Der Dirigent Michael Gielen, unermüdlicher Verfechter der Neuen Musik, gastiert beim NDR Sinfonieorchester mit den beiden Spätromantikern Mahler und Bruckner.

Ein wenig ähnelt ein gutes Konzert den Chemie-Experimenten aus der Schulzeit: Man gab ein paar Stoffe zusammen und wartete ab, ob die Lösung trübe wurde, schmählich verpuffte oder ordentlich knallte. Die Formel Michael Gielen plus NDR Sinfonieorchester plus Mahler war bisher immer für eine jener kalt-blauen Stichflammen gut, von denen unser Lehrer sagte, sie seien die heißesten.

Gielen gilt als Analytiker, einer, bei dem der Weg zum Herzen über den Kopf und das Verstehen führt. Ausgangspunkt ist für den Vorkämpfer der Neuen Musik stets das strukturbetonte Musikdenken der Moderne, von dorther erschließt Gielen sich auch die Werke der Romantik.

Dabei zu sein, wenn ein solcher Dirigent auf die hochgespannte Emotionalität eines Mahler trifft, ist ein Ereignis.

Mit der ironischen Vierten, nachtschwarzen Sechsten, verzweifelt-optimistischen Siebten und weltentrückten Zehnten hat Gielen sich in der gefühlten Mahler-Hauptstadt schon hören lassen. Nun kommt er mit den frühen "Wunderhornliedern", gesungen von Hanno Müller-Brachmann, und dem "Blumine"-Satz aus der Ersten Sinfonie. Hier sublimierte Mahler die Affäre mit einer gewissen Johanna Richter - was ihm später offenbar so wenig geheuer war, dass er den Satz strich.

Außerdem auf dem Programm: Bruckners Erste Symphonie, die der Komponist selbst als "kesses Beserl" bezeichnet hat - neudeutsch in etwa "scharfe Braut". Hier ist der Linzer Meister noch mehr Musikant als weihevoller Metaphysiker. Ein Michael Gielen müsste da eigentlich ganz in seinem Element sein.

Abo-Konzerte 6.6., 11 Uhr, 7.6., 20 Uhr, Laeiszhalle