Auch Revoluzzer wie Arnold Schönberg und Anton Webern hatten ihre Traditionslinien. Alan Gilbert und das NDR Sinfonieorchester zeigen sie auf.

Sie gelten ja noch immer als Bürgerschreck und Kassengift, die längst nicht mehr so neuen Neutöner der Zweiten Wiener Schule: Arnold Schönberg und Anton Webern. Schauerliches Zwölfgetön und musikalische Matrizenmathematik werden ihnen zur Last gelegt. Und sieht dieser Webern mit seinen verkniffenen Mundwinkeln und der randlosen Brille nicht aus wie ein Notenbuchhalter?

Dabei waren die beiden Herren im tiefsten Herzen genauso Romantiker wie Alban Berg, dessen Violinkonzert Anfang Februar erklingt. Das beweist nun das Konzert des NDR Sinfonieorchesters unter Alan Gilbert. Der hat sich zwei Frühwerke ausgesucht, die die beiden als empfindsame Tondichter in der Tradition von Richard Strauss zeigen.

Sein "Idyll für großes Orchester" mit dem Titel "Im Sommerwind" komponierte der junge Anton Webern 1904 nach einem Gedicht von Bruno Wille: "Es wogt die laue Sommerluft / Wacholderbüsche, Brombeerranken / Und Adlerfarne nicken, wanken", heißt es da. Im Sinne des Dichters war das ein Gegenentwurf zu einer Welt voll "habgierigem Gezänk der Politiker, von Krieg, Ausbeutung, Räubereien, Lustverbrechen und Mordtaten".

Artistisch subtiler und klanglich noch opulenter geht es in Arnold Schönbergs "Pelleas und Melisande" nach einer Vorlage des symbolistischen Dichters Maurice Maeterlinck zu. Richard Strauss hatte Schönberg die Liebesgeschichte in Andeutungen als Sujet für eine Oper vorgeschlagen. Doch der junge Querkopf machte eine riesig besetzte sinfonische Dichtung daraus - und bedauerte dies zeitlebens; war er sich doch sicher, dass eine Pelleas-Oper aus seiner Feder ungleich "sanglicher" geworden wäre als das berühmte Gegenstück des Kollegen Debussy.

Zu diesen Frühwerken zweier verkannter Romantiker gesellt sich das Meisterwerk eines romantischen Klassizisten: Felix Mendelssohns Violinkonzert in e-Moll. Den Solopart übernimmt dabei der Amerikaner Joshua Bell. Das dürfte nicht zuletzt die Damenwelt freuen, wurde der gleichermaßen virtuos Geige, Golf, Schach und Computer-Games spielende Bell vom Peoples-Magazine doch unter die "50 schönsten Menschen der Welt" gewählt.

Als Musiker zählt Bell zu den Ersten seines Faches. Und in Sachen Mendelssohn kann er inzwischen geradezu als Spezialist gelten. So hat Bell auch dessen lange vergessenes, selten live zu hörendes Konzert in d-Moll im Repertoire. Und seine Aufführungen von Mendelssohns Klaviertrios zusammen mit Steven Isserlis und Dénes Várjon bei den Salzburger Festspielen 2009 würdigte die Kritik als "Solitäre im Festspielgetriebe, die ganz aus sich heraus leuchten".

Abo-Konzert 18./19.3., jeweils 20 Uhr, Laeiszhalle