Der Trend zu ökologisch und sozialverträglich organisierten Ballungsräumen ist kaum umkehrbar. Doch auch hochfliegende Bauprojekte sind konjunkturabhängig

Frankfurt am Main. Wenn er heute ein junger Mann wäre, dann würde er in China arbeiten. Das sagt Prof. Albert Speer, 76, einer der renommiertesten deutschen Architekten und Stadtplaner. Am Hauptsitz seines Büros in Frankfurt planen gut 100 Mitarbeiter Städte und Stadtobjekte der Zukunft, weitere arbeiten in der Zweigstelle in Shanghai. "Im nächsten Jahrzehnt werden 350 Millionen Chinesen in Städte ziehen, die heute noch nicht gebaut sind", sagte Speer kürzlich in einem Vortrag in Hamburg.

Er begann in den 1960er-Jahren aus dem Schatten seines gleichnamigen Vaters herauszutreten, der als Hitlers Generalbauinspektor die Germania-Pläne für Berlin entwarf. Speer junior arbeitete bereits in den 1970er-Jahren in Asien und Nordafrika, wirkte aber auch in Deutschland.

Eine wichtige Säule der Stadtplanung sei das Management, betont Speer. "Technische Fragen sind relativ einfach in den Griff zu bekommen; die Herausforderung ist Management und Organisation." Durch Missmanagement in Verwaltung und Politik werde Geld herausgeschmissen, "für das man vor zehn Jahren hätte bauen können". Nicht die Bürgerbeteiligung sei der Grund für Verzögerungen, auch wenn dies die Politik gern behaupte. Großprojekte müssten ein Verfallsdatum haben, plädiert Speer: "Alles, was bis dahin nichts geworden ist, kommt auf den Müll oder wird recycelt, also neu geplant."

Während in Deutschland oftmals um Bauprojekte gestritten wird (derzeit vor allem um den Stuttgarter Tiefbahnhof), wachsen in Asien städtebauliche Glanzlichter heran. Dazu zählen das bereits 1995 eröffnete Kultur- und Konferenzzentrum Acros Fukuoka in Fukuoka (Japan). Auf seinen Gartenterrassen wachsen 35 000 Pflanzen von 76 unterschiedlichen Arten. Noch beeindruckender ist das Sundial-Gebäude in Dezhou (China), ein Forschungs- und Kongresszentrum als Modellprojekt für eine energieeffiziente Solararchitektur.

Bei der Entwicklung von Megastädten setzt Speer auf eine "dezentrale Konzentration" und nennt als Beispiel Shanghai. Dort sollen neun Satellitenstädte mit drei bis fünf Millionen Einwohnern entstehen. Zwischen ihnen wird Landwirtschaft betrieben, um die Stadtbewohner möglichst weitgehend aus der Nähe versorgen zu können. Zudem sollen wieder aufgeforstete Wälder Erholungsräume bieten.

Dass hochfliegende Städtebauprojekte aber auch im boomenden China konjunkturabhängig sind, zeigt Dongtan Eco City. Der neue Vorzeige-Stadtteil Shanghais soll anfangs 50 000, später aber bis zu 500 000 Einwohner beherbergen. Der Stadtteil entsteht auf der Insel Chongming im Flussdelta des Jangtse und setzt zu 100 Prozent auf Strom aus erneuerbaren Energien (Windräder und Sonnenkollektoren).

Zusätzlich will er den Nahrungsmittelbedarf komplett selbst decken. Doch die Investoren zögern. So liegt der Agropark, das geplante Zentrum der städtischen Nahrungsmittelproduktion, derzeit auf Eis. Auch Investitionen in erneuerbare Energien kämen nicht voran, so Speer: "Sie lohnen sich nicht angesichts der subventionierten Energiepreise."

Dennoch ist der Trend zu modernen, möglichst ökologisch und sozialverträglich organisierten Städten wohl kaum umkehrbar. So lautete der Titel der Weltausstellung Expo 2010 in Shanghai "Better City, Better Life" (bessere Stadt, besseres Leben). Als die gigantische Zukunftsshow am 31. Oktober ihre Tore schloss, hatten sich 246 Länder und internationale Organisationen beteiligt und 73 Millionen Besucher angezogen. Chinas Präsident Hu Jintao feierte diese Rekorde der Expo-Geschichte.

Im Abschlussdokument "Shanghai-Deklaration" wird an die Städte der Welt appelliert, eine gesunde Umwelt als Gewinn zu betrachten, verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen, Ressourcen zu schonen und umweltfreundliche Industrie zu fördern. Dies setzt allerdings voraus, dass das urbane Wachstum in Entwicklungsländern überall stadtplanerisch gelenkt wird und nicht ein Wildwuchs herrscht, wie dies heute noch vielerorts zu sehen ist.