Energietechnik zieht sich wie ein roter Faden durch die Fakultäten der Hochschule für Angewandte Wissenschaften . Schwerpunkte sind die erneuerbaren Energien und der sparsame Einsatz von Brennstoffen

Wer Energietechnik lernen will, hat in Hamburg eine erste Adresse: die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). "Wir sind mit Abstand der größte Ausbilder in diesem Segment in Norddeutschland", sagt Prof. Thomas Flower, Dekan der HAW-Fakultät Technik und Informatik. Auch in der Forschung hat die ehemalige Fachhochschule deutlich zugelegt - "das Volumen unserer Forschungsprojekte hat sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt", so Flower.

Im Mittelpunkt der Energietechnik steht "4E": EE für erneuerbare Energien (Schwerpunkt Windkraft und Sonnenenergie) und EE für Energieeffizienz (möglichst gute Nutzung der eingesetzten Energie, niedrige Umwandlungsverluste).

"Wir haben die Vision, die Energieprobleme der Zukunft zu lösen", sagt Prof. Werner Beba. Er leitet das 2008 gegründete Competence Center für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, ein Netzwerk von 50 Professoren, das die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördert. Denn Energietechnik zieht sich wie ein roter Faden durch die HAW-Fakultäten. Maschinenbauer, Fahrzeug- und Umwelttechniker, Informatiker und Wirtschaftsingenieure müssen sich mit dem effizienten Einsatz von Energie befassen oder arbeiten an der Nutzung von Windkraft oder Sonnenstrahlung.

In zehn Studiengängen wird Wissen um die beiden EE-Arbeitsbereiche vermittelt, inklusive eines berufsbegleitenden Fernstudiums in Kooperation mit der Akademie für Erneuerbare Energien in Lüchow-Dannenberg. Innerhalb Hamburgs arbeite die HAW vor allem mit der Helmut-Schmidt-Universität zusammen, sagt Beba. Aber auch mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg gibt es Überschneidungen, etwa im Bereich der Nutzung von Biomasse und Biogas als klimaschonende Energieträger.

Bioenergie ist bei der HAW in der Fakultät Life Sciences (Lebenswissenschaften) am Campus Bergedorf angesiedelt. Dort wird unter anderem im Labormaßstab aus Pflanzenresten (etwa Stroh) Treibstoff hergestellt, sogenannter Biokraftstoff der zweiten Generation. Ähnliche Ziele verfolgt das TU-Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft. Das Wort "Bio" ist übrigens irreführend, denn die Pflanzen für die Brennstoffe stammen nicht aus dem Ökolandbau, sondern sind "nur" biologischen Ursprungs - der Begriff Agrotreibstoffe wäre daher treffender.

Neuestes HAW-Schmuckstück ist das Ausbildungszentrum für Energietechnik am Berliner Tor. In der historischen Maschinenhalle, einem Fritz-Schumacher-Bau von 1927/28, werden moderne Kältemaschinen und eine Klimaanlage auf Energieeffizienz getrimmt, eine Erdwärmepumpe und ein chemischer Wärmespeicher getestet und die Leistungsfähigkeit von Solaranlagen erprobt. In einem anderen Hallenteil stehen Motorenprüfstände.

Prof. Thomas Vesser vom Fachgebiet Regelungstechnik rechnet vor, wie wichtig es ist, die herkömmlichen Verbrennungsmotoren unserer Autos zu optimieren. "Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 eine Million Elektromobile auf die Straßen bringen. Bezogen auf den heutigen Strommix lassen sich dadurch zwei Prozent CO2 einsparen. Wenn es gelänge, in dieser Zeit die Verbrennungsmotoren 20 Prozent sparsamer zu machen, haben wir die zehnfache Klimaschutzwirkung."

Das Forschungs- und Lehrzentrum in der alten Maschinenhalle soll zudem den Unternehmen, die sich in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz engagieren, qualifiziertes Personal liefern. Beba: "Heute gibt es bundesweit in dieser Branche 400 000 Jobs, im Jahr 2030 werden es wohl mehr als 900 000 sein. In der Metropolregion Hamburg klagen schon heute 60 Prozent der 4E-Unternehmen über Fachkräftemangel."

