Paris. Vor 50 Jahren präsentierten Citroën und Renault den Méhari und R4. Solche Plein-Air-Fahrzeuge hatte die Welt zuvor noch nicht gesehen.

Mai 1968. In Paris brannten Barrikaden und Autos, es sah aus wie im Bürgerkrieg. Kein adäquater Premierenort für ein neues Freizeitfahrzeug wie den Ci­troën Méhari, der in psychedelisch in­spirierten Farben vorfuhr, genau passend für die Flower-Power-Bewegung.

Ob allerdings der feine Golfplatz im mondänen Seebad Deauville geeignet war, dieses minimalistische Strandauto mit provisorisch wirkenden Planen und Vorhängeketten statt Türen und Stoffverdeck vorzustellen? Die anwesenden Pressevertreter waren jedenfalls sprachlos ob des kühnen Karosseriekleides in neuartigem Kunststoff, das Citroën für diese offenherzige Modellvariante von Dyane und 2 CV gewählt hatte.

Die Frontscheibe des 3,53 Meter kurzen Freizeitautos konnte wie bei klassischen Jagdwagen auf die Motorhaube abgeklappt werden. So hatten die Premierengäste freie Sicht auf die Passagiere des Zweizylinder-Modells: Nicht die erwarteten Golfer, sondern Hippies, Models in roter Plastik-Couture und Feuerwehrleute saßen in dem Citroën Dyane 6 Méhari.

Es war der skurrile Auftakt zu einer 20-jährigen Erfolgsgeschichte dieses 145.000-mal verkauften Kunststoffflitzers. Dagegen genügten dem zeitgleich vorgestellten Frischluftfahrzeug Renault 4 Plein Air gerade einmal 563 Käufer, um Kult zu werden. Zu großer Auflage und einem ernsthaften Méhari-Rivalen avancierte dann der 1970 lancierte Renault 4 Rodeo.

Der Renault durfte als Shuttle-Fahrzeug auf die Weltausstellung in Montreal

Der schnatternde Zweizylinder-Boxer im Citroën 2 CV und der frugale Vierzylinder im Renault 4 lieferten vor 50 Jahren den automobilen Soundtrack zur studentischen Revolte. Waren es doch vorzugsweise diese PS-Verweigerer, die Demonstranten zu Sit-ins und Barrikadenkampf beförderten – und gleichzeitig Professoren auf die Uni-Parkplätze.

Diese linksintellektuelle Rolle fiel den automobilen Ikonen in Deutschland ­sogar noch stärker zu als in Frankreich, wo das Duo zu den Volksautos zählte. Al­lerdings brachte es der Méhari, der in Modularität und minimalistischer Technik die Philosophie des 2 CV verfolgte, zur Enttäuschung der Gauloises rauchenden Jugend nicht zur allgemeinen Betriebserlaubnis in Deutschland. Grund dafür war seine nicht feuerfeste Karosserie aus ABS-Kunststoff (Acrylnitril-Butadien-Styrol).

Auch die vom französischen Karosseriespezialisten Sinpar in Handarbeit und limitierter Stückzahl realisierte, offene Renault-4-Mutation Plein Air kam nur in wenigen Exemplaren nach Alle-magne. Zum Glück für alle Selbstdarsteller in Lamborghini und Ferrari, wie sich zeigte, als die ersten Plein Air auf Sylt auftauchten und alle anderen Strandautos in den Schatten stellten.

Von der gesellschaftlichen Norm abweichen und das zunehmend größere Bedürfnis nach Freiheit bedienen durfte der Renault 4 Plein Air erstmals als Shuttle-Fahrzeug auf die Weltausstellung 1967 in Montreal, Kanada. Zwischen gigantischen Straßenkreuzern war der 3,56 Meter kleine Luftikus ohne festes Dach, Fenster und Türen ein verführerischer Hingucker.

