Die Scheidungsstatistik ist ernüchternd. Dennoch gibt es bei vielen Menschen eine Sehnsucht nach der Ehe. Warum auch nicht? Ein Plädoyer fürs Heiraten

Das wird ein Ereignis der ganz großen Gefühle. Es geht um eine junge Liebe. Und um eine Traum-Hochzeit. Hoffentlich auch um eine Traum-Ehe. Das Datum ist der 29. April 2011, der Freitag nach Ostern. An diesem Tag wollen sich Kate Middleton, die Bürgerliche, und William Mountbatten-Windsor, Prinz von Großbritannien und Nordirland, die Ehe versprechen. Ihr "Yes, I will" werden 2000 Gäste in Londons Westminister Abtei hautnah erleben und mit ihnen Hunderte Millionen Zuschauer überall auf der Welt vor den Fernsehgeräten. Damit diesmal möglichst viele Menschen (mit) feiern können, macht die britische Regierung den Tag zum Feiertag.

Wer würde sich das nicht für seine Hochzeit wünschen? Und soviel Gäste, soviel Aufmerksamkeit? Dabei gibt es für die Ehe Wichtigeres als den Rummel am Hochzeitstag. Darauf kommt es nicht an bei der Frage, ob eine Ehe wirklich so lange hält, wie es sich die Hochzeiter versprechen. Und mancher wird sich fragen: Wie ehrlich sind diese Versprechen im Zeitalter der Scheidungsrekorde überhaupt, die Versprechen, ein Leben lang zusammenzubleiben, "in guten wie in schlechten Zeiten"?

Die Ehe ist nach wie vor ein akzeptiertes, ja ein faszinierendes Lebensmodell. Obwohl das Scheitern rein rechnerisch so wahrscheinlich ist. "Der Wille, es ein Leben lang miteinander auszuhalten, ist am Hochzeitstag unerschütterlich". Davon ist Pfarrer Johannes Pricker von St. Antonius in Winterhude überzeugt. In 30 Jahren hat er etwa 1000 Paare kirchlich getraut. Die Entscheidung, das Treueversprechen "bis dass der Tod uns scheidet" einzugehen, sei heute ein "freier Willensakt", im Gegensatz zu früheren Generationen, in denen der Druck aus dem gesellschaftlichen oder familiären Umfeld oft so unerbittlich war, dass es gar keine Alternative des Zusammenlebens gab. Jahrhunderte lang war die Ehe eher ein Geschäft zweier Familien - oft über die Köpfe der Brautleute hinweg.

Wer heute heiratet, trifft dagegen in der Regel seine eigene, wohlüberlegte Entscheidung. Die Gesellschaft überlässt es den Liebenden, ob und wie sie zusammenleben: mit oder ohne Trauschein, mit oder ohne kirchlichen Segen, ob Mann mit Frau, Mann mit Mann oder Frau mit Frau. Alles Privatsache.

Reif genug für das folgenreiche Eheversprechen sind die meisten Brautleute. Sie heiraten im fortgeschritteneren Alter als ihre Eltern. Seit 1975 steigt das durchschnittliche Heiratsalter in Mitteleuropa immer weiter. Derzeit um etwa sieben Wochen jedes Jahr. In Deutschland liegt es aktuell bei mehr als 33 Jahren bei den Männern und 30 Jahren bei den Frauen. Die Folge: Wer heiratet, kennt seinen Partner/die Partnerin sehr genau, viele nach Jahren des erprobten Zusammenlebens. Mit einem solch soliden Fundament müssten die Ehen heute rekordverdächtig lange halten.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Jede dritte Ehe wird geschieden. In den großen Städten wie Hamburg fast jede zweite. Die klassische Familie mit Vater, Mutter, Kind wird mehr und mehr zur Ausnahme und ist nicht mal in jedem zweiten Haushalt anzutreffen.

Dennoch starten die meisten Ehen, zumal die mit kirchlichem Segen, mit Hoffnung und Zuversicht und einem reichlichen Maß an Liebe und Zuneigung. Die ernüchternde Scheidungsstatistik schreckt kaum ab.

Für Paare, die katholisch heiraten, ist der Schritt in die gemeinsame Zukunft eine Verpflichtung der Extraklasse. Denn die Ehe ist nach katholischer Auffassung ein Sakrament, also eine vom Menschen vollzogene Handlung, die göttliche Wirkung enthält. Dadurch hat sie in besonderer Weise "verbindlichen Charakter", sagt Pfarrer Pricker. In der evangelischen Kirche ist die Ehe dagegen "nur" eine gesegnete Verbindung, getreu dem Luther-Wort, die Ehe sei "ein weltlich Ding".

Die Bedeutung des Sakramentes bespricht der Pfarrer vorher mit jedem Paar. Auch dass nicht der Priester dieses Sakrament spendet, sondern sich die beiden Ehepartnern das Sakrament gegenseitig spenden. In der Ehe dreht sich nun mal alles um die Partnerschaft. Und hier lauern auch die Gefahren.

Dass der großen Liebe so oft die herbe Enttäuschung folgt, liegt "häufig an der Überhöhung des Partners", meint der Seelsorger. Wenn er oder sie so verklärt werden, "dass der Partner die Erwartungen nicht erfüllen kann", sehen sich beide überfordert. In solchen Momenten "bedarf es einer guten Streitkultur", damit die Enttäuschung nicht in Verbitterung umschlägt. "Zu einer Partnerschaft gehört immer ein gewisses Maß an Enttäuschung", sagt Pricker. Das machten sich viele in ihrer idealisierten Vorstellung nicht bewusst.

