Thorsten Kunze betreibt seit 18 Jahren eine Apotheke in Harburg. Wie sieht sein Alltag aus? Und bedroht ihn die Preispolitik der Online-Anbieter?

"Apotheken wie unsere, die ihren Hauptumsatz mit Kassenrezepten machen, werden von der Existenz der Online-Apotheken wenig berührt", sagt Thorsten Kunze, Apotheker aus Hamburg-Harburg. "Meine Kunden sind im Durchschnitt 60 Jahre alt, sie erwarten von mir individuelle Beratung", erklärt der 48-Jährige. "Meist sind es Kassenpatienten, die bei mir ihre Rezepte einreichen." Auf die Frage, ob die Versandapotheke DocMorris für ihn eine Konkurrenz darstelle, lächelt der vielseitige Apotheker, denn er ist auf moderne Wundversorgung - beispielsweise für Diabetiker - spezialisiert und außerdem Mitglied im Wundzentrum Hamburg. Damit ist Kunze nicht nur Pharmazeut, sondern auch Kräuterkundler, also einer, der sich auf alternative Medizin versteht.

"Die Anforderungen an meinen Beruf und meine Apotheke in Marmstorf haben sich durch DocMorris und andere Online-Apotheken nicht verändert", erklärt er. "Wenn die Kunden merken, dass sie gut betreut werden und gut beraten sind, zahlen sie, wenn sie mal verschreibungsfreie Mittel einkaufen, auch höhere Preise."

Schaut man auf die Internetseite der niederländischen Versandapotheke DocMorris, stellt man schnell fest - hier geht es in erster Linie um die sogenannten "otc-Produkte". Gemeint sind die "over the counter"-Produkte" - also die rezeptfrei über den Ladentisch gereichten Mittel. Kosmetika, nicht verschreibungspflichtige Schmerz- und Erkältungsmittel - all die Arzneien, die von den gesetzlichen Kassen seit 2004 ohnehin nicht mehr übernommen werden, gehören dazu. Im Juli 2006 wurde die erste DocMorris-Apotheke im Saarland zugelassen. Für das Unternehmen, das mit dem Slogan "Meine neue Apotheke" für sich wirbt, arbeiten etwa 300 Mitarbeiter in den Niederlanden und in Deutschland.

Die kleine Vorortapotheke "Marmstorf" existiert schon seit 1956 und wird von Thorsten Kunze seit 1991 betrieben. Sie hält viele Medikamente bereit, die verschreibungspflichtig sind. Die meisten Stammkunden kommen zu Kunze, um ihre Rezepte einzulösen. Doch Rezept ist nicht gleich Rezept. Zwar bestimmt der Arzt, um welche Arznei es sich handeln soll - aber die Krankenkasse bestimmt die Firma, von der das Medikament zu kommen hat.

Wenn ein Präparat von dem Pharmaunternehmen, mit der die Kasse des jeweiligen Patienten zusammenarbeitet, nicht vorrätig ist, muss das Medikament erst bestellt werden, und der Kunde muss darauf warten. Nicht selten ist der Kunde darüber verärgert, schließlich steht er in ei-nem Ladengeschäft und bestellt nicht bei einer Online-Apotheke, wo Wartezeiten üblich sind. Doch gäbe der Apotheker ihm ein Medikament mit derselben Zusammensetzung aber von einer anderen Firma, erhielte er kein Geld, weil er das Rezept nicht mehr bei der zuständigen Krankenkasse einreichen könnte.

"Ich habe wirklich einen zunehmenden bürokratischen Aufwand durch die Bindung der gesetzlichen Krankenkassen an unterschiedliche Pharmaunternehmen", sagt der erfahrene Apotheker. "Wenn die Kasse eines Patienten beispielsweise mit Ratiopharm zusammenarbeitet, muss ich ihm das Verschriebene auch von dieser Firma gegen Rezept aushändigen, ich darf nicht plötzlich Medikamente von Hexal oder Bayer herausgeben." Die Zeit, die er in das Führen von Listen stecken müsse, würde er lieber in eine noch intensivere Beratung seiner Kunden investieren.

Auf die Frage, wie er die Zukunft seiner Branche sieht, schaut Thorsten Kunze nachdenklich. "Wer in der Hamburger Innenstadt eine Apotheke führt, eine horrende Miete zahlt und Kundschaft aus den umliegenden Büros hat - der verkauft auch viele otc-Produkte. Und die sind einem gnadenlosen Preiskampf ausgeliefert. Apotheken wie meine, die in einem Vorort liegen und ihren Hauptumsatz mit Kassenrezepten machen, ihre Kunden gut beraten und einen engen Kontakt zu ihnen pflegen, werden durch die Online-Apotheken jedoch keine Nachteile erfahren", ist er überzeugt. "Denn Medizin ist immer noch Vertrauenssache", sagt Kunze, lächelt und leint seinen Riesenpudel "Flocke" an, der schon auf seinen ausgedehnten Spaziergang wartet.

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