Der Renault Plein Air vertraute auf Vorderradantrieb

Ein scheinbar perfektes Beach-Toy für Badegänge, Bistrobesuche oder den Surfboard-Transport. Weshalb Renault sein gerade einmal 26 PS leistendes, vierrädriges Sonnensegel – das Verdeck bestand aus simplem Tuch – ab 1969 auch nach Nordamerika exportierte. Im Gegensatz zu den dort populären Buggys vertraute der Plein Air wie alle Renault 4 auf Vorderradantrieb für die Bewältigung feinsandiger Strände und schwieriger Waldwege. Das gilt sogar für den nachfolgenden Renault 4 Rodeo, der speziell als Jagdwagen große Popularität genoss.

Anders der Citroën Méhari, der seinen Namen einer nordafrikanischen Bezeichnung für Dromedare verdankt. Er vertraute auf vier angetriebene Räder – zumindest seit er sich ab 1979 auf den Einsatz bei der Rallye Paris–Dakar vorbereitete und neue Aufgaben bei Armee und Polizei bewältigen musste. Vorher genügte dem 525 Kilogramm leichten Plastikgefährt der aus dem 2 CV adaptierte Vorderradantrieb. Damit absolvierte der 28 PS entwickelnde und maximal 97 km/h erreichende Méhari bereits die Rallye Paris–Kabul–Paris, ganz nach dem Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“.

Diese Gelassenheit zahlte sich gewiss aus, als der Méhari später bei den französischen Fallschirmjägern diente. Als Paket verpackt, schwebte das Kunststoffauto in Wellblechoptik aus großen Höhen zu Boden. Diese Belastbarkeit wussten auch französische Bauern zu schätzen, denn wie schon der 2 CV war der Méhari für den Transport landwirtschaftlicher Produkte vorgesehen. Mit vier Antriebsrädern, Differenzialsperre an den Hinterrädern und sieben Vorwärtsgängen durften es gern auch einmal Steigungen von über 60 Prozent sein, die das „Dromedar“ bei der Fahrt zum Bergbauernhof absolvierte.

Nach Deutschland kam 2016 der E-Méhari mit Elektromotor

Belastbar und flott wie die afrikanischen Paten des Citroën Méhari sollte auch der Plein Air sein. Deshalb setzte Renault seinen Imageträger als Prominentenshuttle zur Eröffnung von Safariparks ein, die damals in Mode kamen. Filmstars wie Eddie Constantine im R4 vor Dromedaren – ein Stich gegen Ci­troën.

Die Marke im Zeichen des Doppelwinkels konterte souverän, der Méhari wurde in einigen Kinoerfolgen automobiler Hauptdarsteller. Ob mit Louis de Funès in „Der Gendarm von Saint Tropez“ oder mit Charlton Heston in „Omega Man“, der kleine knallbunte Plastikbomber wusste sich in Szene zu setzen. Sogar bei der Reinigung des Fahrgast- und Laderaums, der mit Wasserabläufen versehen war. Nach Offroadtouren genügte der Einsatz eines Wasserschlauchs.

Citroën begnügte sich mit Pflegemaßnahmen

Während Renault den Plein Air nach wenigen Jahren durch den Rodeo ersetzte und dieser sich vom Rodeo 4 über den Rodeo 6 zum Rodeo 5 entwickelte, begnügte sich Citroën bei seiner Kunststoff-Ikone mit Pflegemaßnahmen.

So gab es mit Einführung des Zweizylinders aus dem Citroën Visa eine Leistungsspritze auf 34 PS. Hinzu kamen im Sommer 1983 zwei Sonderserien, der weiß-blau glänzende Méhari Azur für Surffans sowie der Méhari Plage als Strandauto. Ebenfalls 1983 fand der Méhari in Argentinien eine zweite Heimat. Dort starteten Fertigung und Vertrieb des IES Safari, einer Méhari-Adaption, die auf Karosserieteile aus Fiberglas vertraute.

Nach Deutschland kam der Citroën für Sonne, Strand und mehr offiziell erst in Form seines Nachfolgers, der Ende 2016 als E-Méhari mit Elektromotor und Lithium-Polymer-Akkus startete. Immerhin bewahrte sich der E-Méhari den Esprit des Originals – Scheu vor Salzwasser und Sand hat auch er nicht.