Die HAW-Energietechnik umfasst im geringen Maße auch die Optimierung von Kohlekraftwerken. Die Abtrennung und Einlagerung von CO2 (CCS-Technologie) ist aber, ebenso wie die Kerntechnik, ausgespart.

Gefragt nach den inhaltlichen Glanzlichtern, nennen die Experten unter anderem das Projekt "Smart Power Hamburg". Hier arbeitet die HAW mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und dem städtischen Unternehmen Hamburg Energie zusammen.

Das Neun-Millionen-Euro-Projekt soll aufzeigen, wie das Stromnetz stabilisiert wird, wenn die erneuerbaren Energien einen großen Beitrag zur Stromproduktion leisten. "Bislang wird das Netz gesteuert, in dem Kraftwerksleistung zugeschaltet oder abgeklemmt wird", erklärt Projektleiter Prof. Franz Schubert. "Das wird nicht mehr funktionieren."

Künftig müsse das Stromnetz deshalb verstärkt über die Nachfrage gesteuert werden. Wenn witterungsbedingt zu wenig Strom erzeugt wird, müssen Verbraucher vom Netz genommen werden. Bei überschüssiger Energie muss auf Vorrat verbraucht werden. Dies funktioniert zum Beispiel bei Kühlhäusern, die mit Überschussstrom besonders viel Kälte produzieren, von der sie anschließend zehren - und dabei vom Netz getrennt werden können. In dieser Zeit fungieren sie (und viele andere kaltgestellte Stromverbraucher) als virtuelles Kraftwerk, denn ihre Abstinenz im Netz wirkt genauso wie das Einspeisen von Strom.

Es gilt vor allem, Lastspitzen zu vermeiden. Im Smart Grid (im intelligenten Stromnetz) arbeiten Spül- und Waschmaschinen, Lüfter und Klimaanlagen bevorzugt zu einer Zeit, zu der reichlich Strom bereitsteht, etwa nachts, wenn in den Haushalten Menschen und Maschinen schlafen.

Das Ganze funktioniert jedoch nur, wenn genügend Verbraucher einen Verbund bilden. Das soll in der Umwelthauptstadt im Smart Grid Hamburg geschehen. Ein Vorläuferprojekt gab es bereits. Es vernetzte 24 Großverbraucher per Internet und simulierte mit ihnen ein Lastmanagement. Neben der HAW waren zum Beispiel die Universität und der Großmarkt Hamburg, die Musikhalle, Staatsoper und die Umweltbehörde Knotenpunkte im intelligenten Netz.

Im Projekt "Greenovation" macht die Hochschule selbst eine Energiediät: Gemeinsam mit IBM, Philips und Siemens hat sie Einsparpotenziale ermittelt. In den drei Kernbereichen Wärmebedarf, Beleuchtung und Informationstechnologie ergaben sich Ansätze, die die Energiekosten jährlich um insgesamt 233 000 Euro und den CO2-Ausstoß um gut 1500 Tonnen senken würden. Bei Heizung, Klima und Lüftung lässt sich demnach der Verbrauch um etwa ein Drittel senken, bei der Beleuchtung um 56 Prozent, im IT-Bereich um bis zu 45 Prozent.

Nun soll sich die Initiative in der Stadt ausbreiten. In unterschiedlichen Projekten sollen öffentliche Liegenschaften, etwa Schulen, lernen, mit Energie effizienter umzugehen - auch als Beitrag zur EU-Umwelthauptstadt.

Video: Energieeffizienz

Der Beitrag "Energieeffizienz" stammt aus dem umfangreichen Bonusmaterial der DVD Die 4. Revolution - Energy Autonomy ; Deutsch; Regie: Carl-A. Fechner; 83 Minuten 19,90 Euro. Der Dokumentarfilm ruft zur Energiewende auf, weg von fossil-atomaren Rohstoffen hin zu Erneuerbaren - für jeden erreichbar, bezahlbar und sauber und regt zum Weiterdenken und Handeln an. www.energyautonomy.org