Beethoven begreift in sich die ganze, runde, komplexe Menschennatur. Niemals hat ein Musiker von der Harmonie der Sphären, dem Zusammenklang der Gottesnatur mehr gewusst und mehr erlebt als Beethoven." Der hier so schwärmte, war der große Dirigent Wilhelm Furtwängler, einer der wichtigsten Beethoven-Interpreten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Was muss das für ein Genie gewesen sein, das die Menschen mit seiner Musik in ihrem Innersten aufwühlen und zugleich an so gewaltige Fragen wie die "Harmonie der Sphären" rühren konnte. Besonders stehen dafür von jeher die neun Sinfonien Beethovens ein - eine Maßstäbe setzende Werkgruppe, die nicht nur seine kompositorische Entwicklung in allen Phasen widerspiegelt, sondern auch als Ganzes, in ihrer geradezu mythischen Neunzahl, zum Inbegriff der Gattung geworden ist. Der große Sinfoniker Robert Schumann sagte 1839: "Wenn der Deutsche von Sinfonien spricht, so spricht er von Beethoven: Die beiden Namen gelten ihm für eines und unzertrennlich, sind seine Freude, sein Stolz."

Daran hat sich bis in unsere Zeit wenig geändert. Heute würde man von Schumanns Äußerung allenfalls den leisen Nationalismus abziehen - sind doch Beethovens Symphonien längst Teil eines kollektiven Kulturfundus der Menschheit. Die Neunte, deren "Ode an die Freude" der Europäischen Union seit 1972 als Hymne dient, zählt seit 2001 sogar offiziell zum Weltdokumentenerbe, dem "Memory of the World" der Unesco.

Eine solche Werkgruppe in Gänze aufzuführen ist eine Herausforderung. Den kompletten Neunerzyklus innerhalb von nur einer Woche zu absolvieren müsste sogar wie reiner Übermut erscheinen - verfügte der Dirigent nicht über eine derart umfassende und lebenslange Erfahrung im Umgang mit dieser Musik wie Christoph von Dohnányi und könnte der beteiligte Klangkörper, das NDR Sinfonieorchester, nicht auf eine Beethoven-Tradition zurückblicken, in der Chefdirigenten wie Hans Schmidt-Isserstedt und Günter Wand den Stil und die Spielkultur der Musiker geprägt haben. Dies ist das große Erbe, das der amtierende Chefdirigent und sein Orchester in der ersten Mai-Woche antreten werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass Hamburg ein musikalisches Großereignis ins Haus steht.

Beethoven-Zyklus 2.5., 11 Uhr; 3.5., 5.5. und 9.5., jeweils 20 Uhr, Laeiszhalle