München. Die BMW F 700 GS stand immer ein wenig im Schatten der stärkeren F 800 GS. Mit dem Modellwechsel zur F 750 GS hat sich das geändert.

Drei Jahre schon verzeichnet die deutsche Zulassungsstatistik für die BMW F 700 GS teils sogar deutlich höhere Zahlen als für die zuvor in Front liegende F 800 GS. Der Beliebtheit des ebenfalls mit einem 800 Kubikzentimeter großen, aber etwas leistungsreduzierten Motor ausgestatteten kleineren Modells tat es keinen Abbruch, dass Hondas neue Africa Twin die größere Schwester arg unter Druck setzte.

Vom in diesem Frühjahr laufenden Modellwechsel könnte die neue F 750 GS sogar besonders stark profitieren, galt sie als F 700 GS doch immer ein wenig als graues Mäuschen. Die Zeiten sind nun vorbei: Auch für die kleinste Zweizylinder-GS im großen Reise-Enduro-Programm der Bayern gibt es nämlich jetzt alle Elektronik-Goodies, die auch für die größeren Modelle lieferbar sind, vom Dynamic-ESA über die dynamische Traktionskontrolle bis hin zum Kurven-ABS und zum Connectivity-fähigen TFT-Display.

Sogar einen Schaltassistenten gibt es

Besieht man sich die in der Lockfarbe Austin Yellow Metallic lackierte und mit schwarzen Leichtmetallguss-Rädern ausgestattete F 750 GS genauer, ist jener Hauch von Behäbigkeit wie weggeblasen, der dem Vorgängermodell anhaftete. Modern das mit 6,5 Zoll überdurchschnittlich große, vollfarbig und grafisch dezent gestaltete TFT-Display, ansprechend der LED-Scheinwerfer mit markantem LED-Tagfahrlicht, verräterisch der Metallknubbel am Schaltgestänge: Sogar einen Schaltassistenten weist die Testmaschine auf.

Zwar sind alle genannten Ausstattungsdetails zuzahlungspflichtig, doch immerhin: Es gibt sie. Genau wie den HP-Sportschalldämpfer, das Keyless-System mit inte­griertem Tankdeckel oder, ganz banal, die Heizgriffe. Wer will, kann Tausende von Euros in die Ausstattungsaufrüstung seiner F 750 GS investieren.

Dank des E-Gases werden zwei Riding-Modes geliefert

Immer weist sie einen von BMW vollkommen neu konstruierten Zweizylinder-Reihenmotor mit 853 Kubikzentimeter auf. 57 kW/77 PS leistet das durchzugsstarke, gleichzeitig drehfreudige Triebwerk; alternativ ist eine Version mit A2-konformer Leistung (35 kW/48 PS) zu haben. Der neue Motor zeichnet sich durch einen 90-Grad-Hubzapfenversatz und Zündintervalle von 270 beziehungsweise 450 Grad aus, was ihn – gefühlt – als V2 erscheinen lässt.

Zwar fehlen dem in der 750er verbauten Motor rund 19 Prozent Leistung gegenüber dem 850er, doch fühlt sich das in der Praxis weit weniger bedeutsam an. Kein Wunder, liegt das maximale Drehmoment von 83 Newton­meter doch nur neun Newton­meter oder knapp zehn Prozent unter dem des stärkeren Triebwerks.

Auch das Chassis ist neu

Heißt: Man ist mit der F 750 GS alles andere als schwächlich motorisiert. Dank des nun gegebenen, gut ausbalancierten E-Gases werden serienmäßig zwei Riding-Modes (Rain, Road) geliefert; die volle Schüttung (Dynamic sowie Enduro) ist an den Erwerb des Dynamic-Pakets geknüpft, das dann auch den erwähnten ­Quickshifter, ABS-Pro mit Kurven-ABS sowie die dynamische Traktionskontrolle enthält.

Ebenso neu wie das mit einem Normverbrauch von 4,1 Litern auf 100 Kilometer sparsame Triebwerk ist das Chassis der 750 GS. Der Tank wanderte wieder an seinen angestammten Platz oberhalb des Motors, die Radführungen sind, wie der nun stabiler ausgeführte Rahmen, ebenfalls neu. Wer möchte, kann achtern eine semiaktive Regelung bekommen, bei der sogar die Federvorspannung automatisch erfolgt.