Dennoch würden die Veränderungen im Zusammenleben unserer modernen Gesellschaft "die Ehe heute nicht gerade einfach machen". Die Menschen leben deutlich länger - damit zieht sich auch die Zeit des Zusammenlebens in die Länge. Vielen fehle die "soziale Abfederung", hat der Pfarrer beobachtet, wie es sie im Zeitalter der Großfamilien gegeben habe.

Mit der Geburt eines Kindes kann das Zusammenleben schnell aus den Fugen geraten. Manche Männer verfielen dann in alte Verhaltensmuster, "und gebärden sich wieder wie Junggesellen". Wenn die Frauen in ihrer Rolle als Mutter allein gelassen würden, sei das immer wieder der Beginn schwer zu überbrückender Konflikte. Dann gehe es darum, die Partnerrolle auch anzunehmen. Ein schwieriges, aber kein hoffnungsloses Unterfangen.

Dabei sieht Pricker durchaus positive Veränderungen im Wandel der vergangenen Jahrzehnte. Einer grundlegenden Skepsis gegenüber der Treue begegne er heute bei jungen Paaren nicht mehr wie noch in den 1970er-Jahren. Auch dass immer mehr Heiratswillige in ihrer Elterngeneration gescheiterte Beziehungen hautnah miterlebt haben, schreckt die junge Generation von der Ehe kaum ab.

"Im Gegenteil", meint der im Ruhestand lebende Pfarrer Norbert Krümel aus Glinde. In Gesprächen mit Brautpaaren, deren Eltern geschieden waren, habe er manchmal gefragt: "Traut ihr euch überhaupt noch?" Und die Antwortung bekommen: Gerade, weil wir erlebt haben, wie eine Ehe scheitern kann, sind wir zuversichtlich, "das werden wir verhindern". Das abschreckende Beispiel als Mahnung, es besser zu machen. Mit dieser Überzeugung "mutig in die eigene Ehe zu gehen" - das ist ein wichtiger erster Schritt ins Glück.

Astrid Fiehland van der Vegt, Pastorin der Nienstedtener Kirche, die als eine der Hamburger "Hochzeitskirchen" gilt, glaubt, dass sich die Gründe, eine Ehe zu schließen, trotz veränderter Lebensumstände "nicht grundsätzlich geändert haben".

Im Beruf lebten viele unter enormem Druck "und sehnen sich umso mehr nach einer Partnerschaft, in der sie sich angenommen fühlen".

Der Wunsch, eine Familie zu gründen, sei sogar unter Jugendlichen so stark verbreitet, "dass ich darüber oft erstaunt bin", sagt die Pastorin. Aus Gesprächen mit Konfirmanden weiß sie: "Familie und Partnerschaft gehören zu den größten Wünschen an das Leben." Die Kehrseite dieses Wunschdenkens: Wenn es mit der Beziehung nicht klappt wie erhofft, brechen viele wieder aus, weil "wir in unserem Leben von der Einstellung geprägt sind, etwas zurückzugeben, mit dem wir nicht hundertprozentig zufrieden sind", so die Pastorin. "Dahinter steht der falsche Gedanke, dass wir als Menschen einen Anspruch darauf hätten, dass alle unsere Wünsche erfüllt werden."

Ein solch überhöhter Anspruch scheitert schnell an der Wirklichkeit. Dennoch geht die Pastorin davon aus, dass Eheversprechen, die im kirchlichen Rahmen auch vor Gott gegeben werden, "für eine größere Ernsthaftigkeit sprechen". Die Kunst des Zusammenlebens bestehe darin, die Ehe auch als "Gratwanderung" zu sehen. "Manche Gespräche kann man vielleicht besser mit einer Freundin als mit dem Ehemann führen", rät sie.

Sind frühere Generationen realistischer mit der Ehe umgegangen? Liebe spielte oft nur eine untergeordnete Rolle. Die Ehe war mehr eine Wirtschaftsgemeinschaft, ein Vertrag mit festen Regeln. Die Heirat aus Liebe ist eher eine Erfindung der Moderne. Aber ohne Liebe fehlt eine wichtige Basis. Die ist wichtig, wenn das Verliebtsein nachlässt und der Alltag herausfordert, oft mit Schicksalsschlägen: Arbeit weg, Kind krank, die Sorge um pflegebedürftige Angehörige.

Dann sollte man sich vielleicht an den Anfang erinnern, an den ersten Hochzeitstag, wie alles begann. Und welche Hürden und Hindernisse man schon erfolgreich gemeistert hat. "Wir müssen keine perfekten Menschen sein, auch in der Ehe nicht", sagt Pastorin Astrid Fiehland. "Wir Christen wissen das. Unser Gott nimmt uns auch mit all unseren Fehlern an."

Ein Bekenntnis zum Glauben - und ein Plädoyer für die Ehe. Für sie kämpft sogar der Wiener Scheidungsanwalt Manfred Ainedter. Er hält die Ehe zwar für die "vielleicht schlechteste Form des rechtsverbindlichen Zusammenlebens". Aber ergänzt: "Eine bessere wurde noch nicht gefunden."

Und eine, die schon lange gut funktioniert, gibt es sogar in der englischen Königsfamilie. So hält die Ehe von Prinz Williams Großmutter, Königin Elisabeth II. und Prinz Philip schon mehr als 60 Jahre. Sie vermählten sich 1947 vor dem selben Altar wie nun das junge Brautpaar, und das ist doch eigentlich ein gutes Omen.