John Neumeiers Choreografie Parzival - Episoden und Echo kehrt zurück ins Staatsopern-Programm

Auf dem Aluminiumroller fährt der ungestüme Knabe hinaus in die weite Welt, um ein Ritter zu werden. John Neumeier übersetzt in seinem Ballett "Parzival - Episoden und Echo" den mittelalterlichen Mythos nach Wolfram von Eschenbach - zumindest im ersten Teil - in ein heutiges, auch von Science-Fiction und Comics inspiriertes farbenprächtiges Tanz-Epos. Es entfaltet sich dynamisch unterm kobaltblauen Himmel von Peter Schmidts malerischen Bühnenräumen als ein Coming-of-Age-Abenteuer und Antikriegs-Statement.

Der reine Tor Parzival, von der liebenden Mutter Herzeloyde in Weltabgeschiedenheit aufgezogen, muss erst die Menschen kennenlernen, um zu wissen, wie sie ticken, und Mitleid mit ihnen empfinden zu können. Anfangs zerlegt Parzival seinen ersten Gegner, den Roten Ritter, wie eine Spielzeugpuppe, verharrt später stumm vor dem Leiden des Fischermannes. Erst im zweiten Teil klingen die Erlebnisse wie ein Echo nach in Parzivals Gedanken- und Gefühlswelt. Der Haudegen reift emotional zum Mann und Menschen.

Edvin Revazov, bei der Uraufführung des Balletts 2006 noch Gruppentänzer, hat in Parzival seine Glanzrolle gefunden und mit ihr den Durchbruch geschafft. Eben zum Ersten Solisten aufgestiegen, bereichert der blonde sportliche Ukrainer seine Figur bei der Wiederaufnahme um einige neue Facetten. Durch seine souveräne Technik im Drei-Stunden-Marathon hatte er bereits das Premierenpublikum begeistert, wie auch mit der intensiv durchlebten Wandlung Parzivals vom Kind zum sich frei entscheidenden Individuum.

In Neumeiers Musikcollage kommt Richard Wagners Oper über denselben Mythos kaum vor. Der Choreograf verwendet lediglich das Vorspiel; ansonsten bevorzugt er Werke Arvo Pärts und des amerikanischen Minimal-Komponisten John Adams - wohl um Vergleichen mit dem Bayreuther Bühnenweihfestspiel zu entgehen.

Die drängen sich auch gar nicht auf: Genuin aus Geist und Formenvielfalt des Tanzes hat Neumeier in subtilen, berührend gestalteten Pas de deux und groß und effektvoll angelegten Gruppen-Szenen einen plastischen, mitreißend getanzten Bilderbogen inszeniert, der um das zentrale Thema der Weltrettung durch Mitleid kreist.

Parzival - Episoden und Echo 30.10., 1., 2. und 5.11., jeweils 19.30 Uhr, Staatsoper