Forscher der TU-Harburg untersuchen Zusammenspiel von Preissensibilität und Mobilitätsverhalten

Steigende Energiepreise machen das Auto- und Bahnfahren teurer. Welche Einflüsse hat dies auf die Stadt- und Verkehrsplanung? Dieser Frage geht das Projekt "Energiepreisentwicklung und Landnutzung" (EuroLAN) an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) nach. "Wir erarbeiten derzeit ein Computersimulationsprogramm für die Metropolregion Hamburg, mit dem wir drei Energiepreis-Szenarien durchspielen wollen", sagt Projektleiter Prof. Carsten Gertz, Leiter des TU-Instituts für Verkehrsplanung und Logistik. In einer zweiten Phase (2012/2013) wollen die Forscher in einem Planspiel mit Akteuren der Hamburger Verwaltung und aus Umlandgemeinden mögliche Maßnahmen im Modell testen.

Es ist eine Herausforderung, das komplexe Zusammenspiel von Preissensibilität, Mobilitätsverhalten und Stadtplanung in ein Modell zu fassen. Fest steht: Zum einen entwickeln sich Städte entlang von Verkehrsachsen, zum anderen wächst die Verkehrsinfrastruktur mit den Siedlungen. Es gebe ein Zusammenspiel von Wohn- und Mobilitätskosten, sagt Gertz. "Manche Menschen ziehen ins Umland, weil sie dort preiswerter wohnen können. Sie nehmen höhere Mobilitätskosten durch längere Arbeits-, Einkaufs- und Freizeitwege in Kauf. Wer dagegen zentral wohnt, zahlt höhere Mieten oder mehr für sein Eigentum. Die Summe aus beiden Kostenarten ist überall etwa gleich hoch."

Höhere Energiepreise könnten das Verhältnis zwischen Wohn- und Mobilitätskosten verschieben. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich das Mobilitätsverhalten sehr stetig entwickelt, so Gertz. "Durchschnittlich legt jeder Deutsche etwas mehr als drei Wege pro Tag zurück. Diese Zahl ist über Jahrzehnte konstant, ebenso der Zeitaufwand für Fortbewegung. Er liegt bei 70 Minuten pro Person und Tag." Deutlich zugenommen habe dagegen die zurückgelegte Entfernung. Gertz: "Der Zeitvorteil einer ausgebauten Infrastruktur wird nicht genutzt, um weniger Zeit für Mobilität aufzuwenden, sondern um größere Distanzen zu überwinden." Während jeder Bundesbürger Anfang der 1960er-Jahre im Schnitt knapp 13 Kilometer mit motorisierten Verkehrsmitteln zurücklegte, sind es heute um die 35 Kilometer.

Die Wahl des Wohnorts oder des Standorts eines Betriebs sei der entscheidende Faktor für Verkehrsplaner. Längere Distanzen erhöhen das Verkehrsaufkommen. Mit ihm wachsen Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Lärmbelastung. Dieser Trend müsse gestoppt werden, fordern Umweltschützer seit Langem. Vielleicht initiieren steigende Energiepreise die Trendwende.

Wie die Menschen auf drastisch steigende Mobilitätskosten reagieren werden, sei kaum bekannt, sagt Gertz. "Wir hatten zwar 2008 einen sehr starken Benzinpreisanstieg, aber kurz darauf fielen die Preise genauso rasant. Die Hochpreisphase war zu kurz, um ein verändertes Mobilitätsverhalten erkennen zu können." Immerhin registrierten Verkehrsunternehmen vollere Busse und Bahnen, Carsharing-Verbände und Fahrradhändler freuten sich über mehr Kunden.

"Steigende Preise bergen die Gefahr der sozialen Ausgrenzung bei Menschen mit geringem Einkommen", warnt Gertz. Generell sei der ländliche Raum stärker betroffen als die Stadt. Im Umland lohne es sich oft nicht, ein komfortables öffentliches Bussystem zu betreiben.

Seit vielen Jahren plädieren ökologisch orientierte Stadtplaner dafür, dass die Lebensbereiche Arbeiten und Wohnen räumlich wieder näher zusammenrücken sollten. Das Planspiel im EuroLAN-Projekt soll dazu beitragen, solche zukunftsfähigeren Strukturen zu entwickeln. "Bislang arbeiten Verkehrsplaner, Experten für Klimaschutz und Siedlungsentwicklung oft nebeneinander her", sagt Carsten Gertz. Die Stärke seines Instituts sei es, die Bereiche zusammenzudenken.