Der Zweizylinder der 750 GS ist neu konstruiert.
Der Zweizylinder der 750 GS ist neu konstruiert. © Werk | --

Absolut erwachsene Dreischeiben-Bremsanlage

Die straßenorientierte Auslegung der 750er mit dem 19-Zoll-Vorderrad und den leichten Aluguss-Rädern wirkt sich positiv aufs Handling aus; die kleinere der beiden Mittelklasse-GS fährt sich ausgesprochen einfach und gibt sich deshalb sehr zugänglich. Einlenken und Kurvenstabilität gefallen genauso wie die Stabilität bei höherem Tempo der bei Bedarf 190 km/h schnellen 750 GS.

Absolut erwachsen gibt sich die Dreischeiben-Bremsanlage; die eher dezente Auslegung dürfte weniger erfahrenen Piloten entgegenkommen. Das ABS greift, wie auch die Stabilitäts- bzw. die optionale Traktionskontrolle, in Abhängigkeit vom gewählten Riding-Mode mehr oder weniger ausgeprägt ein.

Premium-Anspruch erfüllt

Zur leichten Handhabung trägt die ausgetüftelte Ergonomie der 750er bei: Lenkergriffe, Sitzpolster, Fußrastenposition, Spiegel und Bedienungselemente erfüllen den selbst gestellten Premium-Anspruch. Das gilt auch für die mögliche Integration des optionalen Navigationssystems mittels des von den Boxer- und den Vierzylindermodellen bekannten Multicontroller-Drehrings links am Lenker.

Der hat es nun ebenso in die Mittelklasse geschafft wie das automatische Notrufsystem eCall, eine im Notfall äußerst sinnvoll erscheinende Investition in Höhe von wenigen Hundert Euro. Mehr als nur ein schön anzuschauendes Spielzeug ist das Vollfarb-Display.

Die F 750 ist 12 Kilogramm schwerer

Es überzeugt durch seine hervorragende Ablesbarkeit unter allen Bedingungen wie auch durch seine technischen Möglichkeiten; natürlich lässt sich das Fahrer-Smartphone einbinden, doch es gibt auch die Möglichkeit, über die kostenlose BMW-App eine alltagstaugliche Pfeilnavigation zu aktivieren; der teure BMW-Navigator bleibt für Spezialanforderungen erste Wahl.

Ohne dass man dem Fahrzeug sein Gewicht von 224 Kilogramm anfühlt, so stellt sich doch die Frage, ob der Gewichtszuwachs in Höhe von zwölf Kilogramm im Vergleich zur F 700 GS unumgänglich war. Klar, der neue Rahmen ist auf die höheren Fahrleistungen des erstarkten Schwestermodells, der F 850 GS, ausgelegt und deshalb in Teilen massiver ausgelegt. Auch der Auspuff ist voluminöser, Euro 4 sei Dank.

Preislich wird die F 750 bei rund 15.000 Euro liegen

Dennoch dürften die Herren mit dem spitzen Bleistift das ihre zum Upload beigetragen haben; leichtere Teile sind gemeinhin zugleich teurer als schwerere, wenn ihre Festigkeit identisch sein soll. Auch wenn die Höchstgeschwindigkeit der F 750 GS um 2 km/h niedriger liegt als die des Vorgängermodells und zugleich das Gewicht deutlich gestiegen ist: Die neue kleine Zweizylinder-GS mit serienmäßigem E-Gas, Anti-Hopping-Kupplung und einer Fülle an Ausstattungsoptionen ist viel erwachsener geworden.

Das dürfte sich – noch sind die Preise für F 750 GS und F 850 GS nicht bekannt – auch in der Preisgestaltung auswirken. Man muss befürchten, dass eine F 750 GS in Vollausstattung an die Schallmauer von 15.000 Euro heranreichen wird; die F 700 GS war zuletzt als Basisversion für 9080 Euro zu haben, Metallic-Lack inklusive. Man darf gespannt sein, ob auch die F 750 GS an die großen Erfolge des Vorgänger­modells anschließen oder sie sogar übertreffen kann.