszwangs. "Würdige Bestattungen dürfen kein Luxus für Wohlhabende sein", sagte ein Linken-Landtagsabgeordneter.

Gawryluk hält davon nichts. Sein Verband will vor allem bewahren. "Menschen wollen und brauchen einen festen Ort des Gedenkens. Sie brauchen den Friedhof", sagt er. Und der Friedhof gehöre in die Hände der Kommunen und Kirchen. Das sei Teil der "Daseinsvorsorge".

Viel ist in Bewegung auf dem Friedhof. Die Welle an Veränderungen rollt unaufhaltsam weiter - selbst die Steinmetze klagen mittlerweile über sinkenden Absatz, billige Grabsteine aus Fernost erobern Deutschland..

Gawryluk findet das bedenklich. Er muss sich nun manchmal auch gegen Trends stemmen und will dabei auch ein bisschen polemisch sein. "Ich bin gegen den Ebay-Grabstein", sagt er zum Beispiel. "Steinmetze produzierten keine Rendite, sondern Handwerkskunst."

Mit ihm hat sich der Verband einen behutsamen Pragmatiker gewählt. Die Politik aller Parteien schätzt seine Art und Arbeit in Pinneberg. Er sei ein bodenständiger, loyaler, führungsstarker Mann mit festen Prinzipien wird ihm nachgesagt. Zuletzt organisierte er die Umstellung des ehemaligen Bauhofs in einen Eigenbetrieb. Er ist nicht zuallerst ein Friedhofsleiter. Er ist ein Macher, der einen Hang hat für Natur und Kultur. Vor seiner Arbeit in Pinneberg prägte er zehn Jahre lang die Geschicke des Ohlsdorfer Friedhofs wesentlich mit. Der stehe in erster Linie nicht für den "Tod" sondern sei ein Kunstwerk von internationalem Rang und der weltweit größte Parkfriedhof.

Schon hier versuchte er Schritt zu halten und öffnete Strukturen. Modernisieren in Maßen. Dabei muss er sich und anderen aber noch in die Augen schauen können. Aus dem bürokratischen "Wahlgrab in parkähnlicher Lage mit 50 Zentimeter Abstand", wurden unter der Leitung Gawryluks Schmetterlingsgrabstätte, verschiedene Paargrabstätten, Baumgräber, die Rosengrabstätte und ein Kolumbarium geschaffen. Er versucht Schritt und die Balance zu halten.Wenn es um die Gestaltung von Grabstätten geht, verliert er sich gerne in Details. Er versucht Schritt und die Balance zu halten.

Deshalb vertrauen die Landesverbände diesem Mann und wählten ihn mit nahezu 100 Prozent. In Pinneberg weiß das kaum einer. Das Telefon klingelt, er hastet zu seinem Schreibtisch, verabredet eine neue Telefonkonferenz. Als er zurückkehrt, fällt ihm sein Satz vom Anfang ein. "Vielleicht kann es doch nicht jeder. Diesen Job", grinst er.

Seine größte Angst ist nicht der neue Job, sondern, dass sie an der Pinnau denken, er hätte mit seinem neuen Job nicht mehr genug Zeit für Pinneberg. "Ich habe hier noch eine Aufgabe und ein paar Jahre vor mir." Über das Ende denkt er im Allgemeinen nicht so viel nach. Nur über sein Grab und das seiner Frau natürlich. Ein kleines schmiedeeisernes Kreuz mit einem christlichen Spruch soll es schmücken. Ganz bescheiden.